Das Toleranzwunder der Martinskirche in Attersee Attersee, Steiermark #
Katholiken verkaufen den Protestanten eine Kirche - wenn auch mit königlich bayerischer Unterstützung...
Wie schon angedeutet: Im Salzkammergut ist alles möglich! Da verkaufen die Katholiken sogar den Lutheranern eine Kirche, wenngleich mit „nachdrücklicher" Hilfe durch die Bayerische Staatskanzlei in München. Wie aber kam es zu diesem in Österreich recht ungewöhnlichen Akt?
Nach Erfassung des Toleranzpatentes durch Kaiser Joseph II. im Jahre 1781 bekannte sich auch im Attergau eine erhebliche Anzahl von Personen zum evangelischen Glauben. Für die Gründung einer eigenständigen Pfarre reichte nach der geltenden Gesetzgebung diese Zahl aber nicht, und so mußten die Evangelischen vom Attersee jeden Sonntag über den sogenannten "Protestantensteig" bis zur ihnen zugewiesenen neuen evangelischen Kirche von Rutzenmoos bei Vöcklabruck pilgern. An die sieben Stunden waren sie dabei unterwegs, doch alle Ansuchen nach Wien um Genehmigung eines eigenen Kirchenbaues am Attersee wurden abgelehnt.
Da kam ihnen die politische Situation zu Hilfe: Im Frieden von Schönbrunn (1809) musste Österreich das Innviertel und das halbe Hausruckviertel einschließlich des Ortes Attersee an die Bayern, die ja - o Schande! - Verbündete Napoleons waren, abtreten. Die Grenze verlief damals quer über den Attersee.
Und was den hartnäckigen Allerseer Protestanten in Wien nicht gelang - in München konnten sie es durchsetzen! Im Jahre 1813 wurde durch die Königlich Bayerische Staatsregierung die Errichtung einer „Protestantischen Pfarrey" im Ort Attersee genehmigt - wahrscheinlich nicht aus bloßer Liebe zu den Lutheranern, sondern als Spitze gegen Wien „recht gut gemeint".
Auch hierbei hat der „nachdrückliche Wunsch" der Bayern wohl nachgeholfen: Die unbenutzte Martinskirche am Fuß des Kirchbergs von Attersee konnte nämlich von den Evangelischen um 480 Gulden, zahlbar in drei Jahresraten, gekauft werden.
So ist heute die protestantische Martinskirche, in deren Presbyterium ein schönes spätgotisches Netzrippengewölbe erhalten blieb, ein Schmuckstück des Ortes Attersee.
Gleich neben ihr steht das reizende "Fromingerhaus", das älteste Holzhaus des Ortes, welches schon seit vielen Jahren Wohnsitz des "Kirchendieners" ist.
Wandervorschlag#
Besonders der gebirgige südliche Teil des Attersees lädt zu Bergwanderungen ein, so zum Beispiel zur Besteigung der 1.134 m hohen Hochplettspitze: An der Umfahrungsstraße von Unterach nimmt der markierte Weg zu ihr seinen Anfang, und es geht im Wald in zahlreichen Serpentinen aufwärts, bis nach 1/2 Std. der "Jubiläumsbaum" mit seiner Aussicht auf den Attersee erreicht wird. Nach einer weit ausholenden Kehre gelangt man auf das Plateau zwischen Hochgupf und Hollerberg, und nach Überwindung eines letzten Aufschwungs stehen wir nach 1 1/2-stündigem Aufstieg am Gipfel mit seinem Panorama-Rundblick vom Schafberg bis zum Dachstein (Kompaß WK Nr. 20).
Quellen#
- Hilde und Willi Senft: Geheimnisvolles Salzkammergut. Magisches, Besonderes, Kurioses und Unbekanntes. Leopold Stocker Verlag, Graz 2002; 2. Auflage 2003.