Sabine Buttinger, Jan Keupp: Die Ritter #
Sabine Buttinger, Jan Keupp: Die Ritter. 192 S., ca. 120 farb. Abb. Theiss-Verlag Stuttgart. 2013. € 29,95
Die Historikerin Sabine Buttinger und der Mediävist Jan Keupp legen ein faszinierendes Zeitpanorama vor, ein Buch, das in die Kategorie "klug und schön" einzureihen ist. Auf dem Boden solider Wissenschaft und aktueller Forschung führen sie die Leser in eine versunkene Welt. Zeitgenössische Zitate, gute Lesbarkeit und ein großzügiges Layout mit vielen Farbillustrationen und informative "Kasten" für Spezialthemen erhöhen das Lesevergnügen weiter.
Als "letzter Ritter" gilt Kaiser Maximilian II. (1459-1519). Die Biographin Brigitte Hamann hat einmal beschrieben, "was ihm wichtig war", nämlich: "Abenteuer, Minnedienst, Ehre, Treue, ein Jäger, Krieger und Sieger zu sein, fest in Gottes Hand zu ruhen." In Turnier und Kampf habe er sich immer als siegreicher Held gesehen. Dafür fälschte er in jungen Jahren sogar die Unterschrift seines Vaters, Kaiser Friedrichs III. (1415-1493), der ihm Turniere mit scharfen Waffen verboten hatte. Entgegen bisherigen Forschungsergebnissen erlebten die ritterlichen Turniere um die Mitte des 15. und im 16. Jahrhundert eine neue Konjunktur und wurden, so Buttinger und Keupp "von den Beteiligten mit ungeheurem Eifer und großer Leidenschaft betrieben".
Als Einstieg folgt man dem Titelhelden des Versromans Parzival, den Wolfram von Eschenbach im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts verfasste. Der Königssohn, der mit seiner Mutter allein im Wald aufwächst, ist überwältigt, als er zum ersten Mal einen Ritter in gleißender Rüstung sieht. Seiner Frage "Du nennst dich Ritter, was ist das ?" gehen die ersten Kapitel des Bildbandes nach. Schon die erste Überschrift gibt Antwort: "Profis im Sattel: der Ritter als Kämpfer". In der Karolingerzeit vollzog sich der Wandel vom Volksheer zu den professionellen Reiterkriegern. Nur wenige konnten sich die teure Ausrüstung des Panzerreiters leisten. Kosten und Gesetze ließen das Tragen von Waffen zum Vorrecht einer ritterlichen Kriegerelite werden, Schwert und Lanze hatten gesellschaftliche Bedeutung und Symbolwert. Interessant ist auch das Schicksal eines Kettenhemdes aus dem 12. Jahrhundert, dessen letzter Träger knapp vor 1900 bei einem Gefecht im Sudan fiel.
Eine unabdingbare Voraussetzung für das Ritterleben war das Bekenntnis zum Christentum. In den Kreuzzügen wurden die Profikämpfer zu Gotteskriegern: "Mönch + Ritter = Ordenskrieger" lautete die Gleichung, bei der monastische Lebensregeln und aktive Kriegsführung verschmolzen. Auf der anderen Seite: der Hof mit seinen Freuden, adeliger Disziplin und der Minne. Der Begriff "Hof" (lat. curia) beschrieb die Gesamtheit aller den Fürsten umgebenden Personen, der "Höflinge" (lat. curiales). Typisch für den Hof war seine Mobilität. "Zum Verständnis mittelalterlichen Königtums gehörte es, im ganzen Reich präsent zu sein". Ihm folgten Berater und Getreue, Adelige, Kleriker, Ministerialen und Bedienstete, Schausteller und Unterhaltungskünstler. Unter den frühen Rittern waren auch "dynamische Aufsteiger", denen das letzte Kapitel des ersten Teils gewidmet ist.
