Adolf Holl: Können Priester fliegen ? #
Adolf Holl: Können Priester fliegen ? Plädoyer für den Wunderglauben. Residenz Verlag Salzburg 2012. 156 S., € 19,90
Der Wiener Kardinal Schönborn hat dem Autor erzählt, wie Padre Pio sich vor einer Gruppe von Diplomaten in die Luft erhob. (Francesco Forgione 1887-1968, war katholischer Priester. Seit 1918 zeigten sich bei dem Kapuzinerpater Stigmata, er soll auch die Gabe des Heilens, der Bilokation, der Prophetie und der Seelenschau gehabt haben. 2002 heiliggesprochen, ist er einer der populärsten Heiligen Italiens.) Aus anderer verlässlicher Quelle erfuhr Adolf Holl, dass Padre Pio seine Gabe der Prophetie beim späteren Papst Karol Wojtyla unter Beweis stellte. Der Autor konzentriert sich auf verlässliche Quellen. Schließlich ist Adolf Holl nicht nur als Bestsellerautor und Medienprofi bekannt, ein Jahrzehnt hindurch war er auch Dozent an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Eine Reihe von Anmerkungen und Literaturhinweisen ergänzt die ironisch-intellektuellen 40 Kapitel. So zitiert er die Kulturanthropologin Felicitas Goodman ( + 2005) die Exorzisten und Schamanen erforschte, und andere namhafte Ethnologen.
Holls Exkursionen führen nach Europa, Indien, Afrika, Lateinamerika, in die biblische Vergangenheit ebenso wie in Gegenwart: Auch die Blumenkinder der 1960er Jahre und die Popsängerin Madonna sind Themen. Ein Vertreter Österreichs ist einer jener Heilkundigen , die in der Volkskunde "Wender" genannt werden: "Chronische Kopfschmerzen verschwinden, auch Neurodermitis ist kein Problem, sogar Krebs oder Knochenverletzungen lassen sich behandeln. Gearbeitet wird mit Rosenkränzen, einem Pendel und Anleitungen zum Verrichten zu bestimmten Gebeten … Die Philosophie: Jeder Glaube macht selig."
Wunderbares findet der Autor in den verschiedensten Religionen, auch wenn sich manches, was den Zuschauern unerklärlich scheint, als Zauberkunststück entpuppt, wie das Mangobaumwunder indischer Fakire. Vom Religionsgründer Mohammed heißt es, dass er von einem geflügelten Pferd nach Jerusalem gebracht wurde, um mit den Propheten zu beten, und dann mit einer Leiter in den Siebenten Himmel gelangte. Den Kali-Priester Ramakrischna erklärten hinduistische Gelehrte wegen seiner ekstatischen Zustände zur göttlichen Inkarnation. Als Avatar stand er demnach in einer Reihe mit Buddha oder Jesus. Der afro-brasilianische Candomblé-Kult bevorzugt Trancerituale zur Persönlichkeitsveränderung. Vor 400 Jahren entstand er als Religion der Sklaven.
"Gnadenorte entstehen dort,wo die Natur karg und bedrohlich ist, in der Wüste wie in Mekka, im Gebirge, wie in Jerusalem. Wo von der Hand in den Mund gelebt wird, wie in Apulien, der Heimat des Padre Pio." Die Marienerscheinungen von Medjugorje in Bosnien-Herzegowina haben "bislang keinerlei offizielle Anerkennung … Mit einer Million jährlich anreisender Gäste bleibt die kleine Gemeinde gleichwohl ein Hit im Balkantourismus und ein Hauptort im Atlas für Gnadenplätze." 1981, ein Jahr nach dem Tod Titos und ein Jahrzehnt vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien, sahen einige Jugendliche die "Gospa", sie sprach: "Mir, mir, mir. Friede!". In Italien soll es 80, in Frankreich 30 Madonnenerscheinungen gegeben haben.
"Allmählich sollte deutlich geworden sein, welche Zielgruppe die Überirdischen bevorzugen, wenn sie gut aufgelegt sind. Es handelt sich in der Regel um Bevölkerungsgruppen unter oder nicht sehr hoch über der Armutsgrenze. Sie benötigen den Glauben an Wunder viel eher als die Gebildeten und halbwegs mit ihrem Leben Zufriedenen, wobei die Oberschicht in Geschmacksfragen den Ton angibt." Zu den österreichischen Kulturgütern zählt die 1826 von Franz Schubert vertonte Deutsche Messe für den Gemeindegottesdienst. Textautor war der Physikprofessor Johann Philipp Neumann. Er schrieb: "Staunen nur kann ich und staunend mich freuen. Vater der Welten, doch stimm ich mit ein: Ehre sei Gott in der Höhe." Das 19. Jahrhundert lässt sich mit Karl Jaspers als "Achsenzeit" verstehen. Charakteristisch dafür ist, "dass der Mensch sich des Seins im Ganzen, seiner selbst und seiner Grenzen bewusst wird." Im Staunen, sagt Holl, ist Platz für alles Unerwartete, "sobald es bemerkt wird, ob als Wunder, Event oder Katastrophe."
Der Autor schließt das Kapitel "Zurück an den Start" aus eigener Erfahrung mit den Worten: "Ein Leben ganz ohne Wunder ? Das hält doch kein Mensch aus."