Villa Blumental#
Das erste Fertigteilhaus Österreichs
Ein kurzes Stück hinter dem Jägerdenkmal für Kaiser Franz Joseph und nicht weit vom Schloss Engleithen entfernt, vermeint man am „Lauffener Waldweg" plötzlich vor einer norwegischen Stabkirche zu stehen. Mit seinen ausgeschweiften Dachreitern, den Erkern, Alkoven und dem Türmchen erinnert der exzentrische, aber attraktive Holzbau an das skandinavische Vorbild.
Die Villa Blumenthal hat eine schier unglaubliche Odyssee hinter sieh. Sie wurde 1890 in Berlin aus dem edlen Holz der amerikanischen Pechkiefer gezimmert, ohne einen einzigen Eisennnagel zusammengefügt und war im Jahr 1893 eine der Attraktionen der Weltausstellung in Chikago.
Der Bühnenschriftsteller und Thealerdirektor Dr. Oscar Blumenthal aus Berlin, ein häufiger Sommergast in Bad Ischl, wandelte damals durch das Ausstellungsgelände und verliebte sich in das Haus sofort. Er griff tief in die Tasche, erwarb das Objekt um 20.000 Dollar, ließ es fachmännisch zerlegen, und nach achttausend Schiffskilometern und mehr als tausend Kilometern Eisenbahn kam die Villa im Frühjahr 1895, in unzähligen Kisten verpackt, in Ischl an.
In der Nähe eines seiner Lieblingsplätze, dem Lauffener Waldweg, konnte Blumenthal ein Grundstück erwerben und ließ die präzis numerierten Einzelteile zu jenem sehenswerten Bau zusammenfügen, den wir heute, nach Totalrenovierung durch den derzeitigen Besitzer, in bestem Zustand bewundern können.
Was hat das "Weiße Rößl am Wolfgangsee" mit der Villa Blumenthal zu tun?#
Vom Dachfenster aus konnte Oscar Blumenthal direkt zu seinem Lieblingslokal, dem „Weißen Rössl" von Lauffen, einem renommierten Einkehrgasthof am Ufer der Traun, hinübersehen. Oft weilte er dort auch bei der bildhübschen und früh verwitweten Wirtin zu Gast, die wie ein Magnet Verehrer von nah und fern anzog. Alexander Girardi etwa legte die fünf Kilometer von Ischl nach Lauffen mit dem Fahrrad zurück, und für die Gäste, die den Wasserweg vorzogen, gab es sogar einen regulären Schiffs-Zubringerdienst auf der Traun.
Blumenthal suchte eben wieder nach einem attraktiven Stoff für eine Komödie; und befasste sich mit dem schon hunderfünfzig Jahre alten Stück "Mirandolina", in dem eine stolze Florentiner Wirtin von allerlei reichen Gästen umworben wird, schließlich aber ihren hauseigenen Kellner heiratet.
Die Lauffener Wirtin, umschwänzelt von einem bunten Gemisch von Sommergästen aus aller Herren Länder, inspirierte ihn nachhaltig, und so wurde aus der alten „Mirandolina" ein neues "Weißes Rössl", wobei Blumenthal eine Reihe von Ischler Namen in das Stück einbaute. Schon 1897 wurde das Lustspiel in Berlin (mit dem Untertitel „Ort der Handlung das Salzkammergut") uraufgeführt und zu einem unzählige Male gespielten Kassenschlager.
Schon wenige Jahre später trat aber überraschend eine zweite echte Rösslwirtin im Salzkammergut in Erscheinung: im nur knapp zwanzig Kilometer entfernten St. Wolfgang gab es nämlich seit alten Zeilen ebenfalls ein „Weißes Rößl". Es hatte nicht nur eine Terrasse zum See und einen Dampfer-Anlegeplatz vorzuweisen, sondern auch eine Wirtin, welche die Gunst der Stunde erkannte und sich fälschlich als Urbild der Rössl-Wirtin ausgab. Allmählich wurde dies überall geglaubt, zumal Blumenthal schon 1917 und die echte Rössl-Wirtin aus Lauffen 1926 verstorben waren. Das Lustspiel selbst verschwand aber schließlich völlig von den Bühnen.
Und nun kam dem Thema ein neuerlicher Zufall zugute: Der berühmte Schauspieler Emil Jannings hatte zufällig als sechzehn Jahre alter Schauspiel-Debütant im Jahre 1900 als Statist in diesem Lustspiel mitgewirkt. 1930 ließ er sich am Wolfgangsee nieder und wurde Stammgast im „Weißen Rößl". Als er mit dem berühmten Regisseur Charell eines Abends dort speiste, brachte er die Rede auf das Blumenthalsche Lustspiel, das seines Wissens hier im Haus sein Vorbild gehabt halle.
Charell griff das Thema sofort begeistert auf, erwarb die Rechte am Blumenthalschen Stück und schuf mit einem neuen Librettisten und dem Komponisten Ralph Benatzky die berühmt gewordene und heute noch immer beliebte gleichnamige Revue-Operette. Lieder wie "Zuschaun kann i net", „Die ganze Welt ist himmelblau". „Mein Liebeslied muß ein Walzer sein". „Was kann der Sigismund dafür", „Es muß was Wunderbares sein" und "Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein..." sind inzwischen fast zum Volksgut geworden.
Das „Weiße Rössl" in Lauffen, in späteren Jahren heruntergewirtschaftet, gibt es längst nicht mehr. Es ist dem Bau der Umfahrungsstraße zum Opfer gefallen. Von den ehemals sieben Gasthöfen in Lauffen hat nur ein einziger überlebt - und der ist unter der Woche geschlossen...
Quellen#
- Hilde und Willi Senft: Geheimnisvolles Salzkammergut. Magisches, Besonderes, Kurioses und Unbekanntes. Leopold Stocker Verlag, Graz 2002; 2. Auflage 2003.