Herbert Rosendorfer: Der Gnadenbrotbäcker#
Herbert Rosendorfer: Der Gnadenbrotbäcker. Das Bilderbuch der Unberufe.
Illustrationen von Kay Voigtmann. Folio Verlag Wien 2009. 89 S., zahlreiche Farbillustrationen. € 19,50
Wer Wortwitz und hintergründigen Humor liebt, darf sich freuen. Herbert Rosendorfer hat mit "Der Gnadenbrotbäcker" 27 seltsamen (Un-)Berufen ein phantastisch-ironisches Denkmal gesetzt. Das hübsch ausgestattete Bändchen ist ein Geburtstagsgeschenk von (oder: für) Rosendorfer zu seinem 75. Diesmal hat es der vielseitige Autor, der in München an der Akademie der Bildenden Künste studierte, nicht selbst illustriert, wie "Vatikanische und andere Idyllen" (1992). Der Grafiker Kay Voigtmann hat die seltsamen Typen ebenso skurril ins Bild gesetzt, wie sie die Texte beschreiben. Es sind bei weitem nicht die ersten - und hoffentlich noch lange nicht die letzten - aus der spitzen Feder des Autors, der nicht nur als Staatsanwalt und Richter tätig war, sondern auch als Literaturprofessor, Historiker und Komponist. Bekannt sind u.a. "Der Ruinenbaumeister" (1969), "Briefe in die chinesische Vergangenheit" (1983) oder "Die Erfindung des SommerWinters" (1993).
Nun haben gängige Vokabel die dichterische Phantasie beflügelt, wie Sympathisant, Prophet oder Schriftsteller. Das Gewerbe des Sympathisanten zählt zu denen, die am schwierigsten zu erlernen sind, weil er sich genau entscheiden muss, was er sympathisch findet. Der Prophet wird häufig missverstanden, dabei ist er doch nur für die Prophezeiung verantwortlich und nicht für deren Eintreffen: "Dafür ist der Eintreffist zuständig." Schriftsteller ist ein relativ junger Beruf: "Er wurde aus dem älteren Beruf des Stellers entwickelt, der, wie schon der Name sagt, die Dinge auf- und richtig zu stellen hat." Der Schriftsteller Herbert Rosendorfer ist unvergleichlich erfolgreicher als sein im Buch vorgestellter Kollege Hermann Samuel Zweter. Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, so 2004 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse.
Der Autor erfindet völlig neue Professionen wie Holzbischof, Wortbeugel oder Freiluftist. Köstlich ist bei allen die Parodie wissenschaftlicher Nachweise historischer Szenarien, wie beim Einspanier, einem Hofbediensteten, der bei Feierlichkeiten am Wiener Kaiserhof den Festzug eröffnete: "Der Hofeinspanier hat keine andere Aufgabe, als darauf zu achten, daß er nicht schneller marschiert als der Zug hinter ihm. … Die Einrichtung des Amtes geht auf Kaiser Karl VI. zurück. " Wenn dann noch auf Mayers Konversationslexikon mit Angabe von Auflage, Erscheinungsjahr, Band und Seite verwiesen wird, könnte man es fast glauben - wüsste man nicht, dass der Autor vor Jahren einen Komponisten Otto Jägermeier (1870-1933) frei erfunden hat, der allen Ernstes Eingang in Musiklexika fand.
Nicht ganz einsichtig scheint hingegen, warum ausgerechnet der Glockenläutnant "trottelhafte Floskeln" wie "vor Ort", "außen vor lassen" oder "Schweinebraten" (als ob der Braten aus mehreren Schweinen bestünde) in die Welt setzte. "Dennoch erwähnt werden soll der Vorfall vom März 2008: Der Satan kam bei Gott ein, daß in Zukunft alle Politiker, die eine Stellungnahme mit 'Ich würde sagen, daß…' anfangen, nicht mehr in die Hölle kommen, denn der Platz reiche nicht mehr aus." Dass im Buch 'daß' geschrieben wird, hat einen guten Grund: Herbert Rosendorfer ist ein vehementer Kritiker der Rechtschreibreform von 1996 (laut Wikipedia unterzeichnete er die entsprechenden Erklärungen).