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Friedrich Achleiter: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert III/3#

Bild 'Achleitner'

Friedrich Achleiter: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert III/3 Wien 19.-23. Bezirk. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien im Residenz-Verlag St. Pölten - Salzburg 2010. 500 S., illustriert, € 49,90

Die schlechte Nachricht: Der 4. Band von "Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert" über Niederösterreich wird nicht realisiert. Die gute Nachricht: Band III/3 "Wien 19. - 23. Bezirk" ist, fast 500 Seiten stark, jetzt erschienen. Die Idee zu diesem "Monsterprojekt " hatte der damals 35-jährige Friedrich Achleiter anno 1965. Der jüngste Band kam nach seinem 80. Geburtstag. Ziel des Architekten, Schriftstellers und Architekturkritikers, war es, einen handlichen Führer der charakteristischen Bausubstanz des 20. Jahrhunderts zu schreiben. Als Zeitrahmen setzte er sich seinerzeit drei Jahre. Friedrich Achleitner, Mitglied der legendären "Wiener Gruppe" (H.C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm, Oswald Wiener), studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er bis 1998 an der Hochschule für angewandte Kunst als Professor für Geschichte und Theorie der Architektur tätig war.

Seine Führer behandeln Architektur im weitesten Sinne, das heißt auch Bauten des alltäglichen Bedarfs, Einfamilienhäuser, Fabriken oder Brücken. Das heißt aber auch, dass es nicht nur um Technik, Stile oder Kunstgeschichte geht, sondern auch um kultur- und sozialhistorische Aspekte. Aus dieser Motivation heraus kann sich der Architekturführer nicht nur mit Besonderem und Erlesenem beschäftigen, sondern ebenso mit Typischem und Allgemeinem. Aufgrund der geographisch und thematisch gereihten Objektliste findet man Informationen über Ort und Zeit, Bauherren, Entwerfer und Ausführende. Eine weitere Gliederung bilden Kategorien wie Bauten für Verwaltung und Büro, Religion, Heilung, städtische Häuser, Sozialer Wohnbau, Verkehr usw. So lernt man, auch an Hand zahlreicher Abbildungen die moderen Gebäude in Döbling, in der Brigittenau, in Floridsdorf, in der Donaustadt und in Liesing kennen. Wobei zu bedenken ist, dass jeder Bezirk so gross ist wie anderswo eine Landeshauptstadt. "Für die Auswahl der Objekte ist ausschließlich der Autor verantwortlich", schreibt Achleitner, der 1981 mit dieser Arbeit zum Dr. techn. promovierte. Auch die Wertung erfolgte subjektiv und pointiert, aus der Feder des Architekturkritikers. Von einfacher listenmäßiger Erfassung bis zu mehrseitiger, illustrierter Darstellung ist alles vertreten. Den Beginn jedes der fünf großen Kapitel bildet eine 2-seitige Charakterisierung des Bezirks - die in ihrer Struktur sehr unterschiedlich sind.

Döbling ist bis heute eine privilegierte Wohngegend, die 67.000 Wiener schätzen Außer der Cottage mit dem Türkenschanzpark und den Weinorten an der Peripherie, an die man wohl an erstes denkt, findet man im 19. Bezirk auch Fabriken und das stärkste Symbol der Wiener Arbeiterbewegung, den Karl-Marx-Hof. 230 Villen und Einfamilienhäuser werden vorgestellt, anhand derer allein man schon eine österreichische Architekturgeschichte schreiben könnte. Außerdem nennt der Autor einige Kirchen, Friedhöfe und Schulen als von besonderer Bedeutung, dazu neue Wohnanlagen und Verkehrsbauwerke wie die Stadtbahnbrücken Otto Wagners oder die Höhenstraße.

