Alfred Wolf: Alsergrund. Geschichte und Anekdoten#
Alfred Wolf: Alsergrund. Geschichten und Anekdoten. Zwischen Spittelau und Schottentor. Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 2015. 80 S., ill., € 12,90
Der Alsergrund nennt sich stolz "Bezirk der Dichter und Denker". Die Vielfalt von Anekdoten, könnte die ganze Bände füllen. Einiges stellt dieses Buch vor. Die Schauplätze sind topographisch aneinander gereiht, quasi auf einen Anekdotenpfad gestellt. Historische Fotos dienen zur Illustration.
Der Anekdotenpfad beginnt auf dem Liechtenwerd, nächst dem Franz-Josefs-Bahnhof und dem Bahnknotenpunkt Spittelau. Heimito von Doderer, der berühmteste Dichter des Alsergrundes, meinte, "hier möcht' ich wohnen." Nach der Überbauung der Gleisanlagen entstanden in den 1980er Jahren auf der Platte die Wirtschaftsuniversität und Amtsgebäude, wie das Verkehrsamt. Der Platz davor trägt den Namen des legendären Polizeipräsidenten Josef Holaubek. "Ich bin's, der Präsident" wurde zum geflügelten Wort, als er einen bewaffneten Schwerverbrecher, der sich mit Geiseln in einem Wohnhaus verschanzt hatte, zur Aufgabe überreden konnte. Das markante Wahrzeichen dieser Gegend bildet jedoch das Fernwärmewerk Spittelau mit "Hundertwassers Leuchtturm".
Eine Landmarke nächst dem Währinger Gürtel ist die Canisiuskirche. Unweit davon befinden sich, ebenfalls im Stil des Historismus errichtet, die Volksoper und die ehemalige Lokomotivenfabrik von Georg Sigl. Populär wurde der Himmelpfortgrund durch die Wäscherkolonie am Sechsschimmelberg und den unweit davon geborenen Komponisten Franz Schubert. Wollte sich jemand seinem Freundeskreis anschließen, war die erste Frage des Musikers: "Kann er was?" - was ihm den Spitznamen "Kannewas" eintrug. Nur wenige hundert Meter weiter auf der Nussdorfer Straße, kommt man zur letzten erhaltenen Detailmarkthalle Wiens und zur ehemaligen Werkstätte der Gebrüder Gräf. Sie erhielten 1900 ein Patent für ihr Auto mit Vorderradantrieb. Übrigens entstand auch das erste Elektromobil als Erfindung Ferdinand Porsches im 9. Bezirk.
Stadteinwärts wandernd, erreicht man den Arne-Karlsson-Park, an dessen Stelle das erste Hochhaus der Stadt geplant war, und das Josephinum. Kaiser Joseph II. ließ den eleganten Bau zur Ausbildung der Militärärzte errichten und mit der berühmten Sammlung medizinischer Wachspräparate ausstatten. Eine weitere Großtat des Regenten war die Errichtung des weltweit ersten Spezialgebäudes zur Unterbringung von Geisteskranken, wegen seiner Form "Kaiser Josephs Gugelhupf" genannt. Der "Narrenturm" gehört zum Alten Allgemeinen Krankenhaus, dem jetzigen Universitätscampus. Um die "weißen Götter" im Klinikviertel ranken sich besonders viele Geschichten. Wie jene von den Versuchskaninchen, die ein Professor verhungern lassen wollte, aber von tierliebenden Studenten gut genährt wurden.
Das jüdische Wien erfährt Würdigung durch Kapitel über das Denkmal "Marpe Lanefesch" im Campus, die Wiederentdeckung eines Ghetto-Grenzsteins und den "sprechenden Fisch" im Friedhof Rossau. Am Beginn der Währinger Straße stand 1861 bis 1883 das erste Parlament Österreichs als Fertigteilbau aus Holz, vor der Errichtung des repräsentativen Gebäudes am Dr.-Karl-Renner-Ring. Die Porzellanfabrik in der nach ihr benannten Gasse ist ebenso Geschichte, wie das Harmonietheater, an das auch ein Straßenname erinnert. Restauriert erfreuen hingegen das Gartenpalais Liechtenstein mit seinem Park und jenseits der Bezirksgrenze das Rathaus mit seiner prominenten Turmzier die Augen der Spaziergänger. Der Rathausmann, ein Werk des Schlossers Alexander Nehr, entstand im 9. Bezirk. Der Anekdotenpfad endet wieder in Bahnhofsnähe, mit der Figur "Eurydike" von Maitre Leherb bei der Wirtschaftsuniversität.
"Geschichten und Anekdoten" macht das Dutzend der Alsergrundbücher von Alfred Wolf vollständig. Als langjähriger Leiter des Bezirksmuseums schrieb er hunderte Artikel und gab dessen Mitteilungshefte heraus. Zu seiner reichen wissenschaftlich-volksbildnerischen Tätigkeit, für die ihm der Berufstitel Professor verliehen wurde, zählen u. a. die Bürgerinitiative für einen freien Platz vor der Lichtentaler Kirche mit der Wiederaufstellung der Schubertbüste von Gustinus Ambrosi (1968), die Gründung der Galerie Alsergrund (1970), die Initiative zur Restaurierung der Schubert-Taufkapelle (1972) und die Einrichtung des ersten Pfarrmuseums Österreichs in Wien-Lichtental (1978).