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Felix Butschek: Österreichische Wirtschaftsgeschichte#

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Felix Butschek: Österreichische Wirtschaftsgeschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2011. 632 S., 150 Tabellen und Grafiken, € 49,-

Die letzte umfassende, bis in die Gegenwart reichende Wirtschaftsgeschichte verfasste Roman Sandgruber im Rahmen des 10-bändigen Jubiläumswerkes "Österreichische Geschichte" 1995. Inzwischen hat sich viel geändert - Stichworte: EU-Beitritt, Euro-Umstellung, Finanzmarktkrise … 2011 legt der Wirtschaftsforscher und habilitierte Wirtschaftshistoriker Felix Butschek das Resultat seiner lebenslangen Beschäftigung mit dieser Materie vor. Zwar meint er im Vorwort, dass sich sein jüngstes Buch in erster Linie an die akademische Welt richte, aber doch so verfasst sei, dass es jeder Interessierte einigermaßen verfolgen könne. Doch das ist zu bescheiden formuliert, das Werk liefert ausgesprochen spannende Lektüre. Man darf sich über die wissenschaftliche Basis ebenso freuen, wie über die verständliche Darstellung vielschichtiger Prozesse. Kompakte Zusammenfassungen und zahlreiche Übersichten erleichtern das Verständnis. Die Arbeit konzentriert sich auf das heutige Bundesgebiet und ist chronologisch gegliedert.

Geographische, institutionelle und organisatorische Faktoren bestimmten schon in der Antike Struktur und Entwicklung. Bedeutend waren damals Erzvorkommen und Salzhandel. Im hohen und späten Mittelalter zählte das heutige Österreich zu den wohlhabenden Regionen Europas und nahm in der Förderung von Edelmetallen einen Spitzenrang ein. Der Transitverkehr gab dem Handel Impulse, die Landwirtschaft wurde produktiver, ein Netz einflussreicher Städte entstand, Klöster spielten eine innovative Rolle. Das konfessionelle Zeitalter brachte Rückschläge durch Missernten, Pest, Kriege, politische und soziale Veränderungen. Wenn auch nicht im optimalen Ausmaß, so entwickelten sich doch im Mittelalter und der frühen Neuzeit die Voraussetzungen für die industrielle Revolution. In der Barockzeit verliefen die Entwicklungen gegensätzlich. Der Dreißigjährige Krieg ging in die Türkenbelagerung Wiens über, Pestwellen, unterbrochene Handelsbeziehungen und die Rekatholisierung verzögerten die Entwicklung. Andererseits bedeutete das Ende der Türkengefahr und des Spanischen Erbfolgekrieges eine Dynamik, die sich in den barocken Prachtbauten spiegelt. Die Verwaltungs- und Steuerreformen unter Maria Theresia und Joseph II. holten das Land aus seiner Stagnation. Seit 1774 besteht die Schulpflicht, das Toleranzpatent festigte die Position der Bürger, die Gewerbe wurden neu organisiert, die Leibeigenschaft 1781 teilweise abgeschafft, ein neuer Arbeitsmarkt entstand. Es vollzog sich der Wandel zum Merkantilismus, zur staatlichen Wirtschaftsförderung. Parallel dazu entstanden mit dem Manufaktur- und Verlagswesen zentrale Elemente der Protoindustrie. Trotz repressiver Maßnahmen kam im 19. Jahrhundert die Industrialisierung, vor allem durch die Textilfabriken in Niederösterreich, in Gang. Seit 1816 stabilisierte die Nationalbank das Geldwesen. 1832 fuhr die erste Eisenbahn, die Pferdebahn Linz - Budweis. 1848 wurde die Grundentlastung beschlossen und damit das Feudalsystem beseitigt. Der erst 18-jährige Franz Joseph übernahn die Regierung. Auch der Neoabsolutismus blieb von Ambivalenz gekennzeichnet. Der ökonomische Liberalismus kam den Bürgern entgegen. Die kompliziert gewordene Verwaltung erfuhr Reformen, ebenso das Justiz- und Bildungswesen. Das Staatsgrundgesetz von 1867 regelte die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Die Wirtschaft profitierte von einer langen Friedensperiode (1867-1914). Der Ausbau der Eisenbahnen erwies sich als Motor für viele Branchen. Die Wachstumsphase der Gründerzeit verleitete zu Spekulationen, die 1873 zum Börsenkrach führten. Um die Jahrhundertwende trieb der Einsatz elektrischer Energie die industrielle Entwicklung voran, Telefon und Telegraphie eröffneten neue Kommunikationsmöglichkeiten. Die letzte Phase vor dem Ersten Weltkrieg bezeichnet der langjährige WIFO-Vizechef als "Silbernes Zeitalter". Diesem folgten ein ungünstiger wirtschaftlichen Neubeginn: War das Gebiet der Republik Österreich bis 1918 Teil eines 52 Millionen Einwohner umfassenden Staates gewesen, so repräsentierte sie nun einen Kleinstaat von 6 Millionen. Nahrungsmittelreserven fehlten, ebenso Energie. Die Kriegsfianzierung hatte zu hoher Inflation geführt, 1925 löste der Schilling die Kronenwährung ab. Die Situation blieb labil. 1933 erreichte die Arbeitslosenquote 27,2 %. Mit dem Ende der Weltwirtschaftskrise brach die Demokratie in Österreich zusammen. Im März 1938 marschierte die Deutsche Wehrmacht ein.

"Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schienen die Bedingungen für die Wiederingangsetzung der wirtschaftlichen Aktivität wesentlich schlechter zu sein als 1918. … Dennoch vollzog sich der Wiederaufbau mit atemberaubender Geschwindigkeit. … Die Wiederaufbauphase ging nahtlos in jene des 'Goldenen Zeitalters' über. Sicherlich wird man sagen können, dass dieses eine der bemerkenswertesten Perioden der Wirtschaftsgeschichte Europas repräsentiert. … Entwicklungsprozesse fanden in Österreich durch die sozialpartnerschaftlichen Einrichtungen eine besonders starke Ausprägung. … Zweifellos ist die Periode der österreichischen Wirtschaftsentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg besonders interessant, weil sich das Land in dieser Epoche aus einer Position eines der am schwächsten entwickelten westeuropäischen Industriestaaten zu einem der reichsten Europas und damit der Welt wandelte." In den 1980er-Jahren blieb das Wachstum unter dem europäischen Durchschnitt. Die 1990er-Jahre waren durch die Auflösung der Verstaatlichten Industrie, den Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Osteuropa und den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union charakterisiert. Abschließend trifft der Autor die vorsichtige Aussage, "dass sich das längerfristige Wachstum der österreichischen Wirtschaft im westeuropäischen Durchschnitt bewegen wird - was angesichts ihrer heutigen Position nicht die schlechteste Zukunftserwartung darstellt !"