Seifensieder #
Seifensieder übten eine Tätigkeit aus, die lange Zeit nur auf die Haushaltsproduktion beschränkt war. Das Handwerk als Vollberuf entwickelte sich erst nach und nach seit dem Hochmittelalter in den Städten, wo es wegen der Feuergefährlichkeit und des Gestanks meist nur am Stadtrand geduldet wurde.
Zum Waschen von Stoffen dienten seit alters vielerlei Waschmittel aus Holzasche, Pflanzenextrakten, natürlicher Soda, in der Antike besonders auch aus fauligem Urin, zu dessen Sammlung im alten Rom viele Harnbehälter mit einladenden Anpreisungen in den Straßen aufgestellt waren. Die Wäscher und Tuchwalker, die den Urin gegen eine bestimmte jährliche Abgabe von der römischen Staatsverwaltung zu kaufen pflegten, waren ein eigener Berufsstand und hießen Fullonen. Zur Körperreinigung benutzte man hauptsächlich Öl, Bimsstein und das Schabeisen neben kaltem und heißem Wasser, Schlamm-, Dampf- und Schwitzbädern. Die Seife lernte man zuerst bei den Galliern kennen, die sie als Arznei- und Haarpflegemittel verwendeten, und bei den Germanen, die sie schon wie wir benutzten. Plinius der Ältere (um 24—79 nach Christus) berichtete, dass man Seifenkugeln aus den eroberten germanischen Grenzprovinzen bezog, die aus Buchenasche und Ziegentalg zubereitet waren und einen angenehmen Schaum gaben.
Seife besteht aus den Alkalisalzen höherer Fettsäuren, die durch Verseifung (Saponifikation) von Fettstoffen entstehen. Die zum Seifensieden erforderlichen Fette und Öle waren entweder tierischen — wie der Talg von Schafen, Rindern, Ziegen, das Fett von Pferden, Schweinen, Walfisch, Robben und Fischtran — oder pflanzlichen Ursprungs wie Olivenöl, Palm- und Kokosöl, aber auch Sesam-, Rüb-, Hanf- und Leinöl. Die Seifensiederlauge wurde aus Kali (Holzasche, Pottasche) oder Natron (Soda) und Ätzkalk zubereitet. Der Seifensieder kochte in einem Siedekessel die Fette oder Öle in der Lauge so lange, bis ein gallertartiger Seifenleim entstand, der durch Kochsalzzusatz (Aussalzen) in »Kern« (feste obere Schicht) und »Unterlauge« getrennt wurde. Das Sieden war eine langwierige Arbeit, die viele Stunden dauerte und ein fortwährendes Umrühren erforderte. Nach Abziehen der Unterlauge wurde die »Kern«-Seife in Formen (Laden) geschöpft, in denen sie bis zur völligen Erstarrung blieb. Die erhaltenen Blöcke zerschnitt man mit Messingdraht zu Tafeln oder Riegeln. Mit Kalilauge bereitete Seifen waren stets weich und schmierig (Schmierseifen), die Natronseifen hart und fest. Aus fünfzig Kilogramm Talg konnte man etwa hundert Kilogramm Seife gewinnen, die bis auf etwa siebzig Kilogramm eintrocknete.
Feinseifen (Toilettenseifen) erhielten eine elegante Form und verschiedene Zusätze wie Farbstoffe, Parfüms, Mandelkleie, Glycerin, Galle, Bimsstein und andere. Das Sortiment war vielfältig: Marseiller, venezianische oder spanische nannte man Seifen, die mit Olivenöl statt mit Talg erzeugt und wegen ihrer Milde überaus geschätzt wurden und die auch in der Seidenfärberei zum Degummieren der Seide Verwendung fanden. Mandelölseife wurde aus Mandelöl, Kakaoseife aus Kakaobutter, die besonders schäumende Harzseife aus Pech, die besonders waschkräftige Gallseife aus Galle und die Fischseife, so beschrieb es jedenfalls Mister Jameson aus Leith in Schottland, aus Heringen mit einem Zusatz von Talg und Harz hergestellt; und die medizinischen Seifen bestanden aus zwei Teilen Provenceröl (Olivenöl) und einem Teil reiner Natronlauge, die bisweilen von den Apothekern selbst gesotten wurden.
Die Seifensiederei war ein »geschenktes« Handwerk, das in drei bis sechs Jahren zu erlernen war. Das Meisterstück bestand in einem Sud Seife mit allen damit verbundenen Operationen wie der Zubereitung der Lauge, dem Sieden, Aussalzen, Garsieden und Formen.
Der stete Mangel an Pottasche und das reichliche Angebot an Talg (Unschlitt) führten dazu, daß die Seifensieder aus ihren Siedekesseln die in großen Mengen benötigten Talglichter (Unschlittkerzen) zogen oder gossen. Da die Arbeit und die Rohmaterialien der Seifensieder und der Lichterzieher sehr ähnlich waren, finden sich sehr oft beide Professionen in einer Person vereint. Gezogen wurden die Lichter, indem man die Dochte, meist aus Baumwollgarn, auf einen Lichtspieß oder ein Lichtbrett aufreihte und so oft in den Siedekessel mit dem geschmolzenen Talg eintauchte und immer wieder herauszog, bis die Kerzen die gewünschte Dicke angenommen hatten. Zum Gießen verwendete man eigene Lichtformen aus Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder Eisenblech, in die man Dochte einspannte und die man dann mit flüssigem Talg ausgoss.
Quellen#
- Rudi Palla: Verschwundene Arbeit. Christian Brandstätterverlag Wien - München, 2010.