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Pius Parsch, Robert Kramreiter: Neue Kirchenkunst im Geist der Liturgie#

Bild 'Parsch'

Pius Parsch, Robert Kramreiter: Neue Kirchenkunst im Geist der Liturgie. Eingeleitet von Rudolf Pacik. Reihe "Pius-Parsch-Studien" (hg. Andreas Redtenbacher), Band 9. Echter Verlag Würzburg 2010. XXVII, 239 Seiten € 49,40

1939 erschien im Volksliturgischen Verlag Wien - Klosterneuburg ein bemerkenswertes Werk: "Neue Kirchenkunst im Geist der Liturgie". Seine Autoren waren Pius Parsch (1884-1954), Augustiner-Chorherr von Klosterneuburg und weltbekannter Pionier der Liturgischen Bewegung des 20. Jahrhunderts, und Robert Kramreiter (1905-1965), apostrophiert als "einer der führenden Kirchenbauer der Ostmark". Rückblickend mag es erstaunen, dass in jener Zeit ein solches Buch erscheinen konnte: großformatig, reich illustriert, sogar mit Farbtafeln, 230 Seiten stark und konfessionell. Es war ein seltenes Produkt gelungener Zusammenarbeit zweier herausragender Vertreter der Theologie und der Architektur. So darf man dem Herausgeber der "Pius-Parsch-Studien", Andreas Redtenbacher, Liturgie-Experte und Augustiner-Chorherr von Klosterneuburg, wie Pius Parsch, für die kürzlich erschienene Reprintausgabe dankbar sein.

In den mehr als zwei Generationen seit dem Erscheinen des Originals hat sich vieles grundlegend geändert: politisch, sozial, wirtschaftlich, liturgisch. Was die katholische Kirche betrifft, bildete das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) die große Zäsur. Deshalb ist es besonders wichtig, dass es nicht beim Faksimile geblieben ist, sondern die Neuausgabe eine 20-seitige Einführung enthält. Sie stammt vom Salzburger Universitätsprofessor Rudolf Pacik (Theologische Fakultät, Fachbereich Praktische Theologie, Liturgiewissenschaft). Er stellt das Gemeinschaftswerk in den größeren Zusammenhang der Liturgischen Bewegung der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Damals pflegten mehrere namhafte Architekten, wie Clemens Holzmeister, Kontakt mit bedeutenden Liturgikern. Aber nur Pius Parsch und Robert Kramreiter verfassten gemeinsam eine Publikation - wie sie damals formulierten: "Pius Parsch hat dem Werk die Seele, Architekt Kramreiter den Körper gegeben."

Ihre Zusammenarbeit begann fünf Jahre vor dem Erscheinen des Buches, als sie die Kirche St. Gertrud in Klosterneuburg im Sinne der Liturgischen Erneuerung umgestalteten. Das romanische Kirchlein im ehemaligen Pilger-Hospiz war für den Augustiner-Chorherrn Praxisfeld seines Volksliturgischen Apostolats. Hier versammelte er eine "Familie" von bis zu 300 religiösen Menschen, davon ein Drittel Jugendliche. Die Betonung der Gemeinschaft und der aktiven Teilnahme am Gottesdienst erforderte eine Neugestaltung des Kirchenraumes. In Kramreiter fand Parsch den kongenialen Partner. Er verwirklichte die "auf den Altar bezogene Raumordnung". Wenn Kramreiter Kirchen neu baute, dann "von innen nach außen", vom frei stehenden Altartisch ausgehend. Die Vorwegnahme des Volksaltars - mit der Zelebration versus populum - war schon nach damaligem liturgischem Recht möglich, wurde aber nur in St. Gertrud konsequent praktiziert. Parsch sah das Gotteshaus als "Familienraum". Menschenfreundlich sprach er von bequemen Sitzgelegenheiten ("keine Folterbänke") und Heizbarkeit ("eine Barbarei, die Gläubigen in einer ungeheizten Kirche feiern zu lassen"). Die in der hl. Messe wichtigen Elemente Wort und Musik sollten angemessene Plätze erhalten, die Sänger nicht auf der Empore, sondern beim Altar stehen. Außer diesem betonte Kramreiter den Taufbrunnen, möglichst in einer eigenen Kapelle. Portalbauten und Vorplätze gestaltete er als räumliche Inszenierungen und entwickelte Theorien über die "Idealanlage einer liturgischen Gottessiedlung" im Verhältnis zu Ort und Umgebung.

