Magic Christian: Zauberanekdoten und Anekdotenzauber#
Magic Christian: Zauberanekdoten und Anekdotenzauber aus der ganzen Welt und selbst Erlebtes. Eine Sammlung witziger Begebenheiten aus dem Reich der Zauberkunst der letzten 5000 Jahre. Kral Verlag Berndorf 2016. 248 S., ill., € 24,90
Anekdoten haben Konjunktur. Ein Blick auf die Neuerscheinungen lässt auf die Beliebtheit der Geschichten schließen, die Wahres oder gut Erfundenes aus prominenten Biographien erzählen. Nun öffnet Magic Christian seine Trickkiste und überrascht mit witzigen Begebenheiten aus seinem Metier. Der dreimalige FISM-Weltmeister ist der erfolgreichste Zauberartist Österreichs und einer der berühmtesten Europas. Der Bildteil zeigt markante Stufen der Karriereleiter und Society-Fotos. 1979 begann der studierte Industrial Designer seine Profession als Zauberkünstler - und begeistert seither sein Publikum in aller Welt. Japaner und Chinesen nennen ihn "The legend". Neben mehreren Zauberbüchern verfasste Magic Christian eine Trilogie über den legendären Wiener "Escamoteur" Johann Nepomuk Hofzinser (1806-1875).
Mit Sinn für Historisches und dem Wortwitz, der seine Vorstellungen auszeichnet, bringt Magic Christian im jüngsten Buch "die lustigsten, intelligentesten und magisch-spannendsten Geschichten aus 5000 Jahren Geschichte der Zauberkunst". Sie beginnen mit dem Westcar-Papyrus, der in das späte Mittlere Reich (ca. 1837–1760 v. Chr.) oder in die 13. Dynastie (ca. 1759–1630 v. Chr.) datiert wird. Das Dokument aus Ägypten ist das älteste, das von Zauberkunststücken berichtet. Darin heißt es, ein Priester namens Dedi beeindruckte König Cheops, indem auf sein Klatschen der abgeschlagene Kopf eines Tieres wieder anwuchs. Doch weigerte sich der weise Wundermann, das Experiment auf Wunsch des Pharao mit einem Sklaven durchzuführen.
Manche Kunststücke, wie dieses, finden sich durch die Jahrhunderte immer wieder und werden verschiedenen Magiern zugeschrieben. Im 19 Jahrhundert sollte es der bekannte Taschenspieler Bellachini beim Sultan von Marokko an zwei Dienern durchführen. Er erbat sich Bedenkzeit und floh aus dem Land. Ein anderer running gag war der Trick mit der betrogenen Marktfrau: Einem Zauberer (Hermann, Bellacini, Bosco …) gelang es vermeintlich, aus zerschlagenen Eiern Goldstücke zu entnehmen. Als es ihm die Händlerin gleich tun wollte, hatte sie letztlich nichts als ihren ruinierten Warenvorrat. Das 19. Jahrhundert bezeichnet der Autor als "die Blütezeit der Zauberkunst." Damals waren einige Österreicher berühmt auf diesem Gebiet. Einmal engagierte der preußische König den Wiener Leopold Ludwig Döbler (1801-1864). Er bat den Monarchen, ihm eine schwierige Aufgabe zu stellen. Friedrich Wilhelm IV. wünschte, Döbler möge eine Armee herbeizaubern. Es gelang ihm, dass zumindest ein "General" aus einem Ei schlüpfte. Der aus Schwäbisch-Gmünd eingewanderte Döbler erfreute sich der Wertschätzung hochgestellter Persönlichkeiten, wie des Staatskanzlers Metternich, und war Jahrzehnte hindurch der Liebling der Wiener. Er setzte Modetrends, in allen Bereichen richtete man sich nach "Döbler Manier". Die größte Sensation des eleganten Künstlers war sein Blumenzauber. Aus einem leer gezeigten Hut entnahm er 5000 Biedermeiersträußchen, bis der ganze Saal einem blühenden Garten glich. Seine "Liebenswürdigkeit, seine Bescheidenheit und seine überraschenden Effekte unterschieden ihn wohltuend von seinen damaligen Konkurrenten. Er führte seine Kunststücke mit jener ungeahnten Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit vor, die ihm bis zu Hofzinser keiner nachmachte", schreibt Magic Christian.
Während Leopold Ludwig Döbler Physik studiert hatte, war sein Zeitgenosse Johann Nepomuk Hofzinser Finanzbeamter. Als solcher durfte er offiziell nicht auftreten und überließ den privaten Salon, in dem sich die Nobilitäten seiner Zeit einfanden, seiner Frau Wilhelmine. Allerdings trat auch er dort auf, betrieb erfolgreich Werbung und lancierte Anekdoten in der Presse. Madame Hofzinser spielte die Rolle der "somnabulen Seherin" perfekt. Humoristische Zeitungen nahmen auf deren vermeintlich übersinnlichen Fähigkeiten Bezug und stellten immer wieder aktuelle Fragen "an die Hellseherin Madame Hofzinser". Etwa diese: "Wie viele Wirthe sind so dumm und trinken ihren eigenen Wein?" Erst nach der Pensionierung, in seinem letzten Lebensjahrzehnt, durfte Hofzinser sein Talent auf Gastspielreisen unter Beweis stellen. Magic Christian nennt ihn "Vater aller Kartenkünstler" - und ist als solcher zu seinem erfolgreichsten "Sohn" geworden.
Originelle Zaubereien geben Anlass zu Geschichten aus seinen eigenen Erinnerungen, beispielsweise an eine Begegnung mit dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. 1979 wurde der Autor beim Weltkongress der Zauberkünstler zum dritten Mal als Weltmeister der Manipulation ausgezeichnet und erhielt den ersten Preis für Erfindungen. Zufällig benutzte er auf dem Rückflug von Brüssel dieselbe Maschine wie der Kanzler. Nach der Landung wollte dieser ein Kartenkunststück des Ausgezeichneten sehen - und staunte wie selten. "Kreisky sagte diesmal nur: 'Können's des net nochmals machen, des hab' ich nicht g'sehn? Des hab' i net kapiert!' Ich glaube, es war das einzige Mal in Kreiskys Leben, dass er in einer Situation überfordert war."