Mehrerauer Klosterbesitz in Dornbirn während des Mittelalters#
Das unter Graf Ulrich von Bregenz um 1090 entstandene Kloster Mehrerau entwickelte sich während des Mittelalters zum größten und bedeutendsten Vorarlberger Kloster und stellte nicht nur ein religiöses und kulturelles Zentrum dar, sondern war auch ein landwirtschaftlicher Großbetrieb.
Das für den Unterhalt des großen Klosters notwendige Vermögen basierte auf selbst bewirtschaftetem Grundbesitz in Bregenz und Umgebung, den Abgaben der Lehensbauern und auf Kapital, das in Form von Zinsbriefen verliehen wurde und dem Kloster jährliche Zinse garantierte. Das Kloster entwickelte sich durch Grundkäufe während des Spätmittelalters zu einem der bedeutendsten Grundbesitzer im Raum Bregenz, dem Bregenzerwald und dem Westallgäu. Im Bereich Grünenbach (Landkreis Lindau) erlangte das Kloster sogar eine Lehensgerichtsbarkeit. Im Vorarlberger Rheintal und im vorderen Walgau verfügte das Kloster jedoch nur über bescheidenen Lehensbesitz. Auch in Dornbirn verfügte Mehrerau über einige Lehenshöfe und bezog aus Zinsbriefen regelmäßig Zinsen.
Im Mehrerauer Archiv, das sich heute im Vorarlberger Landesarchiv befindet, haben sich einige Urkunden und Schriften erhalten, die über diese Lehenshöfe Auskunft geben. In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über dieses heute fast vergessene Kapitel Dornbirner Geschichte gegeben werden.
In der wichtigsten Urkunde aus der Frühgeschichte Mehreraus, einer Besitzbestätigungsurkunde des Papstes Innozenz IV. von 1249, findet sich Dornbirn unter der Bezeichnung „Tornburron, Stigelingen und Kuun (Knie)". Wie das Kloster zu seinen Besitzrechten in Dornbirn kam ist kaum eruierbar. Eine Erklärungsmöglichkeit wäre eine Schenkung von privater Seite. Im Mehrerauer Nekrolog, einem Totenverzeichnis, das auch Wohltäter des Klosters nennt, findet sich nämlich der Hinweis, daß der Laie Henricus „consignat monasterio praedium Tornburron", also eine Schenkung in Dornbirn vornahm. Wann diese Schen- kung vorgenommen wurde ist aus dem Nekrolog nicht zu ersehen, da nur der Todestag des Wohltäters, aber nicht das Todesjahr erwähnt wird. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wäre ein Übergang des St. Galler Kellhofs in Dornbirn an die Grafen von Bregenz während des Investiturstreits und die Weitergabe dieses Besitzes an Mehrerau. Eine Klärung dieser Frage ist aus Quellenmangel nicht möglich.
Im ältesten Verzeichnis der Zinseinnahmen Mehreraus, dem sogenannten Zinsrodel von 1280, findet sich die Erwähnung eines Großhofes in Dornbirn, der 14 Schilling Zins zu zahlen hatte. Weiters wird in Dornbirn „superfris villa" (Oberdorf) ein Lehen namens „Trostis" und ein zweites Lehen ohne Namensnennung im Zinsrodel aufgeführt. Auch die Parzelle Knie (Chnuwin) wird mit einer Abgabe von sechs denarii genannt. Im gleichen Zinsrodel taucht dann unter der Rubrik „ad custrinam", dem Küsteramt des Klosters, Chnuwin nochmals auf, wobei es sich um einen späteren Zusatz im Zinsrodel handeln dürfte. Das Zinsrodel von 1320 nennt wieder den Großhof („curia") und die zwei Oberdorfer Lehen, wobei aber zusätzlich im Oberdorf zwei Weingärten angegeben werden.
