Thomas Hofmann: Es geschah im westlichen Weinviertel#
Thomas Hofmann: Es geschah im westlichen Weinviertel. Neuigkeiten und Bilder von damals. Mit einem Vorwort von Alfred Komarek. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach 2015. 132 S., ill., € 19,90
Thomas Hofmann hat sich wieder auf eine "literarische Spurensuche" begeben. So charakterisiert Alfred Komarek, der das Vorwort verfasste, dessen jüngstes Buch. Der Erfolgsautor und Wahlweinviertler nennt es "eine überaus reizvolle und aufschlusssreiche Möglichkeit, sich dem Wesen des Weinviertels auf immer wieder neue Art zu nähern."
Im offiziellen Berufsleben leitet Thomas Hofmann Bibliothek, Verlag und Archiv der Geologischen Bundesanstalt. Zudem gelingt es ihm immer wieder, mit seinen Büchern ein Stück der Österreichischen Geographie, Fest- und Alltagskultur zu erschließen. Diesmal ist es das westliche Weinviertel, von Stockerau nach Hollabrunn, in das Pulkau- und das Schmidatal, an den Wagram, ins Retzer Land und bis zum Manhartsberg. Zeitungsberichte aus acht Jahrzehnten führen nach Braunsdorf, Burgschleinitz, Eggenburg, Enzersdorf im Thale, Göllersdorf, Guntersdorf, Hadres, Haugsdorf, Hohenwarth, Hollabrunn (Oberhollabrunn), Immendorf, Mailberg, Maissau, Pulkau, Radlbrunn, Ravelsbach, Retz, Röschitz, Schönborn, Schöngrabern, Seefeld-Kadolz, Sierndorf, Sitzendorf, Stetteldorf am Wagram, Stockerau, Stranzendorf, Stronsdorf, Untermarkersdorf, Unterretzbach, Wetzdorf (Heldenberg), Wullersdorf, Zellerndorf, Ziersdorf, Znaim, Zogelsdorf.
In bewährter Weise hat der Autor Neuigkeiten "von damals" ausgewählt und mit historischen Ansichtskarten illustriert. Dazu kommen Informationen über Geschichte und Schicksal der abgebildeten Gebäude, bei jedem Abschnitt gibt er eine zusammenfassende Einleitung. Wie bei dem im Vorjahr erschienenen ersten Band - "Es geschah im Weinviertel" der folgt der Verfasser der traditionellen Hierarchie, er nennt das erste Kapitel "Imperiale Gäste und feine Leute". Dabei kam Lob aus höchstem Munde: Kaiser Franz Josef beurteilte seinen Besuch in Eggenburg: "Es hat Mir alles sehr gefallen! Es hat Mich sehr interessiert! Es war sehr schön!" Kronprinz Rudolf besuchte unerwartet Retz, genoss den Riesling aus einem goldenen Becher und lobte die Güte des Weines. Kaiser Karl inspizierte eine Kaserne in Stockerau und fand allen Grund, "in äußerst huldvollen Worten … seine vollste Zufriedenheit und Anerkennung … auszusprechen." 1858 berichtete "Die Presse" ausführlich über die Beisetzung von Feldmarschall Graf von Radetzky zu Wetzdorf.
"Von Prälaten und Landpfarrern" handelt der nächste Abschnitt. Die Bewohner von Wullersdorf feierten 1875 ein großes Fest, als ihr Pfarrer Abt des Stiftes Melk wurde. Von einer "nach Tausenden zählenden Volksmenge" war damals zu lesen. Nicht minder frequentiert war das traditionelle Pulkauer Bründlfest. Das gläubige Volk bedauerte sogar das Ende einer "in schwungvoller Sprache" vorgetragenen Festpredigt. Hingegen gab es in Schöngrabern Kritik am Pfarrer, der eine Trauung verweigerte.
"Weinviertler Raub- und Mordsgeschichten" waren angetan, die Sensationslust von anno dazumal zu stillen: Von Einbrüchen, Raubmorden und Familiendramen war die Rede. Nicht beschaulich geht es auch im Abschnitt "Vom Wein, von Winzern und Wirten" zu. 1914 hieß es: "Seefeld und Kadolz ernteten nicht einmal den Eigenbedarf." Im selben Jahr erschlug ein Blitz einen Weinbauern, der seine Haue wie üblich umgehängt hatte. Faule und teure Wirte gaben Anlass zur Klage.
Zu "Kindheit und Jugend auf dem Land" bemerkt Thomas Hofmann: "… früher war es selbstverständlich, dass Kinder für alle, auch schwere Arbeiten eingesetzt wurden. Unmündige Kinder wurden auch vor dem Gesetz wie Erwachsene behandelt … Legendär sind die Streiche der Jugendlichen, die vielfach unter massivem Alkohleinfluss ausgetragen wurden. … Doch nicht alle waren schlimm. Für 'brave' Buben war es eine Ehre, das fürsterzbischöfliche Knabenseminar in Hollabrunn besuchen zu dürfen, das am 2. Oktober 1881 eröffnet wurde."
Feuersbrünste und andere Katastrophen verschonten das Weinviertel nicht.1834 zerstörte ein Großbrand Stranzendorf. Alle Mühen, ihn zu löschen waren vergebens, die Versicherung "konnte nur schwachen und ungenügenden Ersatz leisten". 40 Jahre später schwemmte ein Wolkenbruch bei Retz 130 Häuser weg. Viele Bewohner kamen ums Leben, die Eisenbahn war unterbrochen, der Schaden betrug über eine Million Gulden.
Das abschließende Kapitel, "Freud und Leid im Alltag" endet überraschend. Zunächst geht es um das Stadterhebungsfest von Stockerau, Bahnlinien und Brunnen. Interessant ist auch der Vergleich zweier Artikel der Neuen Freien Presse über einen Unfall bei der Retzer Windmühle im August 1896. Im ersten hieß es, dass die kleine Tochter des Besitzers von den Flügeln erfasst und getötet worden sei. Wenige Tage später wurde berichtet, das nur leicht verletzte Mädchen sei inzwischen geheilt. "Die beiden Artikel zeigen, dass einst auch renommierte Zeitungen Meldungen revidieren mussten" , kommentiert Thomas Hofmannn. Schließlich beweist er Humor mit einem "Zitat" aus dem "Untermarkersdorfer Tagblatt". Diesem hätte der dort ansäßige Gendarm Simon Polt von einer "illustren Menschenansammlung im Pulkautal", anlässlich der Geburtstagsfeier des "Ausseer Fredl" berichtet - unschwer zu erraten, dass es sich bei demselben um den Verfasser des Vorworts handelt.
Alfred Komarek schließt es mit den Worten "Prädikat: lesenswert". Dem kann man sich nur vollinhaltlich anschließen.