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Franz Mazanec: Grinzing und Sievering#

Bild 'Grinzing'

Franz Mazanec: Grinzing und Sievering. Die Dörfer unter'm Himmel. Reihe Archivbilder, Sutton Verlag Erfurt 2011. 96 S., € 18,90

Selten wurde ein Wiener Stadtteil so viel besungen wie Grinzing. Seit der "goldenen Backhendelzeit" des Biedermeier schätzen Gäste, aus Wien und auswärts, Wein und Atmosphäre in der Buschenschank.

Wenn sich Franz Mazanec, Döbling-Experte und Mitarbeiter des Bezirksmuseums, auf die Suche nach Archivbildern begibt, und sie in der bewährten gleichnamigen Reihe des Sutton-Verlags publiziert, bleibt es nicht bei der Heurigenseligkeit. Die "Dörfer unter'm Himmel" Grinzing und Sievering haben viel Überraschendes zu bieten. Das ehemalige Grinzinger Bad, an dessen Stelle zuvor eine Mühle klapperte, die älteste heilpädagogische Anstalt Österreichs oder eine Feuerwehrübung anno 1874 in der Himmelstraße kann man gleich im ersten Kapitel kennenlernen. Freilich dürfen zahlreiche Werbepostkarten - etwa vom bis heute beliebten "Rudolfshof" oder dem "höchsten Heurigen Tobisch" (heute Reinprecht) nicht fehlen. Verkehrswagen wie Stellwagen oder die Elektrische brachten Besucher in die Vororte "wo der Herrgott die Hand rausstreckt".

Bei Grinzing denkt man eher an Wein als an Bier, doch bestand hier seit 1835 fast ein Jahrhundert lang die Brauerei und Branntweinbrennerei St. Leopold. 1910 erzeugte sie 45.000 hl Bayrisches Bier. Wirtshaushausgarten, Brauhauspark und Bierhalle auf der Ansichtskarte wecken Nostalgie. Die Grinzinger Allee war vor der Verbauung durch die Brauerei und die Straßenbahnremise, die in letzter Zeit einem Pensionistenheim weichen musste, ein einfacher Hohlweg. Im Ersten Weltkrieg entstand in der Gegend eine Barackenstadt als Spital für 6000 Verwundete. In der Nähe wurden kriegsversehrte Eisenbahner umgeschult, zu Übungszwecken gab es sogar ein eigenes Stellwerk. Im Kaasgraben bestanden weitläufige Sandgruben, die Material für die Stadterweiterung der Ringstraßenzeit lieferten. Ein Besitzer, Anton Kothbauer, stiftete eine Kapelle samt barocker Pietá, die als wundertätig galt. Doch nicht nur diese weckte Interesse, sondern auch der von Kothbauer daneben errichtete Wallfahrtsheurige. Um die Jahrhundertwende war der Kaasgraben mehr Vergnügungs- als Wallfahrtsstätte. Dann übernahmen Salesianerpatres die Kirche. Sie motivierten den Kleiderfabrikanten Stefan Esders, dessen Villa sich in der Nachbarschaft befand, ein neues Gotteshaus zu stiften. Die neobarocke Kaasgrabenkirche "Zur schmerzhaften Muttergottes" wurde 1910 geweiht. Mit ihrer repräsentativen Freitreppenanlage zählt sie zu den beliebtesten Hochzeitskirchen der Stadt.

Das dritte Kapitel ist Sievering gewidmet. Der alte Weinort stand immer ein wenig im Schatten des benachbarten Grinzing. Doch hat(te) auch Sievering seine Besonderheiten, wie die mittelalterliche Pfarrkirche, das Helenenbad am Erbsenbach und die Gans Lilli. Sie machte es sich auf den Geleisen der Straßenbahnendstation gemütlich und musste, wenn der 39-er nahte, von der Schaffnerin weggetragen werden. "Schönste Lustgärten mit prachtvollster Aussicht" versprach das Meierei-Hotel Mirabell in der Sieveringer Straße. Auf seinem Areal entstanden vor dem Ersten Weltkrieg die Studios der "Sascha-Film", einer der ersten und größten österreichischen Produktionsfirmen.

Zu den schillerndsten Figuren des ausgehenden 19. Jahrhunderts zählte Johann Carl Sothen. Der "Lotteriebaron" wusste selbst Gewinne zu machen und verlieh dann Geld zu Wucherzinsen. Er erwarb ausgedehnten Grundbesitz Am Himmel und Cobenzl und wurde 1881 von einem seiner Förster erschossen. Für die standesgemäße Gruft hatte er längst vorgesorgt und 1854, anlässlich der Hochzeit des Kaiserpaares, eine neogotische Kapelle errichten lassen. Die "Sisi-Kapelle" Am Himmel, die generationenlang verfallen war, ist seit 2005 wieder ein "Schmuckstück des Wienerwaldes." Verschwunden ist hingegen das nahe Bellevue-Schlösschen. Sein moderner Nachfolger, ein Ausflugsrestaurant, stand nur 20 Jahre.

Seltene Fotos zeigen das Agnesbrünnl, das im 19. Jahrhundert an einem Tag bis zu 20.000 Besucher anzog. Man sagte dem Wasser wundersame Wirkungen nach und meinte, im Schlamm Lotterienummern erkennen zu können. Viele profitierten durch den Aberglauben, von alten Frauen, die Liebeszauber verkauften, bis zum Besitzer des Gasthauses "Zur Agnes". Neben Pilsener Bier und Eigenbauweinen bot er "Ternowuchteln" mit eingebackenen Glückszahlen an. Auf der Habsburgwarte (Hermannskogel) endet der Spaziergang durch die Zeit mit einem Blick auf Wien und die Landschaft.