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Jahrmärkte in Wien#

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Jahrmarktsprivilegien und -termine für Wien fanden sich im Freiheitsbrief König Rudolf I. (1218-1291) vom 24. Juni 1278. Zwei Hauptjahrmärkte sollten 14 Tage ab St. Jakob (25. Juli) und je sieben Tage vor und nach Maria Lichtmess (2. Februar) stattfinden. Rund ein Jahrhundert später, am 29. September 1382, verfügte Herzog Albrecht III. längere und andere Termine. Bis ins 17. Jahrhundert bestanden nun der Jahrmarkt „Ascensionis“ je 14 Tage vor und nach Christi Himmelfahrt und der Jahrmarkt „Catharinae“ je 14 Tage vor und nach Katharina (25. November).

In einer bis ins Kleinste reglementierten Sozial- und Wirtschaftsordnung boten sie wenige Wochen im Jahr besondere Rechte und Freiheiten. Die Marktbesucher (damit waren die Händler, nicht die Käufer gemeint) und ihre Waren standen während dieser Zeit unter dem persönlichen Schutz des Landesherrn, der das sichere Geleit einschloss - soweit die Kaufleute dafür bezahlten und gemeinsam auf bestimmten Handelsstraßen reisten. Warentransporte waren riskant, viele Verkehrswege in schlechtem Zustand, Überfälle und Betrug häufig. Das nach der Warenmenge bemessene Geleitgeld bildete eine gute Einnahmequelle der Landesfürsten. Für die Marktdauer waren verschiedene Mauten und Zölle aufgehoben. Während des Jahrmarkts sollte völlige Freiheit des Handels herrschen. Fremde Kaufleute („Gäste“) durften ungehindert miteinander in Geschäftsbeziehungen treten und en detail verkaufen. Während des Jahres herrschte in Wien (seit 1221, erneuert 1244 und 1278) das Stapelrecht, eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung der Stadt und den Wohlstand vieler Bürger: Fremde Händler, die mit ihren Waren Wien passierten, mussten diese hier zuerst ihren Berufskollegen anbieten. Auf dem Jahrmarkt aber konnte jeder mit jedem handeln und das Publikum wusste die Konkurrenz zu schätzen, die zu mehr Angebot und günstigeren Preisen führte.
Trotz der Reformation bestimmten die katholischen Feste weiterhin den Jahreslauf. Damit verbunden waren weltliche Vergnügungen und die Jahrmärkte. Deren Abhaltung unterlag nach wie vor dem Gutdünken der Landesfürsten, die bestrebt waren, den religiösen Eifer ihrer Untertanen zu fördern. An Sonn- und Feiertagen durfte demnach der Jahrmarktsbetrieb nicht vom Messbesuch abhalten. So veranlasste die Niederösterreichische Landesregierung anno 1660 den Wiener Magistrat, gegen Missstände auf dem Jahrmarkt einzuschreiten. Es störte die Obrigkeit, dass manche Kaufleute vor dem Beginn der Gottesdienste ihre Hütten öffneten und die Verkäufer ihre Sonntagspflicht nicht erfüllen konnten.

1650 und im folgenden Jahr verkürzte die Stadt, ohne die Regierung zu informieren, die Dauer des Pfingstmarkts um die Hälfte, damit der Platz Am Hof zeitgerecht für die Fronleichnamsprozession zur Verfügung stand. Um solche Überschneidungen zu vermeiden, verlegte ein kaiserliches Patent 1715 den Beginn des Pfingstmarktes auf den Dienstag vier Wochen vor Fronleichnam. Später (1724) hatte der winterliche Jahrmarkt am 8. Dezember geschlossen zu bleiben, dafür dauerte er zwei Tage länger. Händler- und Kramerläden blieben an den hohen Feiertagen und Marienfesten zu, an gewöhnlichen Sonntagen durften sie um 12 Uhr aufsperren, besagte ein kaiserliches Patent 1730.

