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Herbert Eigner und Herbert Eigner sen.: Das Marchfeld#

Bild 'Sutton Marchfeld'

Herbert Eigner und Herbert Eigner sen.: Das Marchfeld. Sutton Verlag Erfurt- Wien 2013. 128 S. ill., € 19,95

Das Marchfeld, die große Ebene im Osten Wiens, ist für seine Schlösser, den Nationalpark Donauauen und als "Kornkammer" bekannt. Landschaftliche Reize fallen in der Grenzregion auf den ersten Blick kaum ins Auge, doch nennen sie die Autoren zu Recht "eine Region stiller, aber großer Schönheit". Sie stellen das Charakteristische mit Fotos und Ansichtskarten von der Jahrhundertwende bis in die 1960er Jahre vor.

Herbert Eigner, Schriftsteller und Regisseur und Herbert Eigner sen., Stadtrat in der Gemeinde Groß-Enzersdorf, nennen das erste Kapitel "Aus den Dörfern". Sie stellen darin die typischen Straßen- und Angerdörfer vor, mit den ebenerdigen Bauernhäusern samt Vorgärten, Weihern, Kleinbetrieben und Wirtshäusern. "Diese autarken, wie Mikrokosmen funktionierenden Dorfgemeinschaften gehören der Vergangenheit an" , konstatieren die Autoren. Vor allem die bisher meist unpublizierten privaten Fotos geben Einblick in das einstige Alltagsleben: In Aderklaa kämpfte eine ganze Reihe von Schneeschauflern gegen die großflächigen Verwehungen. In Markgrafneusiedl haben sich der Schmied und seine Gesellen für ein Foto aufgestellt. In Raasdorf begleiteten weiß gekleidete Mädchen die neue Glocke zur Weihe. In Rutzendorf freute sich eine Jagdgesellschaft über die erlegten Rebhühner. In Wittau stand ein Ortsbewohner unter dem Maibaum. In Probstdorf akzentuierte ein Teich die Ortseinfahrt. In Engelhartsstetten waren die Straßenpflasterer stolz auf ihre Leistung. In Haringsee wurde das Kaufhaus samt Zapfsäule und Automobil abgelichtet. Eine Straudorferin zeigte sich in der alten Tracht mit Kopftuch und Schürze. Das einstige Herrschaftsgut Fuchsenbigl war 1964 Austragungsort einer Pflüger-Weltmeisterschaft, bei der Österreich den 3. Platz belegte. In Obersiebenbrunn gab es in den 1920er Jahren die erste Autofahrschule des Marchfelds. Baumgarten an der March galt mit seiner baumbestandenen Hauptstraße als Musterbeispiel eines Breitstraßendorfes. Einen seltsamen Kontrast zeigt ein Foto aus Zwerndorf, auf dem eine modisch gekleidete junge Frau eine große Milchkanne in der Hand hält. In der Gemischtwarenhandlung von Bockfließ fand man alles, was man zum Leben brauchte, von Lebens- und Genussmitteln bis zu Baumaterial.

So vielfältig sich das Alltagsleben präsentiert, so standardisiert wirken die Ansichtskarten aus den Dörfern. Auf den Potpourrikarten finden sich meist die klassischen Motive Dorfstraße, Kirche, Schule und Pfarrhof. Doch auch hier trügt der erste Anschein. Auf etlichen "Gruß aus…"-Karten lassen sich Besonderheiten entdecken, wie die Pferdetrainieranstalten in Oberweiden, eine "Theerproducten-Fabrik" in Angern an der March oder eine Windmühle in Untersiebenbrunn.

Das zweite Kapitel "Aus den Städten" ist weniger umfangreich. Im Marchfeld gibt es nur vier Städte, die älteste - seit 1268 - ist Marchegg. Groß-Enzersdorf wurde im 14. Jahrhundert zur Stadt und von den Dorfbewohnern "Stadtl" genannt. Gänserndorf folgte 1958 und Deutsch-Wagram 1984. Zu den einwohnerstärksten Orten zählen die Marktgemeinden Leopoldsdorf im Marchfelde, Orth an der Donau und Strasshof an der Nordbahn.

"Feldarbeit", das dritte Kapitel, zeigt Bilder vom Pflügen, Säen, Ernten und Dreschen. Sie zeugen von der Mühsal der Bauern, Knechte, Saisonarbeiter - und der Zugtiere. Dampflokomobile erforderten große Gruppen von Erntehelfern. Die erste selbstfahrende Sämaschine (Baujahr 1959), Traktoren und Mähdrescher, die wie aus einer Oldtimer-Ausstellung wirken, belegen das fortschrittliche Denken ihrer Besitzer.

"Landschaftsbilder", das vierte Kapitel, zählen zu den ausgesprochenen Raritäten unter den historischen Fotos. Anders als etwa die spektakuläre Bergwelt der Alpen schienen die Donauauen im Flachland als Fotomotiv kaum interessant. Die "Marchfeldschlösser" wurden zu einer touristischen Marke. Neben den berühmten Prinz-Eugen-Schlössern Hof und Niederweiden, sowie Eckartsau und Orth, gibt es über zwei Dutzend einst herrschaftlicher Gebäude, wie in Obersiebenbrunn, Marchegg, Sachsengang in Oberhausen, Süßenbrunn, Leopoldsdorf im Marchfelde und andere. Wenige wurden vorbildlich revitalisiert, einige sind in Privatbesitz und bewohnt, andere wurden im Krieg zerstört oder "fristen ein Dasein des zunehmenden Verfalls."

Manchmal äußern sich die Autoren ausgesprochen pessimistisch, doch wollen sie etwas Positives vermitteln. "Wir glauben einfach: Eine unabdingbare Voraussetzung, die Gegenwart verstehen zu können, ist es, die Vergangenheit zu begreifen. Nur so kann Identifikation, kann Identität wachsen. Und Identität braucht jede Region, jeder Mensch."