Gerhard Tötschinger: Die Donau#
Gerhard Tötschinger: Die Donau. Geschichte und Geschichten vom großen Strom. Amalthea Signum Verlag Wien 2013. 312 S., durchg. farb. ill., € 29,95
Gerhard Tötschinger ist ein hervorragender Erzähler und die Donau Europas zweitgrößter Strom. In Kombination entsteht "eine unterhaltsame und informationsreiche Lesereise", da verspricht der Verlag nicht zu viel. Zahlreiche bisher unveröffentlichte Bilder aus dem Privatarchiv des Verfassers illustrieren Geschichte und Geschichten.
Bei seinem jüngsten Buch ließ sich der Erfolgsautor vom Genius loci inspirieren, im Schiffmeisterhaus von Rossatz in der Wachau. Die Donau (in anderen Sprachen männlichen Geschlechts) verbindet auf 2888 Kilometer den Schwarzwald mit dem Schwarzen Meer.
Alle zehn Länder, durch die sie fließt, leben mit ihr, oft auch von ihr. Der Autor hat seine Donaureise in zehn Etappen geteilt. Überall begegnet man Kunstdenkmälern, interessanten Menschen, beeindruckenden Landschaften und aufregender Geschichte, darunter - leider - auch vielen Kriegen.
"Von der Quelle bis Passau" führt der Weg vorbei am historistischen Schloss Sigmaringen, nach Ulm, Donauwörth, Ingolstadt, Regensburg und Weltenburg mit seinem Kloster und dem Donaudurchbruch. Die überaus produktive, britische Schriftstellerin Frances Trollope (1779-1863) besuchte 1836/37 Wien. Die Beschreibung ihrer Schiffsreise bildet einen roten Faden des Buchs. In Regensburg war sie von der Donau begeistert: "Sie ist ein sehr edler Strom, und als wir ihre glänzenden Fluten betrachteten… fühlten wir, glaube ich, keine andere Regung als die reine Freude."
"Von Passau in den Nibelungengau": Auf halbem Weg zwischen Passau und Linz befindet sich die Schlögener Schlinge. Früher eine gefürchtete Stelle der Schifffahrt, wurde sie zum "Naturwunder Oberösterreichs" gekürt. Aschach, das zweite Donaukraftwerk, gilt als modernstes Laufkraftwerk Europas. Eferding ist mit den Namen berühmter Naturwissenschaftler verbunden: Paracelsus (1493-1541) und Johannes Kepler (1571-1630). Nach dem 1146 gegründeten, im Rokoko erneuerten Zisterzienserkloster Wilhering, erreicht man Linz. Zu den Bewohnern der Stadt zählte der bedeutende Biedermeier-Autor Adalbert Stifter (1805-1868). Der moderne Slogan "In Linz beginnt's" hätte schon zu seiner Zeit gepasst. 1832 nahm die Bahn Linz-Budweis, als damals längste Strecke Kontinentaleuropas, den Betrieb auf. Weiter geht es zum Barockstift St. Florian, untrennbar verbunden mit dem Komponisten Anton Bruckner (1824-1896), danach noch nach Enns, Mauthausen, Grein, Persenbeug, Waldhausen, Pöchlarn, Artstetten und in den Wallfahrtsort Maria Taferl.
Über die Wachau meint der Autor: "Auf der gesamten Länge des Donaustromes begegnet einem keine Landschaft, die dieser vergleichbar wäre." Er beschreibt die Kulturerbe-Landschaft samt ihren Highlights mit Fachkenntnis und Humor, und er fügt auch ein Unterkapitel über die Schifffahrt auf der Donau ein, nicht zu vergessen der legendäre Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän. Die reisende Britin Frances Trollope besuchte pflichtgemäß Dürnstein, um dessen Burg sich die Sage vom englischen König Richard Löwenherz (1157-1199) und dem Sänger Blondel rankt. "Seine hohe und abgeschiedene Lage allein genügt, um den Eindruck unnahbarer Einsamkeit hervorzubringen … überkam uns alle ein Gefühl des Mitleids, ja des Schauderns, und wir fühlten, daß Richard unser König war, gleich als hätte er erst gestern geherrscht."
Die nächste Etappe führt von Krems nach Nussdorf, ehe man sich Wien nähert - wie Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern vor ihrer Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph anno 1854. Hier gibt es vieles zu erzählen, vom Römerlager bis zum Walzertraum von der blauen Donau und darüber hinaus, etwa von der 1984 geretteten Au, die an der Stadtgrenze beginnt.
Flussabwärts erreicht man - über Orth, Carnuntum, Hainburg, Eckartsau und Schlosshof - die Porta Hungarica. Bei der Hainburger Pforte verlässt die Donau nach 321,5 km Österreich und fließt weiter in die Slowakei und nach Ungarn.
"Von Theben nach Mohács" ist das nächste Kapitel überschrieben, in dem man die slowakische Hauptstadt Bratislava, Komorn - die größte Festung Europas -, Esztergom mit seinem Dom, Burg Visegrad, das Künstlerstädtchen Szentendre und, besonders ausführlich, die ungarische Hauptstadt Budapest kennen lernt.
"Von Apatin zum Eisernen Tor": Bei Stromkilometer 1401 passiert man Apatin (Serbien), ab 1690 eine Stadt der Habsburger Monarchie und heimliche Hauptstadt der Batschka. "In vielen Windungen krümmt sich die Donau durch die leidgeprüfte Landschaft" gemahnt der Autor an den Kosovo-Krieg der 1990er Jahre. Die Ortsnamen Vukovar, Novi Sad, Belgrad sind noch in Erinnerung.
Die beiden beiden Kapitel "Die Römer am Balkan" und "Von Elias Canetti zu Publius Ovidius Naso" sind historischen Ereignissen bzw. Persönlichkeiten in Rumänien gewidmet. Bei Stromkilometer Null am Schwarzen Meer endet die Reise. Aber wo endet die Donau ? In Sulina sieht man deutlich, wie der braune Strom in das dunkelblaue Meer mündet. Die kleine rumänische Stadt im Donaudelta ist nur zu Wasser erreichbar. Im 19. Jahrhundert glaubte man, dass die Strömung bis zum nahen Bosporus reiche, "und folgt man ihrer Meinung, so ist die Donau tatsächlich ein Strom aus der Mitte Europas an die Grenze von Asien".