Der erhellenden Zusammenfassung und Reflexion von Rudolf Pacik folgt der 230-seitige Hauptteil. Nach einer Kurzdarstellung von Kramreiters Lebensbild ("gegen den Willen des Architekten") und Gedanken über "Kirchenkunst von gestern und heute" führt Parsch in die Geschichte und die liturgische Idee des Gotteshauses ein, um dann, gemeinsam mit dem Architekten, anhand verschiedener Kirchenbauten die Funktionalität des Raumes zu beleuchten. Alle Beispiele werden mit Fotos und Architekturplänen anschaulich illustriert. Den Anfang macht Parschs liturgische „Basiskirche“ St. Gertrud. Als er sie 1920 übernahm, war die Einrichtung "die übliche des ausgehenden 19. Jahrhunderts … behäbige Kirchenbänke, auf der Empore eine alte, kreischende Orgel, die Fenster in der bekannten, langweiligen Art verglast." Nach der "Tempelreinigung" 1935 kam die ursprüngliche schlichte Schönheit des Kirchleins zu Tage, sogar Fresken aus dem 13. Jahrhundert. Nach dem volksliturgischen Programm umgestaltet, wurde es zu dessen "Musterbeispiel".

Das nächste Kapitel zeigt exemplarisch die Großstadtkirche St. Josef in Wien-Floridsdorf. Kramreiter bezeichnet sie als "Idealaufgabe", auch in städtebaulicher Hinsicht. Die Anlage von Kirche, Pfarrhaus und Vorplatz dominiert den (1965 nach Pius Parsch benannten) Platz. Die Skulpturengalerie - in Anlehnung an Kathedralfassaden - enthält je vier Apostelfiguren in drei Stockwerken. Der schlanke Turm trägt eine Aussichtsplattform, Engelsfiguren und ein Betonkreuz. Von der Vorhalle erreicht man die runde Taufkapelle - mit Bodenmosaik nach dem Entwurf des Architekten - und die Jakobskapelle, in der sich ältere Kunstwerke befinden. Es folgt die Präsentation einer städtischen "Klosterkirchenanlage" (Friedenskirche der Palottiner in Wien 10). Hier kommt zur Bauaufgabe einer Pfarrkirche für 3.000 Gläubige das direkt damit verbundene Klostergebäude und Nebenräume, wie der Theatersaal für 400 Besucher im Untergeschoß. 1937, als Kramreiter ordentlicher Professor für die bautechnischen Fächer an der Staatsgewerbeschule in Wien wurde, baute er die Kirche in Wien-Bruckhaufen (21. Bezirk). Sie war für den Architekten das typische Beispiel einer "Siedlerkirche", ein Beweis, dass sich auch mit einfachsten Mitteln ein "Zentrum des religiösen Lebens" und ein "Schmuckstück" schaffen ließ.

Als Exempel einer "Kirche in der offenen Landschaft" wählten die Autoren die frei stehende Marienkirche in Neusiedl-Ortmann bei Pernitz. Auch sie hat die für Kramreiter typischen Gestaltungselemente, wie eine Taufkapelle, deren hohe Fenster mit Schriftgrafik gestaltet sind und ein Rosettenfenster über dem Altar (nach seinem Entwurf). Folgerichtig beschäftigt sich der nächste Abschnitt mit der "Dorfkirche", wie sie in Kledering bei Schwechat realisiert wurde. Es folgt die "Kirche im Bergland" in Edlach an der Rax. Ebenfalls bis ins Detail durchgeplant ist "die Bergkirche" auf der Hohen Wand. Die Kirche war landschaftsverbunden aus Holz geplant, wurde jedoch auf nachträglichen Wunsch der Bauherrschaft gemauert ausgeführt.

Die weiteren Kapitel widmen sich der Idealanlage einer liturgischen Gottessiedlung, dem christozentrischen Langbau, dem liturgischen Rundbau, Notkirchen, Kirchen in profanen Gebäudeanlagen, der Wiederherstellung alter Kirchen, neuen Altären in historischen Räumen, Kirchenvergrößerungen, Kapellen und Gedenkstätten. Das Schlußkapitel ist "Liturgische Kleinkunst" übertitelt. Hier stellt Pius Parsch beispielgebende Kultgegenstände nach Entwürfen Kramreiters vor und appelliert, man "hüte sich vor allem Kitsch, allem Unechten, vor allem Kulissenhaften". Es spricht für die Qualität des Designs, dass diese sakralen Gebrauchsgegenstände auch nach fast 80 Jahren modern wirken.

Biographien von Pius Parsch und Robert Kramreiter schrieben Monika Scala bzw. Rudolf Pacik. Er sieht das 1939 erschienene Buch auch heute als bedeutsam an, als "Zeugnis des damaligen Aufbruchs, dessen Konzepte noch lange nach dem II. Vaticanum weiterwirkten; ebenso aber als Anstoß für heute, da man vielfach über Kirchenbau neu nachdenkt und mit bestehenden Räumen achtsamer umzugehen trachtet als etwa in der ersten Zeit der Liturgiereform."