Erstmals werden die Lehen 1340 mit Namen bezeichnet. Es sind dies die Lehen: Kasten, Huobhof, Trost und Nessler. Besonders bemerkenswert scheint der Huobhof zu sein, der bereits in der päpstlichen Besitzbestätigungsurkunde von 1249 als „Tornburron Zemhueber" angegeben wird. Urkundlich taucht der Huobhof erst wieder 1340 auf. Dieser Huobhof dürfte, wie aus der Bezeichnung alleine schon hervorgeht, der bedeutendste Bauernhof unter den Mehrerauer Lehenshöfen gewesen sein. Stiglingen wird 1280 in den Zinsrodeln gleich zweimal erwähnt. Einmal mit einer Geldabgabe und mit einer starken Belastung in Form von Geldabgaben und Naturalabgaben. Der Lehenshof hatte als Naturalabgaben 160 Eier, Nüsse und 8 Schweineschultern abzuliefern. Den sehr umfangreichen Abgaben nach dürfte es sich um einen ansehnlichen Hof gehandelt haben.
In den folgenden Jahren dürfte es zu einer Aufsplitterung dieses Großhofes in Stiglingen gekommen sein, da 1320 drei Lehen genannt werden, wobei zwei Geldabgaben zu leisten hatten und das dritte Lehen mit Geld- und bedeutenden Naturalabgaben belastet war. Vermutlich hat der größte, neuentstandene Hof die starken Abgaben des ursprünglichen Großhofes übernommen. Für diese Stiglinger Lehenshöfe findet sich eine interessante lehensherrschaftliche Abgabe: das „wisot". Unter „wisot" wurde eine kleine Abgabe an den Lehensherren zu bestimmten Festtagen verstanden. Zu welchem Anlaß die Lehensbauern diese außerordentliche Abgabe zu leisten hatten ist nicht eruierbar, doch wird die Art des „wisot" genannt. Es waren acht Käselaibe und acht Hühner an das Kloster abzuführen. Für eines dieser Lehen, das Jakobslehen, ist aus dem Spätmittelalter ein anderer Hinweis auf die Ausführung grundherrschaftlicher Rechte bekannt.
1459 führte das Kloster gegen den Lehensinhaber einen Prozeß wegen Nichteinhaltung des Zinstermins. Das Jakobslehen wurde für fällig und verfallen erklärt und das Lehen einem neuen Bauern verliehen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1474 zeigt ebenfalls wie das Kloster versuchte seine grundherrschaftlichen Rechtsansprüche durchzusetzen und dazu den Rechtsweg nicht scheute.
Die Lehensinhaber der vier mehrerauischen Lehen zu Stiglingen verweigerten die Leistung des „besten Fall", also die Verpflichtung das beste Stück Vieh beim Tode des Ältesten auf dem Hofe, dem Kloster zu übergeben. Deswegen kam es am 27. Juli 1474 zu einer Tagsatzung in Dornbirn zwischen dem Vertreter des Klosters und den Lehensinhabern. Der Vertreter des Klosters, Symon Grötsch, Stadtamman von Bregenz, brachte vor, daß die vier Lehen mit Namen: „Jakobs-, Bombgarten-, Natter- und Blatterlehen alle den besten Fall Zinsen sollten. Ein gewisser Schnell hätte dem Kloster auch den besten Fall geleistet und ein Andres Rusch hätte den besten Ochsen zu Martini dem Abt in Dornbirn übergeben.
Die Dornbirner erwiderten durch ihren Fürsprecher, den Landrichter Hans Rad, dass sie „mit Eigenschaft" (Leibeigenschaft) dem österreichischen Landesherren und nicht dem Abt zugehörig wären und daher nur dem Landesherren todfallpflichtig wären. Dem Abt wurde eine Frist von sechs Wochen zur Vorlegung der schriftlichen Beweisstücke eingeräumt, doch hielt er diese Frist nicht ein und verlor daher den Prozess. Das Kloster konnte seinen Anspruch, den Bestfall einzuheben, nicht durchsetzen.
Ein weiteres Beispiel für die grundherrschaftlichen Rechtsansprüche ist ein Vertrag aus dem Jahre 1347. Das Kloster war immer bemüht seine Güter in gutem Zustand zu erhalten, da davon der Ertrag und Gewinn des Klosters abhing. Als Beispiel dafür kann eine Urkunde von 1347 genannt werden, laut der ein Hans Loechlin verspricht, die Bäume, die er in seinem Weingarten am „Staimbach" gepflanzt hatte und die den Weingärten des Klosters schädlich waren, ausgraben werde. Als Entschädigung für das Ausgraben der Bäume erhielt er vom Probst Haldenberg eine bestimmte Menge Hafer. Diese an und für sich unbedeutende Angelegenheit ist typisch für das wiederholte Eintreten des Klosters für den guten Zustand der Lehensgüter.
