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Kraus, Karl#


* 28. 4. 1874, Jici'n/Gitschin (Böhmen)

† 12. 6. 1936, Wien


Sprach- und Kulturkritiker, Schriftsteller

Karl Kraus
Karl Kraus
© Bildarchiv der Österr. Nationalbibliothek
Der Sohn eines jüdischen Papierfabrikanten kam 1877 mit seiner Familie nach Wien. Er maturierte am Franz-Joseph-Gymnasium, studierte auf Wunsch seines Vaters Jus, wechselte dann aber zu Germanistik und Philosophie über. Während des Studiums arbeitete er für verschiedene Zeitungen. Kraus zählte zum legendären Literatenkreis des Cafe Griensteidl, nach dessen Abbruch er sein berühmtes Pamphlet "Die demolirte Literatur" schrieb, und des Cafe Central. 1899 gründete er die Zeitschrift "Die Fackel", die bis zu seinem Tod in zwangloser Folge erschien und ihm als Tribüne für seine ätzend scharfe Kritik am politischen und kulturellen Geschehen der Zeit diente. Kraus führte einen unerbittlichen Kampf gegen geistige und wirtschaftliche Korruption und gegen die "Verlotterung der Sprache", in der sich nach seiner Meinung der Kulturverfall manifestierte. Dabei schreckte er auch vor gehässigen Angriffen nicht zurück, doch wohnte seiner kompromisslosen Kulturkritik ein hohes Maß an sprachlichem wie moralischem Ethos inne. Der streitbare Polemiker entfaltete auch eine rege Vortragstätigkeit. In rund 700 Lesungen bot er in vollbesetzten Sälen nicht nur eigene Texte dar, sondern auch die Werke Nestroys, auf die er wieder aufmerksam machte, Offenbachs und Shakespeares. Der ungemütliche "Fackel-Kraus" war zur Institution geworden. Weltanschaulich wie politisch machte Kraus einige Kehrtwendungen. Er trat 1899 aus der jüdischen Kultusgemeinde aus, konvertierte 1911 zum Katholizismus, dem er 1923 jedoch wieder den Rücken kehrte. Er war ein Parteigänger von Erzherzog Franz Ferdinand und im 1. Weltkrieg glühender Pazifist; sein Monumentalwerk "Die letzten Tage der Menschheit" (1919) ist eine flammende Anklage gegen Krieg und Kriegsbegeisterung. In den 20er Jahren stand er der Sozialdemokratie nahe, später befürwortete er den Ständestaat. Doch vor Hitler musste auch Kraus, der Wortgewaltige, kapitulieren; sein Satz "Zu Hitler fällt mir nichts ein", ist berühmt geworden. Den Essay "Die dritte Walpurgisnacht", in dem er sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzte, zog er vor der Drucklegung zurück (er wurde erst 1952 publiziert). Die weitere historische Entwicklung ist dem herausragenden Denkerpublizisten und Schriftsteller erspart geblieben.

Weitere Werke#

  • "Die chinesische Mauer" (Essays, 1910)
  • "Wolkenkuckucksheim" (Drama, 1923)
  • "Traumtheater" (Drama, 1924)
  • "Literatur und Lüge" (Essays, 1929)
  • "Worte in Versen" (Gedichte, 9 Bde., 1916-1930)

Literatur#

  • O. Kerry, Karl Kraus Eine Bibliographie (1970)
  • P. Schick, Karl Kraus (1965)
  • H. Weigel, Karl Kraus (1968, 1986)



© "Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik" von Isabella Ackerl und Friedrich Weissensteiner, 1992