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Daniela Müller, Susanne Trettenbrein: Alles Dirndl#

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Daniela Müller, Susanne Trettenbrein: Alles Dirndl. Verlag Anton Pustet Salzburg 2013. 160 S. mit zahlreichen Farbfotos. € 25,-

Das Dirndl liegt in der Luft (nicht nur beim "Dirndlfliegen"). Es war eine gute Idee der p.r.-Spezialistinnen Barbara Brunner und Nadine Ratzenberger, "ihrem" Verlag das Thema ans Herz zu legen. "Der aktuelle Hype für Dirndl und Co dauert schon besonders lange - und findet auch kuriose Auswüchse," konstatieren Daniela Müller und die Journalistin Susanne Trettenbrein, die das Buch realisiert haben. "Dem einstigen Tiefpunkt, einer wahren Trachtenflaute, folgt derzeit der absolute Höhepunkt. Und diesen erlebt Österreich gerade - durch und durch und in vielen Facetten."

Das Vorwort gestalten die Autorinnen subjektiv. Beide entdeckten ihre Liebe zum Dirndl unfreiwillig. Freunde, "steirische Trachtenbekehrer", waren dabei am Werk. Hier scheint sich zu bewahrheiten, dass überzeugte Zweifler zu den besten Propagandisten werden. Heute ist das Dirndl für die beiden Damen ein Ausdruck der Lebensfreude . "Es macht einzigartig, lässt sich immer wieder neu erfinden und passt dabei zu jedem Anlass und zu jeder Figur."

Der Megatrend Crossover hat auch das ehemalige Trachten-Kleidungsstück erfasst, und so betiteln die Dirndlfans auch ihre Kapitel: Vergangenheit trifft Gegenwart, Dirndl trifft die Regionen, Tracht trifft Persönlichkeit, Dirndl trifft Hochzeit, Dirndl trifft Film, Tracht trifft Accessoires, Dirndl trifft Stoff, Dirndl trifft Schneiderei, Dirndl trifft Erotik und Politik, Dirndl trifft die Welt, Dirndl trifft Begrifflichkeiten.

Wie die Titel verraten, erfährt man da einiges: Über den Heimatfilm, - von der "Rösselwirtin" Waltraud Haas bis zur Trappfamilie- , über unselige politische Verflechtungen - Juden durften sich in Salzburg nicht in Trachtenkleidung sehen lassen -, Dirndl in fer werbung - "Sex sells" -, am Oktoberfest oder bei den Salzburger Festspielen. Ein eigenes Kapitel ist fen Stoffen gewidmet und stellt die produzierenden Firmen vor. Der burgenländische Blaudruck hat sogar Aufnahme in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes gefunden.

Mit vielen schönen, bunten Fotos ist das Buch eine einzige Liebeserklärung, das auch, augenzwinkernd, manche Kuriositäten vorstellt, vom Hunde- bis zum Latexdirndl. Ein Seitenblick in die Geschichte macht den Anfang. Doch wie so oft bei schönen Büchern ist viel Phantasie im Spiel, wenn es um Historie und besonders um Bräuche geht. So liegt der Ursprung der Goldhaube keineswegs in Linz - auch wenn in den 1980er Jahren ein wahres Goldhaubenfieber die Oberösterreicherinnen erfasste. In Wien trugen zur Barockzeit nicht nur Bürgerinnen, sondern auch Stubenmädchen und die Kellerinnen der berühmt-berüchtigten Gaststätten auf dem Spittelberg Goldhauben. In Niederösterreich gab es "reiche Goldhauben" seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Orten entlang der Straße, die von Graz nach Brünn führte. Dass die Schürzenbänder eine "Partneranzeige der anderen Art" seien, ist nicht mehr als eine nette Story. Und auch die "Loverlis" - lauf Internetanbieter "der absolute Hingucker für die Volksfestsaison 2013" - dürfen nicht fehlen. Das Accessoire aus elastischer Spitze wird, passend zum Dirndl, knapp über dem Knöchel getragen. Auch damit soll die Trägerin angeblich ihren Beziehungsstatus verraten: "Rechts getragen symbolisiert 'bereits vergeben' . Wird das Rüschenband links platziert, ist man für die Männerwelt noch zu haben."

Alt, neu, "echt", oder in traditionellen Trachtenmappen verpönt - wie etwa Zippverschlüsse - spielt in der aktuellen Dirndlmode keine Rolle. Allein das Münchener Oktoberfest und seine österreichischen Ableger erlauben alle Varianten und Materialien. Erfrischend, was man hier alles zu sehen bekommt … Etliche Kreationen werden in Zusammenhang mit den Herstellerfirmen präsentiert. Gexi Tostmann eröffnet den Interview-Reigen. Bei der studierten Volkskundlerin, die - nun mit ihrer Tochter in dritter Generation - in Seewalchen und Wien engagiert Trachten kreiert, gibt es "Dirndln in zahlreichen, Farben, Formen und Größen" zu finden. Der Salzburger Gerhard Gössl "lässt sich bei seiner Trachtenerneuerung nicht zu viel mit der Mode ein". Tanja Pflaum fertigt in Salzburg Einzelstücke. Die Kitzbüheler Firma Sportalm "hat die Mode in die Tracht gebracht." "Das typische Lanz-Dirndl ist aus farbenfrohen, einzigartigen Stoffen gefertigt." Helga Brandauer-Rastl aus Bad Aussee hat den Dirndlflugtag erfunden. Die Wiener Vivienne-Westwood-Schülerin Susanne Visovsky "hat einen sehr avantgardistischen Weg eingeschlagen". Die Grazer Familie Schranke interpretiert Trachten bis zum "Dirndlersatz". Doch so unterschiedlich das Aussehen der Modelle ist, wie der rote Faden zieht sich durch alle Porträts die Feststellung, dass die Stoffe überwiegend aus Europa stammen und in Österreich, oder zumindest in den Nachbarländern, verarbeitet werden.

Neben Alt und Neu und Phantasie findet sich auch eine regionale Trachtenkunde. Dabei mussten die Autorinnen etwas schnell erkennen: "Das allgemein gültige Bundesland-Dirndl gibt es zumeist nicht, genau so wenig wie nur das eine Original existiert. … Die Tracht lebt eben von Entwicklungen und von den Menschen, die sie tragen. " Sie zitieren Gexi Tostmann, die nicht müde wird zu betonen, es sei ein "Irrtum, dass jede Tracht regional zuordenbar ist: Diese Regeln seien zum Teil künstlich erschaffen."