Renner, Karl#
* 14. 12. 1870, Dolni Dunajovice/Untertannowitz (Mähren)
† 31. 12. 1950, Wien
Staatsmann
Renner,
ein Staatsmann von europäischem Format, war der Baumeister der Ersten
und der Zweiten Republik. Der Sohn eines Kleinbauern finanzierte durch
Gelegenheitsarbeiten und als Privatlehrer sein Gymnasialstudium in
Nikolsburg. In Wien studierte er Jus (Promotion: 1898) und schloss sich
der sozialdemokratischen Bewegung an. Ab 1895 arbeitete er in der
Reichsratsbibliothek. Als Beamter musste er seine Bücher zunächst unter
Pseudonymen veröffentlichen (Synopticus, Rudolf Springer). Er
beschäftigte sich v. a. mit der Nationalitätenfrage in Österreich-Ungarn
(u. a. "Staat und Nation", 1899, "Der Kampf der österreichischen Nationen um den
Staat", 1902). Ab 1907 Reichsratsabgeordneter, trat
Renner für eine
föderalistische Neuordnung der Monarchie ein ("Österreichs Erneuerung",
1916/17).
Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches war er 1918/19 als Leiter
der Staatskanzlei und 1919/20 als Staatskanzler österreichischer Regierungschef.
1919/20 war er zugleich Staatssekretär für Äußeres und Leiter der
österreichischen Friedensdelegation in St-Germain.
Renner, ein Vertreter des rechten,
gemäßigten Parteiflügels, setzte sich für die Beibehaltung der
Regierungskoalition mit den Christlichsozialen ein. Als er sich damit in
seiner Partei nicht durchsetzen konnte, zog er sich vorübergehend aus
der Politik zurück, widmete sich der Genossenschaftsbewegung und
gründete 1923 die Arbeiterbank, die er auch leitete. 1919-1934 war er
Mitglied des Nationalrates, 1930-1933 dessen Erster Präsident. 1934
wurde er vom Dollfuß-Regime vorübergehend inhaftiert. Er sprach sich
1938 für den Anschluss an das Großdeutsche Reich aus. Die Kriegsjahre
verbrachte er in Gloggnitz, mit Studien und schriftstellerischen
Arbeiten beschäftigt. 1945 stellte
Renner seine reiche politische und
administrative Erfahrung an vorderster Front in den Dienst des neuen
Staates. Er war Mitbegründer der SPÖ und 1945 Staatskanzler der
"Provisorischen Staatsregierung". Am 20. Dezember 1945 wurde er von der
Bundesversammlung einstimmig zum Bundespräsidenten gewählt und hatte
dieses Amt bis zu seinem Tod inne.
Werke#
- "An der Wende zweier Zeiten. Lebenserinnerungen" (1946)
- "Vom liberalen zum sozialen Staat" (1948)
- "Lyrisch-soziale Dichtungen" (1950)
Literatur#
- J. Hannak, Karl Renner und seine Zeit (1956)
- H. Schroth, Karl Renner Eine Bibliographie (1970)
- S. Nasko, Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen (1982)
© "Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik" von Isabella Ackerl und Friedrich Weissensteiner, 1992