Felix Butschek: Wirtschaftswachstum - eine Bedrohung ?#
Felix Butschek: Wirtschaftswachstum - eine Bedrohung ? 148 S., Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2016. € 30,-
Viele ÖsterreicherInnen werden sich noch gut erinnern: "Auf den Abschluss der Wiederaufbauphase nach 1945 folgte das 'Goldene Zeitalter' … Der Westen erlebte zwei Jahrzehnte lang ein Wirtschaftswachstum, wie man es vorher und auch nachher niemals gekannt hatte bzw. hat". Es ging zu Ende, als sich in den 1970er Jahren die Erdölpreise verdreifachten. Schon zuvor waren zwei neue Sichtweisen in den Vordergrund getreten: "Jene der '68er-Revolution' und die der Umweltbewegung." Erstere kritisierte die Manipulation der Konsumenten, letztere befürchtete - nach den Prognosen des Club of Rome - den Untergang der westlichen Zivilisation als Folge des Wirtschaftswachstums.
Schon das Fragezeichen im Titel verweist darauf, dass der Autor diese Argumente nicht teilt. Im Gegenteil, der renommierte Wirtschaftsforscher schreibt, dass Umweltprobleme "von den Ökologen krass überzeichnet werden" und nur zwei ökonomische Koordinationssysteme denkbar seien: Marktwirtschaft oder Planwirtschaft inklusive "Erziehungsdiktatur". " Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die moralischen Einwände der Wachstums- und Kapitalismuskritiker ins Leere gehen. Zum einen deshalb, weil sie dieses Wirtschaftssystem für Verhaltensweisen verantwortlich machen, welche genetisch bestimmt sind und sich in der Geschichte der Menschheit stets wiederfinden, wie die Gewinnung von Macht und Reichtum. … Das 'Faustische', … also der Drang nach Neuem, nach der permanenten Erweiterung des Wissens, die Kühnheit, in neue Regionen jeder Art vorzustoßen, die nimmermüde Aktivität charakterisiert tatsächlich den Menschen der Industriellen Revolution." Die Industriegesellschaft sei "in keiner Weise reversibel", weil deren Charakteristik in einer permanenten Dynamik liege.
Als Wirtschaftshistoriker erläutert Felix Butschek zunächst die Entstehung des Kapitalismus. In der Antike, und noch Jahrhunderte danach, wiesen alle Kulturen den Charakter von Agrargesellschaften auf. In der europäischen Antike entstand eine Gesellschaft mit Handwerk und Handel, doch fehlten die innovativen Produzenten. Arbeit galt den Reichen als nicht standesgemäß. Erst das - christliche - Mittelalter begann, die produktive Arbeit positiv zu bewerten. Nun galt der Müßiggang als verwerflich, Städte entwickelten sich, Uhren und Buchhaltung wurden erfunden. Es entstand ein neuer Menschentyp, innovativ und dynamisch. "Damit war ein entscheidender Schritt zur Industriellen Revolution getan." Dieser voraus ging die Phase des Merkantilismus, mit behördlichen Eingriffen in das Wirtschaftsleben, Arbeitsteilung und Manufakturen. Ihre Veränderungen vollzogen sich vor dem geistigen Hintergrund der Aufklärung, die das Individuum in den Mittelpunkt des Denkens stellte. Der Einsatz der Dampfmaschine brachte den Durchbruch, Verkehrs- und Informationsrevolution folgten. Um 1800 war das Pro-Kopf-Einkommen in Europa doppelt so hoch wie in außereuropäischen Kulturen - und das Wirtschaftswachstum steigerte sich weiter. "Europa übernahm in diesem Prozess die Funktion des Pioniers mit allen Konsequenzen für die internationale Politik."
Nachdem der Autor - wieder mit Fragezeichen - "Alternativen zum Kapitalismus" referiert, beschäftigt er sich mit der Rolle der Kapitalismuskritiker: Intellektuelle und Experten, denen er "geringe Beziehung zum Arbeitsleben der Bevölkerungsmehrheit" attestiert. Felix Butschek stellt nicht nur rhetorische Fragen, er erklärt Zusammenhänge und bezieht Stellung, nachdem er unterschiedliche Positionen referiert und verglichen hat. Er bringt Fakten, die man selten hört: Eine Arbeitstruppe des IPCC, jenes Instituts der Vereinten Nationen, auf dessen Erkenntnissen das Kyoto-Abkommen basiert, musste erkennen, das Klima falsch gemessen zu haben. Nur 10 % des Schadstoffausstoßes stammt aus Europa. Meteorologen widerlegten die Therorie der anthropogenen Ursachen von Wetterkatastrophen. Gegenüber vergangenen Jahrhunderten hat sie die Witterung eher beruhigt, auch gab es immer wieder Temperaturschwankungen. "Bei geringem Temperaturanstieg würden sogar positive Effekte überwiegen …" Alternativenergie schafft kaum zusätzliche "Green jobs", jedoch verlor die Solarbranche zwischen 2011 und 2014 rund 60 % ihrer Arbeitsplätze.
In der Zusammenfassung betont Felix Butschek, dass seine Studie nicht als neoklassisches Plädoyer für ein Wirtschaftssystem zu verstehen ist, "dessen sämtliche Probleme durch das ungestörte Wirken der Marktkrägte gelöst werden könnten. ...Bleibt letztlich noch die häufig gestellte Frage: Wird die heutige ökonomische Entwicklung ewig so weitergehen ? Da der Verfasser nicht dem IPCC angehört, fühlt er sich nicht legitimiert, Prognosen für ein Jahrhundert und mehr zu erstellen. Er kann nur darauf hinweisen, dass aufgrund der historischen Entwicklung, welche in dieser Arbeit eingehend dargestellt worden ist, sich bisher nichts abzeichnet, das auf eine Änderung des in Europa entstandenen Wirtschafts- und Sozialsystems hinweist."