Joseph Daniel Huber: Vogelschauplan der Stadt Wien 1778#
Joseph Daniel Huber: Vogelschauplan der Stadt Wien 1778, herausgegeben und erläutert von Walter Öhlinger. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach 2015. 54 Seiten (Format der Pläne offen: ca. 64 x 48 cm, geschlossen: ca. 48 x 32 cm) Subskriptionspreis € 98,00 (bis 31. März 2016, später € 128,00)
1769 beauftragten Maria Theresia und ihr Mitregent Joseph II. den Militärkartographen Joseph Daniel Huber (um 1730-1788) mit der Anfertigung eines Vogelschauplans ihrer Haupt- und Residenzstadt und der damals expandierenden Vorstädte. Er bildet bis heute die beste topographische Quelle für das barocke Wien, da die perspektivische Gestaltung sogar Baudetails erkennen lässt. So erfolgte 200 Jahre später (1969) die Rekonstruktion des Geburtshauses von Franz Schubert aufgrund des Huber-Plans. Er ist eines der großartigsten Dokumente des Wien Museum Karlsplatz. Zusammengesetzt, wie er im Museum präsentiert wird, ist der Plan in Originalgröße fast 15 qm groß.
Huber veröffentlichte sein kartografisches Meisterwerk 1778. Jetzt erschließt es die, für die Reproduktion historischer Pläne renommierte und verdienstvolle Edition Winkler-Hermaden Interessierten in einer limitierten Auflage von 300 Stück. Dazu hat der Verleger wieder einen kompetenten Herausgeber gewonnen: Mag. Walter Öhlinger, Kurator für Stadtgeschichte im Wien Museum am Karlsplatz ist der Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte der Stadt Wien. Zuletzt erschienen: „Rundpanorama von Wien“, „Die Pläne der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien“ von Carl Graf Vasquez, „Rundblick vom Stephansturm“, „Die Wiener Ringstraße in ihrer Vollendung und der Franz-Josefs-Kai“ (gemeinsam mit Eva-Maria Orosz). Der neue Band präsentiert die 24 Kupferstiche des Huber-Planes paarweise in verkleinerter Form in 12 aufklappbaren Bögen. Jeder Doppelseite geht eine detaillierte Erklärung voraus. Zudem erfährt man viel Wissenswertes über den Plan, seinen Schöpfer und den Zeitgeist zu seiner Entstehung.
Joseph Daniel Huber (1730-1788) war Militärgeograph. Er nahm am Siebenjährigen Krieg teil, war Leutnant und geriet in preußische Gefangenschaft. Nach Kriegsende arbeitete er an der Josephinischen Landesaufnahme mit, die in tausenden Kartenblättern das Gebiet der Habsburgermonarchie dokumentiert. 1769, dem Jahr, in dem er zum Major befördert wurde, ließ er Maria Theresia einen Vogelschauplan der Stadt Prag überreichen, den er in seiner Freizeit angefertigt hatte. Die Kaiserin war begeistert. Sie kaufte den Plan an und beauftragte den Geographen mit einem ähnlichen Werk für Wien. Dazu erhielt er eine Dienstfreistellung und zusätzliches Honorar. Huber arbeitete, mit einem Gehilfen, von 1769 bis 1773 daran. Er stellte wohl zuerst Skizzen der Hausfassaden her, die er aufgrund älterer Pläne auf den Grundriss übertrug. Der Eindruck der Vogelschau gelang ihm - mehr als ein Jahrzehnt vor den ersten Flugversuchen mit einem Ballon. Die militärischen Dienststellen wünschten allerdings keine zu große Genauigkeit bei der Darstellung ihrer Objekte.
Das Original des Huber-Plans ist eine 42-teilige Tuschezeichnung, die zusammengesetzt 360 mal 413 cm misst. Es kam in die Hofbibliothek, später Nationalbibliothek, und in den 1920er Jahren in die Albertina. Dort galt das Schlüsselwerk der Wiener Stadtgeschichte als verschollen, bis man es 1975 bei Aufräumungsarbeiten wieder entdeckte. Zwischen der Fertigstellung des Originals und der Anfertigung der Kupferplatten durch mehrere Stecher vergingen mehrere Jahre, dabei wurden aktuelle Änderungen im Stadtbild, wie das 1775 eröffnete Augartenportal, berücksichtigt. Wie aus Inseraten im Wienerischen Diarium hervorgeht, war eine Auflage von 1000 Exemplaren und ein Preis von 24 Gulden (Subskription 16 Gulden) vorgesehen. Der Geldwert eines Guldens entsprach etwa 24 Euro Doch war die Edition für ihren Schöpfer kein Erfolg, er musste sogar bei den Stechern Schulden machen und die wertvollen Kupferplatten versetzen. Nach seinem Tod wurden sie zum Materialpreis verkauft.
Das letzte Blatt der Vogelschau zeigt die Position der Einzelblätter. Zur Orientierung dienen Stadtmauer, Linienwall und Donau. Das Lesen der einzigartigen Geschichtsquelle wird jedoch erschwert, weil der Plan nicht wie üblich nach Norden, sondern nach Westen ausgerichtet ist. Die Blätter A und B beinhalten die Vorstädte Matzleinsdorf, Hundsturm, Reinprechtsdorf, Margareten und Gumpendorf. C und D stellen Gumpendorf, Windmühle, Neubau und Altlerchenfeld dar. E und F enthalten den Plan eines Teiles von Altlerchenfeld und eine im barocken Zeitstil abgefasste Widmung der "Scenographie oder Geometrisch Perspect. Abbildung der Kayl: Königl: Haupt: u: Residenz Stadt Wienn in Oesterreich". G und H führen wieder in Teile des heutigen 4. und 5. Bezirks. I und K zeigen weitere Bezirksteile, dazu Teile des 7. und 8. Bezirks. L und M führen in die Josefstadt und Alservorstadt. N und O sowie P und Q stellen wieder Teile der Wieden und Landstraße dar. Dazu kommen auf den Blättern P und Q Teile der Inneren Stadt und der Leopoldstadt. R und S widmen sich dem heutigen 9., T und V dem 3. Bezirk. W und X illustrieren Landstraße, Weißgerbervorstadt, Jägerzeile und Leopoldstadt. Abschließend kommen die Leopoldstadt und der Augarten ins Bild.
Dank der hervorragenden Edition kann man dem nur beipflichten, was Joseph Daniel Huber 1778 in der Ankündigung seines Werkes annoncierte. " … was für ein Vergnügen kann man sich nicht verschaffen, wenn man in seinem Zimmer an der Seite eines Freundes die unermeßlichen Gäßen dieser Hauptstadt durchwandeln, ihre Plätze Palläste, die weitläufigen Vorstädte mit allen Gärten auf das genaueste nach der Natur gezeichnet bewundern kann, ohne sich zu ermüden, ohne Beschwerlichkeiten der Witterung ausgesetzt zu seyn." Nach fast zweieinhalb Jahrhunderten kommt noch der historische Wert dazu. Nicht nur Stadtforscher werden sich freuen, dass dieser unersetzliche Quellenband nun schwarz auf weiß vorliegt.