Elisabeth Lukas: Das Viktor Frankl Museum in Wien#
Elisabeth Lukas: Das Schicksal waltet - der Mensch gestaltet#
Elisabeth Lukas: Das Viktor Frankl Museum in Wien. Ein Kulturerbe mit Zukunftswert. 94 S., ill., € 12,-
Elisabeth Lukas: Das Schicksal waltet - der Mensch gestaltet. Philosophie für den Alltag mit dem Thema "Versöhnung und Frieden" 3. Auflage. 200 S., € 18,50.
Beide: Plattform Verlag Perchtoldsdorf 2016
Österreich gilt als Pionierland der Psychotherapie. Sigmund Freud begründete mit der Psychoanalyse die "erste", Alfred Adler mit der Individualpsychologie die "zweite" und Viktor Frankl mit Existenzanalyse und Logotherapie die "dritte Wiener Schule". Frankls wohl bekannteste Schülerin, Elisabeth Lukas, hat die Logotherapie nicht nur angewandt und im In- und Ausland gelehrt, sondern auch durch ihre Publikationen bekannt gemacht. Seit den 1980er Jahren sind von ihr 120 Bücher, teils in 17 Sprachen übersetzt, erschienen. Jetzt legt der Plattform-Verlag zwei weitere vor.
"Das Viktor Frankl Museum in Wien" ist kein Museumsführer im herkömmlichen Sinn - wie auch das Museum in seiner ehemaligen Wohnung "viel mehr als eine Gedenkstätte geworden ist. Die Besucherinnen und Besucher werden darin mit dem geistigen Erbe Frankls konfrontiert, was ihr Leben verändern und erneuern kann."
Der Psychiater und Neurologe Viktor Emil Frankl (1905-1997) war ein "echtes Wiener Kind". Schon seit Vater wollte ein Arzt sein, wurde aber Beamter im Sozialministerium. Der Sohn, zweites von drei Kindern, bezeichnete sich später als aufgeweckten, frühreifen Knaben, der schon früh denselben Berufswunsch hatte. Als Gymnasiast beschäftigte er sich mit Naturphilosophie und Psychologie und stand in Kontakt mit Sigmund Freud. Doch löste er sich von seinem ersten Vorbild, ebenso wie vom zweiten, Alfred Adler, der ihn sehr schätzte. Früh entwickelte der Medizinstudent rhetorisches Talent und karikaturistisches Geschick. Dass er die Medizin dem Zeichnen vorzog, erklärte er damit, dass beide zuerst die Schwäche eines Menschen erkannten. Als Therapeut könne er ihm aber helfen, diese zu überwinden. 1926 verwendete Frankl zum ersten Mal vor akademischem Publikum den Begriff Logotherapie. In den 1930er Jahren bereits international anerkannt, wirkte er an der Psychiatrischen Klinik, in der Anstalt am Steinhof und seiner privaten Praxis. Als Leiter der Neurologie im Rothschildspital retteten seine Diagnosen - zur Zeit der NS-Euthanasiegesetze - Patienten das Leben. Seine eigenen Angehörigen kamen fast alle in Konzentrationslagern um. Er selbst musste drei Jahre in vier KZs verbringen.
Elisabeth Lukas weist darauf hin, dass er dort sein Buch "Ärztliche Seelsorge", dessen Manuskript vernichtet worden war, rekonstruieren konnte, seine Lagerkameraden aufrichtete und Pläne für sein "zweites Leben" schmiedete. Viktor Frankl "trat nach seinen traumatischen Erfahrungen vehement gegen die Ideologie jeglicher Kollektivschuld auf. Weder 'die Juden' seien an irgend etwas schuld, noch 'die Deutschen' oder sonst ein Kollektiv. … Immer könne nur ein einzelner schuldig werden …" 1946 schrieb er innerhalb von neun Tagen das Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen". Frankl habilitierte sich mit der „Ärztlichen Seelsorge“ und wurde Vorstand der Neurologie an der Allgemeinen Wiener Poliklinik.
Neben der Biographie "eines der großen Söhne Österreichs" stellt die Autorin die Museumsgründerinnen Johanna Schechner und Heidemarie Zürner vor. Sie sind Logotherapeutinnen der zweiten Generationen und haben bei Elisabeth Lukas studiert. Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages gründeten sie das Viktor Frankl Zentrum Wien und ein Jahrzehnt danach das Museum. Farbfotos in der Publikation zeigen, wie dieses Ideen und Elemente der Frankl'schen Lehre kenntnisreich mit modernen Mitteln von Grafik und Design vermittelt. Zum besseren Verständnis des logotherapeutischen Ansatzes bringt das Museum eindrucksvolle Fallgeschichten.
Von authentischen Berichten und persönlichen Zeugnissen lebt auch das zweite neu erschienene Buch von Elisabeth Lukas. Aktualisiert, liegt es nun in dritter Auflage vor. Hier begegnet man berührenden Bekenntnissen von Menschen jeden Alters: Eine 16-jährige Schülerin erzählt von einem mystischen Erlebnis am Meer. Ein 24-jähriger Lehrabbrecher schildert, wie er seinen Traumberuf als Tierpfleger fand. Ein 52-jähriger Konzerndirektor berichtet von seinem Kampf gegen die Alkoholsucht. Eine 93-jährige Heiminsassin verrät, wie sie ihren Sinn im Leben findet. Diese und viele weitere Schicksale nahmen durch logotherapeutische Interventionen eine positive Wende.
Außerdem zieht die Autorin eine Zwischenbilanz ihres Lebens und benennt unterschiedliche Phasen in sieben Jahrzehnten: Von der Armut der Nachkriegszeit, den Wohlstands- und Wirtschaftswunderjahren bis zur No-Future-Generation und Globalisierung. "Es sieht momentan nirgends rosig aus" , stellt die erfahrene Therapeutin fest. Doch findet sie profunde und aktuelle Hoffnungsaspekte in Frankls Gedankengut. Erstens die Hoffnung, dass sich das Gewissen als "das Sinn-Organ des Menschen" mit fortschreitender Kultur verfeinert. Die zweite Hoffnung nennt sie eine "Kultur der Nachdenklichkeit", gemeint ist die zunehmende Sehnsucht nach dem Innehalten oder Aussteigen aus der täglichen Hektik. Weiters hofft sie, dass Computer als "drittes Gehirn" vielversprechende Optionen für die Zukunft eröffnen. Den vierten Aspekt, das Gemeinsame, erläutert sie am Beispiel der umstrittenen Globalisierung. Kontrapositionen seien nicht konstruktiv, Konstruktivität liege im kreativen Dafür-sein. "Der Frankl-Satz 'Die Welt ist nicht heil, aber heilbar' gilt auch und besonders in unseren Tagen" , weiß seine treueste, älteste Schülerin.