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Michael Göbl: Wappenreiches Wien#

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Michael Göbl: Wappenreiches Wien. Ein heraldisches Handbuch der inneren Stadt. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 220 S., ill., € 28,90

Was führen Wappen im Schilde? Mit dieser Frage beginnt Michael Göbl sein heraldisches Handbuch. Darin erläutert der langjährige Archivar am Österreichischen Staatsarchiv, Historiker und Genealoge erstmals systematisch die Wappen auf markanten Wiener Bauten, Außerdem stellt er sie in 155 eigenen Fotos vor. Von Anfang an war das Wappen ein Erkennungszeichen, das Zeichen eines Individuums und entwickelte sich schließlich zum Familienwappen und auch zum Wappen von Institutionen, erläutert der Autor. Er erinnert daran, dass die heutigen Länderwappen aus den persönlichen Wappen der Landesfürsten entstanden sind und erst allmählich zu umfassenden staatlichen Hoheitszeichen wurden. An den Fassaden und über den Portalen von Palais repräsentierten Wappen ihre adeligen Besitzer. Im Historismus, als Bürger und "Jungadelige" den aristokratischen Lebensstil nachahmten, ließen sie auf ihren Gebäuden Kartuschen mit neu erfundenen Wappen oder ihren Monogrammen anbringen.

Standesgemäß beginnen die Beispiele in dem beeindruckenden Buch mit der Hofburg, dem größten Residenzbau-Komplex Europas. Die im Kern mittelalterliche Wasserburg entwickelte sich zur Habsburger-Residenz und ist heute der Arbeitsplatz des Bundespräsidenten. Besonders interessant ist der älteste Teil, der Schweizertrakt. König Ferdinand I., der 1533 seine Hofhaltung von Prag nach Wien verlegte, ließ hier - erstmals im öffentlichen Raum - sein Wappen anbringen. Die unter dem König umgebaute Burg erhielt ein auffallend imposantes Tor über einer Zugbrücke. Das Schweizertor, eines der seltenen Renaissance-Denkmale Wiens, enthält im Gewölbe die Wappen der Länder, die Ferdinand 1521 zugesprochen erhielt. Im Zentrum des Gewölbes steht der mit dem Pfauenstoß versehene rot-weiß-rote Bindenschild, das Familienwappen der Habsburger. Zwei barocke Löwen flankieren als Torwächter die ehemalige Zugbrücke. Sie halten die Schilde der Wappen von Neuösterreich (Bindenschild) und Altösterreich (Fünf-Adler-Wappen). Wenige Schritte weiter sicherte der Adlerbrunnen die Wasserversorgung der Burg. Der kaiserliche Doppeladler mit der Jahreszahl 1552 erinnert an die Fertigstellung der Hofwassserleitung aus der nahen Vorstadt St. Ulrich.

Außer der Hofburg beschreibt das erste Kapitel sieben weitere "Verwaltungspalais" und erläutert in einem Exkurs den Kaiseradler und das Staatswappen. In diesem Abschnitt findet das Josephinum (9, Währinger Straße 25) seine Würdigung. Der palastartige Zweckbau mit einem vorgelagerten Ehrenhof gehört zu den schönsten klassizistischen Gebäuden aus josephinischer Zeit. … In der Attikazone der k .k. medizinisch-chirurgischen Militärakademie befindet sich das kaiserliche, von Greifen gehaltene Wappen Josephs II., nach der Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei eine einzigartige Illustration eines habsburgischen Wappens im urbanen Raum. … Die aufwendig gestaltete Wappenkartusche… gehörte als repräsentatives Element zu dieser Einrichtung. Kaiser Joseph II., der sich gern als erster Diener des Staates bezeichnete, ließ diese "Palastschule" auf seine eigenen Kosten und nicht auf Staatskosten errichten. Statt der fürstlichen Appartements fand man hier Sammlungs- und Bibliotheksräume.

Der Stephansdom steht an der Spitze der zweiten Gruppe von Bauwerken mit herausragendem Wappenschmuck. Kirchen repräsentierten in besonderer Weise das katholische und das habsburgische Österreich. Entsprechend zahlreich sind die im Inneren und Äußeren des Doms angebrachten Wappen, am markantesten auf dem mit 230.000 bunt glasierten Ziegeln gedeckten Steildach. Das südliche Chordach zeigt das kleine Wappen des Kaisertums Österreichs. Die Initialen F.I. und die Jahreszahl 1831 erinnern an die Restaurierung nach den Franzosenkriegen. Am nördlichen Chordach sind die Wappen der Republik Österreich und der Stadt Wien zu sehen. Im Sinn der heraldischen Courtoisie blicken die beiden Adler einander an. Die Zahl 1950 steht für die Wiederherstellung des 1945 ausgebrannten Domes. In den 1860er Jahren hatte Dombaumeister Friedrich Schmidt den 136 m hohen Turm renoviert. Das Kreuz mit dem kaiserlichen Wappen wurde am 34. Geburtstag Kaiser Franz Josephs, am 18. August 1864, aufgesetzt.