Der zweite Teil - "In eisernen Fußstapfen: Wege des Ritters" - beschreibt den Alltag, beginnend von der Kindheit. Schon hier entkräften neue Quellen alte Vorurteile, wie "die Eltern des Mittelalters hätten ein eher distanziertes Verhältnis zu ihren Kindern gepflegt." Vielmehr kommen die Autoren zu dem Schluss: "Eltern des Mittelalters liebten ihren Nachwuchs nicht weniger als heute." Auch der Meinung, dass Kinder als kleine Erwachsene behandelt worden seien, "wissen die Quellen eloquent zu widersprechen: Kinder sollten wie Kinder und nicht wie kleine Erwachsene handeln. … Toben an frischer Luft oder das Spiel mit Puppen und Holzfiguren" galt als sinnvoll. Für Söhne war die unbeschwerte Kindheit (infantia) von kurzer Dauer. Zwischen dem 7. und 14. Lebensjahr (pueritia) erhielten sie höfische und militärische Ausbildung. An den Höfen der Lehens- und Landesherren wurden die Kinder ihrer Vasallen, Verwandten und Bündnispartner erzogen. Dabei lernten die Nachwuchsritter zugleich ein tragfähiges soziales Netzwerk aus Freundschaften und Loyalitäten aufzubauen. Zwischen 12 und 16 Jahren war die Volljährigkeit erreicht, als Initiationsrituale dienten Schwertleite und Ritterschlag. Einkommen brachte die Landwirtschaft, allerdings mit Erträgen auf bescheidenem Niveau: Im Frühmittelalter betrug das Verhältnis von Aussaat und Ernte nur 1: 2,5. Die Milchleistung einer Kuh lag bei 250 Liter jährlich (derzeit 7.000 Liter). "Was dem Ritter auf den Tisch kam, das hatten sich die Bauern oft genug buchstäblich vom Munde abgespart."
Der Burg als Lebensmittelpunkt ist ein weiteres Kapitel gewidmet, wobei die Autoren warnen, "die im Gedächtnis verankerten Bilder mit der mittelalterlichen Wirklichkeit zu verwechseln. … was heute noch von zahlreichen Touristen bewundert wird, ist das romantische Traumgespinst des 19. Jahrhunderts." Im deutschsprachigen Raum sind 20.000 Burgen nachweisbar. Entwicklungsstufen lassen sich nicht festlegen, aber Tendenzen zeigen: Von der Fluchtburg zum Adelssitz, von der Motte zur Turmburg und den klassischen Bauten des Hochmittelalters. Repräsentative Burganlagen wurden zur Bühne für Fest und Alltag. Diesem Aspekt ist das folgende Kapitel "Zwischen Macht und Pracht" gewidmet. Hygiene, Ernährung, Schmuck und Kleidung, Gesellschaftsspiele und Unterhaltungskünstler finden hier ihren Spiegel in zeitgenössischen Zitaten und bildlichen Darstellungen. Höfische Turniere waren einerseits Spiel und dienten der Unterhaltung der Zuschauer, waren aber auch blutiger Ernst und Training für den Ernstfall. "Verwüsten und Belagern: der Ritter im Kampf" ist denn auch der Titel der folgenden Erörterungen. "Die Grausamkeit des Kampfes und der großmütige Verzicht auf Rache an den Besiegten stellen zwei Seiten einer Kriegsführung dar, die das lobende Attribut 'ritterlich' allenfalls in einem sehr abgeschwächten Sinne verdient hat."
Worte und Redensarten erinnern bis heute an die Epoche der Ritter: etwas im Schilde führen, für jemanden eine Lanze brechen, einen im Stich lassen, sich seine Sporen verdienen… sind nur einige. Das letzte Kapitel beschäftigt sich damit, ebenso wie mit dem Ende des Rittertums und dem Nachleben. Dazu gehört Cervantes' zu Beginn des 17. Jahrhunderts verfasster Roman über den Weltverbesserer Don Quixote. Seine Ideale und Verhaltensweisen umfassen neben dem Streben nach Ruhm auch soziale Anliegen. Er bleibt ein Narr und doch meinen die Autoren, es lohne sich "auch für moderne Menschen vielleicht von Zeit zu Zeit, aus ritterlichen Motiven einmal gegen scheinbar unbezwingbare Windmühlen anzureiten."