War Döbling im Biedermeier eine beliebte Sommerfrische, wo sich begüterte Familien ihre Villen und Landhäuser bauen ließen, so verdankte die Brigittenau erst der Donauregulierung (1870-1875) eine geregelte Bautätigkeit. "In einem Quartier, in dem ästhetische Kategorien nicht im Vordergrund stehen spielen architektonische Implantate eine besondere Rolle", urteilt der Kritiker und nennt als markante Punkte u.a. die Brigittakirche des Dombaumeisters Friedrich Schmidt, das Nadelwehr Otto Wagners und die Wohnbauten der Ersten Republik. In der Millenium City am Handelskai entstand um die Jahrtausendewende der mit 200 m höchste Turm Österreichs. Auf dem Höchstädtplatz markiert das, etwa gleichzeitig an Stelle der Niederösterreichischen Molkerei errichtete, Technikum Wien den Beginn eines größeren städtebaulichen Planungsgebiets.

Vor 120 Jahren sollte Floridsdorf die Hauptstadt Niederösterreichs werden - wovon der "Dom von Donaufeld" auf dem Kinzerplatz Zeugnis ablegt - , wurde dann aber doch mit einigen benachbarten Dörfern nach Wien eingemeindet. Der 21.Bezirk entwickelte sich zum Industrie- und Verkehrszentrum und Arbeiterbezirk. In der Zwischenkriegszeit entstanden 6000 Gemeindewohnungen in großen "Höfen" wie Karl-Seitz-Hof oder Schlingerhof. Floridsdorf mit seiner ständig steigenden Einwohnerzahl (zwischen 1910 und 2009 mit rund 140.000 fast verdoppelt) erhielt in den vergangenen Jahrzehnten ausgedehnte Wohnbauanlagen, wie entlang der Brünner Straße "Am Hirschenfeld" oder die "Compact City" an der Donaufelder Straße. Die Großfeldsiedlung, die größte Wohnbauanlage im Rahmen der peripheren Wohnbauprogramms der Stadt Wien, als "Experimentierfeld der Plattenbauweise" mit 10.000 Wohnungen wurde in den Jahren 1966-1975 errichtet.

Die Donaustadt bezeichnet Friedrich Achleitner als "Bezirk der größten landschaftlichen und städtebaulichen Gegensätze", vom Nationalpark Lobau bis zur Donau- und UNO-City. "Hier wird das kompakte, 'zentralistische' Wien mit einem neuen Stadtbegriff konfrontiert… der sich in einen neuen Typ urbaner Wohn- und Erholungslandschaft wandelt." Die Bewohnerzahl liegt aktuell bei 153.408, Tendenz steigend. Mit ihren zahlreichen Hochhäusern könnte sich die Donaucity "Auf der Platte" in einem zentraleuropäischen Kontext zur Stadt der Zukunft entwickeln, meint der Autor und verweist auf die Planungen anlässlich der nicht zustande gekommenen Expo 1995, wodurch "die paradoxe Situation einer Nachnutzung ohne Nutzung" entstand. Wichtig für den Bezirk ist das Stadterweiterungsgebiet in Aspern, wo auch in Zukunft noch viel gebaut werden wird.

Liesing ist der südlichste, und einer der jüngsten Bezirke Wiens. Alte Ortskerne schaffen "im Verein mit Siedlungen und Wohnanlagen, überraschend schöne Situationen." Sie sind es, die in großer Zahl den Bezirk prägen, in dem fast 92.000 Menschen leben. Als bedeutende Bauten nennt der Architekturführer u.a. das Amtshaus in Liesing, die "Wotruba-Kirche" auf dem Georgenberg und einige interessante Schulanlagen. An Sonderbauten fallen die Aquädukte der Ersten Wiener Hochquellenleitung auf. Auch der zur Erbauungszeit, den 1970er bis 80er- Jahren, viel diskutierte Wohnpark Alt-Erlaa für 10.000 Bewohner befindet sich im 23. Wiener Gemeindebezirk.

Für seine einzigartige Bestandsaufnahme hat Friedich Achleitner mit seinen Mitarbeiter/innen tausende Kilometer zurück- und ein schier unglaubliches Archiv angelegt. Dieses wurde im vor 10 Jahren von der Stadt Wien für das Architekturzentrum Wien angekauft. Der Bestand umfasst 25.030 Karteikarten, 66.500 Fotonegative, 37.800 Diapositive, 13.800 Fotoabzüge, 570 Plandarstellungen, 250 Begehungspläne und 1030 Bücher, Broschüren, Kataloge und Zeitschriften.