Das umfangreichste Kapitel ist den Adelshäusern gewidmet. Es umfasst 41 Gebäude in alphabetischer Reihung vom Palais Baechlé-Thavonat bis zum Palais Zepharowitsch. Das Palais Baechlé-Thavonat (1, Wipplingerstraße 21), steht unmittelbar an der Hohen Brücke. Der Großindustrielle Joseph von Baechlé (1820-1901) errichtete u. a. die Siegendorfer Zuckerfabrik. Seine Gemahlin Rosina Eleonore Johanna Thavonat von Thavon (1841-1900) war die Tochter des Gutsbesitzers von Schloss Sachsengang in Niederösterreich. Das Palais Zepharowitsch (1, Fleischmarkt 16) ist heute als Sitz der österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft bekannt. Zur Zeit seiner Erbauung lag das klassizistische Miethaus im Griechenviertel. Die Zepharowitsch gehörten zu den balkan-orthodoxen Kaufleuten, die sich im 18. Jahrhundert dauerhaft in Wien niederließen und es zu Wohlstand und sozialem Aufstieg brachten. Daniel von Zepharowitsch (1736-1806) erhielt das Adelsprädikat wegen seiner Verdienste in der Finanzverwaltung. Unter anderem handelte er mit dem Maria-Theresien-Taler und motivierte 500 griechische Unternehmer aus der Türkei zur Niederlassung im Banat und in Ungarn.

In der Folge widmet sich der Autor dem Wiener Wappen und anderen Städte- und Länderwappen der Monarchie. Städtewappen kamen im 12. Jahrhundert auf und leiteten sich von den Siegeln der Gemeinden ab. Das Wiener Siegel dürfte im Zusammenhang mit der Stadtrechtsverleihung 1221 entstanden sein. Das eigentliche Wappen der Stadt, der Schild mit dem Kreuz, ist erstmals 1278 auf einem Wiener Pfennig zu sehen. … Das älteste Wappen Wiens im öffentlichen Raum befindet sich am Alten Rathaus … Ein gotischer Engel hält die Wappen Österreichs und Wiens. Städte- und Länderwappen der Donaumonarchie sind u. a. am Palais Ferstel, an der Staatsoper und am Akademischen Gymnasium zu entdecken. Händler konnten mit ihren Kontakten zu anderen Ländern werben. So zieren Wappen der Städte Triest, Hamburg und London die Jugendstilfassade des Meinl-Hauses (1, Fleischmarkt 7). Der Delikatessenhändler Julius Meinl (1834-1914) entwickelte 1877 ein Verfahren zur industriellen Kaffeeröstung. Unweit davon schmückt das Stadtwappen von Regensburg den Regensburger Hof (1, Lugeck 4). Im 14. Jahrhundert hatte sich an seiner Stelle ein wichtiger Stützpunkt des Donauhandels befunden. Das Wappen am historistischen Miethaus knüpft an die stolze untenehmerische Tradition an.

Im Mittelalter schlossen sich Händler und Handwerker zu Zünften zusammen, die das berufliche, religiöse und private Leben der Branchenkollegen regelten. Aus ihren Siegeln entstanden die Zunftwappen, wie man sie von Baumeistern, Buchdruckern oder Schneidern an Fassaden erkennen kann. Um 1900 erhielten auch weniger bekannte Gewerbe Berufswappen. Ihr Schöpfer war der berühmteste Heraldiker der Monarchie, Hugo Gerard Ströhl (1851-1919). Seine 130 Innungswappen sind im Inneren der ehemaligen Versorgungsheimkirche in Lainz angebracht und geben Einblick in die Vielfalt der vor 120 Jahren üblichen Berufe. Auf den Turmfassaden sind die Bezirkswappen der damaligen 20 Wiener Bezirke zu sehen. Auch diese farbigen Darstellungen hat Ströhl konstruiert. Michael Göbl schreibt: Man könnte diese Kirche als "Geburtskirche" der modernen Wiener Bezirks- und Berufswappen bezeichnen.

Zum Ausklang widmet sich der Autor einigen Denkmälern und fügt einen Ausblick sowie Register und eine kleine Sammlung heraldischer Begriffe an Das Werk, das Gebäude, historisches Umfeld und die Wappen im Detail vorstellt, kann als Reiseführer der besonderen Art dienen. Darüber hinaus macht das Buch Lust, selbst das wappenreiche Wien zu erkunden. 30 Vorschläge finden sich im "Ausblick". Ist die Aufmerksamkeit einmal dafür geweckt, findet man die heraldische Zier auf Schritt und Tritt.

hmw