Das Kloster verfügte auch in der Parzelle Knie über Besitz. Es handelt sich dabei wie oben schon erwähnt um sehr alten Mehrerauer Besitz, da er bereits 1249 erwähnt wird. Dieser Besitz wurde 1451 durch einen Weingarten vermehrt. Dieser Weingarten kam beim Kauf der Güter des Ulrich von Schwarzach an Mehrerau." Ritter Ulrich von Schwarzach hatte die Burg Oberfeld in Wolfurt, Weingärten in Wolfurt und Schwarzach, landwirtschaftliche Güter in Schwarzach und eben den Weingar- ten auf Knie um 944 Pfund und eine Herrenpfründe an das Kloster verkauft.
1471 kam es wegen eines Waldes auf Knie zu einem Rechtsstreit, der bei einem Lokalaugenschein entschieden wurde. Das Kloster konnte seine Besitzrechte am Wald verteidigen. Auf Knie befand sich auch alter St. Galler Besitz, der über die Montforter und Habsburger an die Emser Ritter gekommen sein dürfte." Inwieweit hier eine Beziehung zwischen dem St. Galler und Mehrerauer Besitz besteht ist nicht klar.
Das Kloster Mehrerau hatte auch Besitzrechte an der Alpe Mörzel. Mörzel war neben den Alprechten in Zürs die wichtigste Alpe des Klosters. Diese Besitzverhältnisse waren jedoch sehr kompliziert, da auch die Dornbirner und Mellauer über Besitzrechte verfügten. 1495 kam es zu Streitigkeiten zwischen den Alpgenossen, die bei einem Schiedsgericht behandelt wurden. Mehrerau wollte ursprünglich die Streitigkeiten vor dem geistlichen Gericht in Konstanz verhandeln lassen, doch hatten die Dornbirner den Vogt von Feldkirch um Vermittlung gebeten, der 1495 eine schiedsgerichtliche Verhandlung wegen der strittigen Rechtsansprüchen an der Alpe und dem zur Alpe gehörigen Wald führte. Das Schiedsgericht entschied, daß dem Abt ein Vorsäß zuzusprechen wäre und den Alpgenossen ein Schneefluchtrecht dorthin einzuräumen sei. Sie hatten dem Kloster aber weiterhin das Vogelmahlrecht zu entrichten. Dies war eine besondere Form der Abgabe, die aus allen Milchprodukten bestand, welche an einem bestimmten Tag während des Alpsommers erzeugt wurden. Bei Ausbleiben der durch das Vogelmahlrecht bestimmte Käselieferungen, sollte die Alpe wieder an das Kloster zurückfallen. Auch die Ansprüche des Abtes auf einen Waldantcil wurden bestätigt.
Das Kloster war während des 16. und 17. Jahrhunderts immer wieder gezwungen Lehensgüter in Dornbirn zu verkaufen. Besonders der Bau der barocken Klosteranlage stürzte das Kloster in große Schulden, sodaß nur durch einen Verkauf von Lehenshöfen finanzielle Mittel aufgebracht werden konnten. Den endgültigen Schlußstrich unter die Besitz- und Rechtsver- hältnisse Mehreraus in Dornbirn wurde durch die Auflösung des Klosters im Jahre 1806 gezogen.
Quellen#
- Dornbirner Schriften
- www.mehrerau.at
Hochinteressant; M. wurde zunächst als Benediktinerkloster gegründet, später Zisterzienser. Besonders bemerkenswert, dass hier offensichtlich das katholische Zinsverbot nicht galt, das es den Juden im Mittelalter ermöglichte, als einzige Geldverleiher finanziell zu überleben, indem sie etwa die Landesfürsten weitgehend finanzierten.
-- Glaubauf Karl, Freitag, 7. Oktober 2011, 14:30