Hanne Egghardt: Österreicher entdecken die Welt.#
Hanne Egghardt: Österreicher entdecken die Welt. Forscher, Abenteurer, Pioniere. Styria Verlag Wien - Graz - Klagenfurt 2011. 256 S. € 24,95
Die Marine segelte unter der Flagge Rot-Weiß-Rot, Österreich war groß und die weißen Flecken auf der Weltkarte riesig. Vom 17. bis zum 20. Jahrhundert gab es also unendlich viel von wagemutigen Männern - seltener Frauen - zu entdecken. In den Anfangsjahren waren es meist Missionare, die in die unbekannten Gegenden des Orients und Fernen Ostens, Amerikas und Afrikas vorstießen. Die kleinere Hälfte der Biographien bezieht sich auf Forscher, die im heutigen österreichischen Staatsgebiet geboren wurden, fast ebenso viele stammen aus dem heutigen Tschechien und der Slowakei, einige aus Südtirol oder Deutschland.
Hanne Egghardt, promovierte Germanistin und produktive Reisebuchautorin, hat diesen Bild-Text-Band geographisch gegliedert, zunächst "Orient und Ferner Osten": Der Diplomat Siegmund Frh. von Herberstein zeichnete schon im frühen 16. Jahrhundert in kaiserlichem Auftrag die erste Landkarte von Russland. Man lernt den Linzer Johannes Grueber kennen, der im 17. Jahrhundert, als "Pfadfinder des Papstes", auf der Suche nach einem Landweg nach China, als erster Europäer Tibet durchquerte. Der Mathematiker Andreas Koffler brachte es zum Thronassistenten des Kaisers von China, für den er Mitte des 17. Jahrhunderts einen Kalender erstellte. Etwa zur gleichen Zeit wirkte der Südtiroler Martin Martini als erster Kartograph Chinas. Wenig später verfasste der Grazer Christian Haerdtrich das erste chinesisch-lateinische Wörterbuch. Der Apotheker Georg Joseph Kamel, der die philippinische Flora erforschte, wurde durch die Namensgebung der Kamelie geehrt. Diese Männer waren, mit Ausnahme Herbersteins, Mitglieder der Gesellschaft Jesu. Die Jesuiten boten ihren Ordensangehörigen eine umfassende Ausbildung für den Einsatz in Übersee. Junge Männer hatten damals keine andere Möglichkeit, ihre Talente zu fördern. Dies traf auch auf den Südtiroler Joseph Tieffenthaler zu, der mit seinem umfangreichen Kartenwerk um 1780 zum "Vater der modernen indischen Geographie" wurde. In einer ganz anderen Zeit wirkte schon Alois Musil, ein Großcousin des Dichters Robert Musil. Der Orientalist unternahm um die Jahrhundertwende drei Arabien-Expeditionen und versöhnte mit diplomatischem Geschick verfeindete Stämme. Er beherrschte mehrere Landessprachen und war als Scheich Musa Eben Nemsa ar-Ruejli bei den Beduinen hoch geschätzt. Ende des 19. Jahrhunderts wirkte Jakob Eduard Polak als Leibarzt des Schahs und veröffentlichte, nach Wien zurückgekehrt, ein persisch-deutsches Wörterbuch. Sein Zeitgenosse Albert Josef Frh. von Gasteiger v. Rabensteig und Koblach baute das persische Straßennetz auf, wurde als erster Europäer zum Khan erhoben und erhielt den Titel "Emir Pentsch". Während dessen bereiste der Geodät Eduard Glaser den Orient, um das biblische Saba zu entdecken. Seine "Sammlung Glaser" befindet sich im Kunsthistorischen Museum und in der Nationalbibliothek in Wien. Der Volks- und Völkerkundler Wilhelm Hein war einer der wenigen Entdecker, der Anfang des 20. Jahrhunderts mit seiner Frau auf Forschungsreisen ging. Marie Hein, die erste Europäerin in Südarabien, war für die Expedition als Tierpräparatorin ausgebildet worden. Mehr als eine Generation danach folgten ihnen Alfons und Agnes Gabriel, die zahlreiche Bücher über Persien verfassten.
