Thomas Hofmann: Es geschah im Waldviertel#
Thomas Hofmann: Es geschah im Waldviertel. Neuigkeiten und Bilder von damals. Mit einem Vorwort von Erich Rabl. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach 2016.
124 S. ill., € 19,90
Als Reiseführer für Zeitreisen haben sich die Bücher der Edition Winkler-Hermaden fix etabliert. Gut gestaltete Bild-Text-Bände geleiten durch Niederösterreich. Die Neuerscheinung des fachkundigen Autors Thomas Hofmann nennt sich "Es geschah im Waldviertel". In der Tat geschah dort im Jahrhundert seit 1827 allerlei Bemerkenswertes. Der Bibliotheksleiter der geologischen Bundesanstalt hat wieder historische Zeitungen und Bildarchive durchforstet und die Nachrichten in sieben Kapitel gegliedert.
Zur Einstimmung zitiert er den ehemaligen Bundespräsidenten Michael Hainisch. Dieser charakterisierte 1928 anlässlich einer Landesausstellung das Waldviertel mit den Begriffen "Raues Klima, Zähigkeit und Selbstvertrauen". "Kaiser, Kommunisten, Präsidenten" ist das erste Kapitel übertitelt. Hier erinnern z. B. ein Artikel aus der Zeitung "Das Vaterland" und eine Ansichtskarte an die Kaisermanöver in der "malerisch gelegenen, altehrwürdigen" und "festlich geschmückten" Bezirkshauptstadt Horn. Dort empfing anno 1891 Franz Joseph seinen Gast Wilhelm II. um mit ihm gemeinsam den Truppenmanövern beizuwohnen.
Friedlicher geht es üblicherweise in den Kirchen und Klöstern "Von Altenburg bis Zwettl" zu. Sie sind als Pilgerstätten und für ihre Kunstschätze weitum berühmt. 1868 wurde jedoch "das ereignisarme Städtchen" Maria Taferl "durch eine Katastrophe in Aufregung gebracht, durch den Selbstmord des Caplans P. Klein". Der 32-jährige, beliebte, gebildete und fortschrittliche Seelsorger war am "religiösen Touristentum" verzweifelt. In der Donau stehend, setzte er seinem Leben mit dem Revolver ein Ende. Von mehreren erschossenen Personen ist auch im Abschnitt "Einbrecher, Diebe, Mörder" die Rede. Nicht treffsicher zeigte sich eine 24-jährige Pöggstallerin, die auf ihren Liebhaber zielte, der sie belogen und verlassen hatte. In Anbetracht ihres psychischen Ausnahmezustandes wurde die Angeklagte, eine Wirtstochter, "auf freien Fuß gesetzt".
Die Wirte und Gasthöfe des Waldviertels waren bei "Sommerfrischlern und Ausflüglern" im ausgehenden 19. Jahrhundert sehr gefragt. Die Wiener kamen seit 1870 in die Gegend von Gmünd und Eggenburg. Zwei Jahrzehnte später dampften die Züge auch ins Kamptal. Das 1914 eröffnete Hotel Kamptalerhof (1986 bis 2010 als Willi Dungls Bio-Trainings-Hotel bekannt) sollte "selbst hochgesteckten Anforderungen gerecht werden", wie das "Fremden-Blatt" berichtete. Als der Tourismus Anfang des 20. Jahrhunderts den Bewohnern der kargen Landschaft neue Einnahmequellen erschloss, hatten Stein- und Glasverarbeitung im Waldviertel schon eine lange Geschichte. Umso schwerer setzte die Weltwirtschaftskrise dem Traditionsbetrieb Stölzle Glas zu. 1931 schickte ein beschäftigungslos gewordener Arbeiter der Glasfabrik "Eugenia" eine dramatische Schilderung an das "Kleine Blatt": "Noch vor einigen Monaten herrschte hier reges Leben und Treiben. Wo sich tausend fleißige Hände regten, ist es jetzt öd und leer. … Eugenia gleicht jetzt einem verlassenen Dorf. … Der größte Teil der Belegschaft ist arbeitslos. … Die Maschinen wurden abmontiert und verkauft. …"
Auch von "Naturkatastrophen und anderen Unglücken" blieb das Waldviertel nicht verschont. Auf der Franz-Josephs-Bahn fielen 1875 ein Dutzend Waggons bei Schwarzenau über eine Böschung. Tote und Verletzte waren zu beklagen, der Sachschaden enorm. "Freud und Leid im Waldviertler Alltag" betrafen damals moderne Verkehrsmittel. 1910 verbuchte "Illner, der Favorit der österreichischen Aviatiker" einen großen Erfolg mit seinem Flug von Wien nach Horn. Die Reise mit dem "Monplan Etrich 4" dauerte fünf Viertelstunden. "Der Jubel der zahlreichen Zuschauer war ein ungeheurer." Ähnlich begeistert waren die Zuschauer drei Jahre davor in Gmünd, als Erzherzog Rainer "die erste elektrische Oberleitungs-Automobillinie in Österreich" eröffnete. "Als sich das Fahrzeug in Bewegung setzte, brach das Publikum in Beifallsrufe aus." Lenker des O-Busses war sein Erfinder, Carl Stoll. "Wiederholt äußerte der Erzherzog seine Anerkennung über die angenehme, geräuschlose Fahrt."
Nur wenige der vielen Artikel schildern Positives. Eher könnte der Eindruck entstehen, schon frühere Journalistengenerationen wären dem Grundsatz "Only bad news are good news" gefolgt. Den Ausgleich bilden im Buch die vom Autor trefflich ausgewählten Postkarten aus den beschriebenen Orten. Da prangt der Kremser Musikpavillon, den die Stadtsparkasse zum 50. Regierungsjubiläum 1898 zum 50. Regierungsjubiläum des Kaisers gestiftet hatte, vor einem Blumenbeet im Gründerzeit-Stil. Auf dem Jauerling wurde ihm zu Ehren damals die Kaiser Franz Josephs-Jubiläumswarte errichtet. Bildbearbeitung hat man schon anno dazumal praktiziert. "Die Personen auf dieser Ansichtskarte wurden nachträglich hineinretuschiert", schreibt Thomas Hofmann. Mit diesem Band ist ihm wieder etwas Schönes und Interessantes gelungen.