Dietmar Grieser: Landpartie#
Dietmar Grieser: Landpartie. Begegnungen, Erlebnisse und Entdeckungen in Österreich. Amalthea Signum Verlag Wien 2013. 240 S., ill., € 22,95
Kritiker bezeichnen Dietmar Grieser als "begnadeten Erzähler köstlicher Geschichten" (FAZ) oder "Österreichs derzeit bester Feuilletonist" (Neues Volksblatt). Der prominente "Auflagenmilliönar" Herbert Rosendorfer verglich ihn mit weltberühmten Künstlern: "Wie Schubert das Lied, Piranesi die Vedute und Bustelli die Porzellanfigur hat Dietmar Grieser die literarische Reportage zur Kunst gemacht." Sie übertreiben nicht, das beweist einmal mehr Griesers jüngste Opus "Landpartie". Der Untertitel verspricht Begegnungen, Erlebnisse und Entdeckungen - und davon haben sich im Lauf von 56 Jahren viele angesammelt. Zur Freude der Leserschaft findet sich noch mehr, wie Erfahrungen (auf Lesereisen), eine Exkursion in die Familiengeschichte und ein "Brief an Wil" (Frenken), in dem ein Kunstwerk zum Kommunikationsobjekt mutiert.
Die "Erlebnisse" beginnen mit Erinnerungen an den Maler Franz Hrastnik (1909-1978). Auf einer gemeinsamen Reise in die Festspielstadt entstand das (in Farbe abgebildete) Ölgemälde "Salzburg bei Nacht". Seine Fertigstellung verdankt es einem kunstinteressierten Kaffeehauskellner und einem ebensolchen Stadtbeamten. Beherzt und unbürokratisch gelang es, die übliche mitternächtliche Abschaltung der Festbeleuchtung hinauszuschieben, bis das Werk vollendet war.
"Begegnungen" gibt es viele erzählenswerte, doch selten werden sie so mitreißend aufbereitet. Wie weiland Hugo von Hofmannsthal hegt Dietmar Grieser "eine starke Aversion gegen 'dichterische' Konversation". Suchte dieser das Gespräch mit "einfachen Leuten", so unterhält sich jener mit seinen Schriftstellerfreunden über Erfahrungen mit Installateuren, Weinlieferanten oder Schnäppchen im Elektronikmarkt. Die Geschenkpäckchen von Brigitte Schwaiger enthielten nie die Bücher der Autorin, sondern "Selbst Gestricktes vom 'Steinhof' ".
Die "Entdeckungen" sind vielfältiger Art: Die Reste der "Nadelburg", einer Maria-Theresianischen Arbeitersiedlung im Steinfeld, ein "geraubtes" Franz-Josephs-Denkmal in Wiener Neustadt, Diktatorenbilder in Sakralräumen (Hitler und Mussolini in Graz, Karl Marx in St. Veit am Vogau), oder das Dichtermuseum in Altaussee, das der Sammelleidenschaft eines musischen Gendarmen seine Entstehung verdankt.
"Erfahrungen" macht der "Autor auf Tour" seit nunmehr 40 Jahren auf Vortragsreisen, "zwischen Bregenz und Mattersburg, Waldviertel und Hoanzenland". Das "Lob der Provinz" gilt einer Bibliothekarin, die den Meister eigenhändig mit dem Frühstück versorgte, weil das Hotelbuffett noch geschlossen hatte. Der Inhalt traf hundertprozentig seinem Geschmack: Papaya, Müsli, Striezel, Marmelade, Tee. Ganz besonders angetan ist er von Schönberg am Kamp samt Bauernmarkt und dem Stammpublikum seiner Lesungen. Schönberg ist ein Weinort, und mehrfach verrät sich der Bestsellerautor als passionierter Weinexperte und Whiskykenner (Lieblingsmarke: Dimple). Gerne gibt er zu: "… ich bin kein Naturmensch, kein Landfreak, kein Stadtflüchtling, auch kein Häuselbauer… " Köstlich, wie "der Stadtmensch durch und durch" seine Freunde beschwört, ihn nicht länger zu animieren, sich einen Zweitwohnsitz zuzulegen. Lieber vergönnt er sich einen Kurzurlaub in Nobelhotels, "fernab von den Aufdringlichkeiten des in Mode gekommenen Animationszirkus". Solche Häuser sind etwa Reid's Palace in Funchal oder Werzer in Pörtschach.
2012 reiste der "Literaturdetektiv" auf den Spuren seiner Familiengeschichte, denn es verdrieße ihn, dass er "in punkto Ahnenforschung nicht und nicht vorankomme." Reiseführer war ein verschollen geglaubtes Manuskript seines Vaters, des Gymnasiallehrers Dr. Emil Grieser (1887-1951), Saarpfälzer mit Tiroler Wurzeln. Seit 1929 lebte er mit seiner Frau und drei Söhnen in Hannover, dann in Oberschlesien. Die Eylauer Seenplatte in Westpreussen (jetzt Landschaftspark Krajobrazowy Pojezierza Iławskiego in Polen), nannte der Physik-, Mathematik- und Biologieprofessor "die schönste Landschaft meines Lebens". Acht Jahrzehnte später begab sich sein jüngster Sohn auf Schauplatzsuche - und wurde fündig wie bei seinen bewährten literaturtopographischen Nachforschungen.
Auch sonst ist viel Autobiographisches eingeflossen, seit der Zeit als Jungjournalist beim Kleinen Frauenblatt, das er um das Genre Reportage bereicherte und dabei Österreich kennen lernte, oder Serien, deren Themen schon an die späteren Bücher denken lassen. Über die Geschichten im jüngsten Werk meint der Autor: "Sie spielen allesamt in dem Land, dem ich seit meinem vierundzwanzigsten Lebensjahr angehöre: Österreich. Mögen sie ihm ein wenig von jener Zuneigung zurückgeben, die ich selber in diesen sechsundfünfzig Jahren in meiner Wahlheimat erfahren habe." Daran besteht kein Zweifel. Danke, Dietmar Grieser !