Im 17. Jahrhundert erhielt Wien einen dritten Jahrmarkt, den Margarethenmarkt in der Leopoldstadt. 1671 erlaubte Leopold I. dessen Abhaltung in der - nun nach seinem Namenspatron - benannten Vorstadt. Zuvor (1625 - 1670) hatte sich am Unteren Werd das jüdische Ghetto befunden. Margarethenmarkt fand von 13. bis 26. Juli statt und war mit allen alten Privilegien („Ehr, Würde, Schuz, Schirm, Gelaitt, Freyheit und Gerichtigkeit“) versehen. Es dauerte fast ein Jahrhundert, bis er sich aus bescheidenen Anfängen zu einem ernst zu nehmenden Wirtschaftsfaktor entwickelte.

Im Sinne des Merkantilismus, der die heimische Industrie und Exporte fördern, aber Einfuhren beschränken wollte, berief der Kaiser 1666 den Deutschen Ökonomen Johann Joachim Becher nach Wien. Als Wirtschaftsberater von Leopold I. kritisierte er, dass beträchtliche Summen für ausländische Luxuswaren ausgegeben würden. Der Experte sprach sich vehement gegen die Jahrmärkte aus, wo fremde Kaufleute profitablen Handel trieben. Eine massive Einschränkung war die Folge: 1674 wurde der Verkauf französischer Luxuswaren auf österreichischen Jahrmärkten verboten und damit der seit Jahrhunderten geltende Grundsatz des freien Warenverkehrs zu bestimmten Zeiten aufgehoben.

Um 1700 setzte ein Umdenken ein: Möglichst viele Kaufleute sollten nach Österreich kommen, um das Ansehen der Märkte zu heben. Man erkannte, dass vom erzielten Gewinn ein Teil in die hiesige Wirtschaft zurückfloss. 1709 war die Marktfreiheit offiziell wiederhergestellt, nur Händler aus Staaten, mit denen Österreich Krieg führte, blieben ausgeschlossen. Kaiser Karl VI. (1685-1740) förderte den Orienthandel. Griechen, Armenier und andere durften während des Jahres mit Produkten ihres Landes Großhandel, auf den Jahrmärkten zudem Detailhandel treiben. Ab 1750 fand der (seit dem 17. Jahrhundert so genannte) Pfingstmarkt im Frühjahr als „Jubilatemarkt“ nach dem Sonntag Jubilate (4. Sonntag vor Pfingsten) statt. Der Katharinenmarkt wurde auf Ende September, acht Tage vor Sankt Michael (29. September), vorverlegt. Im nächsten Jahr gab es im Winter einen vierwöchigen Allerheiligenmarkt ab dem 1. November. 1772 bestimmte eine neue Jahrmarktsordnung: Der Jubilatemarkt dauert von Montag nach Jubilate bis Samstag vor Pfingsten, der Allerheiligenmarkt vom 2. November bis zum Samstag vor dem 1. Adventsonntag.

1816 wiesen die Wiener Jahrmärkte ein Defizit von fast 2000 Gulden auf. Zwar nahmen die städtischen Einkünfte wieder zu, aber die große Zeit der Jahrmärkte war vorbei. 1849 verfügte das Handelsministerium größere Änderungen des Jahrmarktswesens. 14 Tage nach Ostern sollte nun der Frühjahrs- oder Ostermarkt beginnen. Der Theresien- oder Herbstmarkt wurde mit dem 15. Oktober angesetzt, beide dauerten 14 Tage. Wie seit Jahren diskutiert, standen sie nicht mehr in der Inneren Stadt, sondern auf dem Glacis vor dem Schottentor. Dort fanden die Jahrmärkte nicht oft statt, 1861 mussten sie dem ersten Parlament Österreichs Platz machen. Vom 26. September 1872 datiert der Gemeinderatsbeschluss „betreffend die Aufhebung der genannten Jahrmärkte“. Bis zum 800-Jahr-Jubiläum hätten damals nur noch 6 Jahre gefehlt.

Quelle#

Helga Maria Wolf. Die Märkte Alt-Wiens. Geschichte & Geschichten. Wien 2006

Redaktion: hmw

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