Auch Amerika ist untrennbar mit Entdeckern aus dem geistlichen Stand verbunden. "Die ersten Missionare im spanischen Kolonialreich waren Franziskaner, ihnen folgten Dominikaner, Augustiner und, als Letzte, Jesuiten. Zwischen den einzelnen Orden kam es oft zu Rivalität und offener Feindschaft. Die Geistlichen der ersten Jahre waren auch nicht alle Engel" , schreibt Anne Egghardt. War schon die Fahrt zum Einsatzort gefahrenreich, so waren die Ankömmlinge dort Übergriffen der ansässigen Bevölkerung und konkurrierender Europäer sowie Sklavenhändlern ausgesetzt. Bekannt ist das Heilige Experiment der Jesuiten-Reduktionen (1609-1767), wie sie der Grazer Pater Martin Dobrizhoffer in Paraguay leitete. Der kaiserliche Gärtner Franz Boos sammelte um 1780 in Afrika Pflanzen, Samen und Tiere für Schönbrunn. Der Lohn seiner Mühe war die Ernennung zum Direktor der Menagerie und des "Holländischen Gartens". Der fast gleichaltrige Thaddäus Henke wird gar als österreichischer Humboldt bezeichnet. Er betätigte sich in Südamerika als Mediziner, Chemiker, Botaniker, Pharmazeut, Mineraloge, Bergmann, Astronom und Kartograph. Als erster Europäer durchquerte er Bolivien, Peru, Chile und Argentinien. Johann Baptist Pohl und Johann Baptist Natterer bereisten Anfang des 19. Jahrhunderts als Naturforscher Brasilien. Der Tiroler Bergbaufachmann Johann Carl Hocheder brachte es dort um 1830 zum Chefmanager der Goldminen. Emanuel von Friedrichthal war damals zu den Maya-Ruinen unterwegs und hielt diese als Pionier der Daguerretypie auf frühen Fotos fest. Die Technik war schon weiter fortgeschritten, als Martin Gusinde in Afrika und Neuguinea die Pygmäen erforschte. Er publizierte zahlreiche Veröffentlichungen, lehrte an der Universität Washington und an der Ordenshochschule St. Gabriel in Mödling.
Ein umfangreiches Kapitel im Abschnitt über Afrika ist Rudolf Frh. v. Slatin gewidmet, der als Autor von "Feuer und Schwert im Sudan" und "Slatin Pascha" populär und angesehen war. Der Kärntner Pflanzengeograph Friedrich Welwitsch machte vor 150 Jahren in Angola die größte botanische Entdeckung des Jahrhunderts, den nach ihm benannten Zwergbaum Welwitschia. Dass das größte Binnengewässer Kenias, der Turkana-See und der Fund eines Primaten, der vor 17 Millionen Jahren dort lebte, nach Kronprinz Rudolf (Rudolfsee, Homo rudolfensis) benannt wurden, verdanken sie der österreichisch-ungarischen Expedition, die Samuel Graf Teleky und Ludwig von Höhnel 1886/87 zum Kilimandscharo unternahmen. Der Wiener Oscar Baumann fand 1892 die Quellen des Nils. Nach Eduard Graf Wickenburg, der ihn erstmals beschrieb, ist in Äthiopien ein 2000 m hoher Berg benannt.
Der Botaniker und Pflanzenmaler Ferdinand Bauer war 1801 erste Österreicher in Australien. Der Pionier der Neuseeland-Forschung, Ferdinand von Hochstetter, ist durch seine Beiträge im 15-bändigen Werk "Reise der österreichischen Fregatte Novara" bekannt. Später wurde Neuseeland, 1880, vom "weißen Häuptling der Maori" , Andreas Reischek, bereist und beschrieben.
Dann widmet sich das Buch Weltreisenden aus Österreich. Der erste von ihnen, Christoph Carl Fernberger von Egenberg, segelte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges um die Welt. Er erlitt zweimal Schiffbruch und bestand zahlreiche Abenteuer. Allerdings war seine Weltreise keine freiwillige, sondern durch Unglücke und Zufälle bedingt. Die wohl berühmteste Österreicherin als Weltreisende war die Wienerin Ida Pfeiffer, deren Berichte im 19. Jahrhundert Bestseller wurden. Ludwig Schmarda entdeckte und beschrieb fast 200 wirbellose Tiere der südlichen Hemisphäre.
Höhepunkt und Abschluss bildet das Kapitel über die berühmte Polarexpedition von Julius von Payer und Carl Weyprecht. Die Autorin versteht ihr Buch - das eine bearbeitete und erweiterte Neuauflage des im Jahr 2000 erschienenen Bandes ist - als Beitrag, die Erinnerung an die Leistungen österreichischer Entdeckungsreisender wach zu halten. Das ist ihr großartig gelungen !