Martin Marktl: Zeitreise Kärnten#
Martin Marktl: Zeitreise Kärnten. Ein Lesebuch zur Geschichte des Landes. Verlag Styria, Wien 2016. 232 S., ill. € 22,90
Diese Zeitreise ist ebenso kurzweilig wie lang. Sie beginnt vor 30.000 Jahren im Bezirk Völkermarkt, wo die ersten Kärntner ihre Spuren hinterließen. Sie führen in die Tropfsteinhöhle von Griffen. Jäger der Altsteinzeit fanden dort Unterkunft, wo einst Höhlenbären, Riesenhirsche, Hyänen und Wollnashörner gehaust hatten. Viele Querverbindungen aufzeigend, führt der Autor kenntnisreich und unterhaltsam durch die Vergangenheit. So erfährt man gleich, dass der Schädel eines Wollnashorns, den man im Mittelalter fand, das Vorbild für den berühmten Klagenfurter Lindwurm abgab. Das Kunstwerk entstand Ende des 16. Jahrhunderts aus einem einzigen Grünschieferblock. Dass der Schädelfund im Kärntner Landesmuseum zu besichtigen ist, kann man dem Abschnitt "Spurensuche" entnehmen. Jedes der zwölf Kapitel hat einen solchen Anhang, der auf die entsprechenden Schau- und Fundplätze hinweist. Außerdem gibt es jeweils eine "Nahaufnahme", um die Zusammenhänge zu erläutern.
Beim zweiten Kapitel "Vom Eis zum Eisen" geht es dabei um die Entwicklung der Landwirtschaft. Der Textabschnitt behandelt die Zeit von 10.000 bis 2.500 v. Chr., jene Jahrtausende, in denen sich die Neolithische Revolution - der Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsform - vollzog. Jäger und Sammler entwickelten sich (langsam) zu sesshaften Bauern. Die ältesten Fundstücke in Kärnten stammen aus der "bemaltkeramischen Epoche" vor rund 4.000 Jahren. Wie Werkzeuge und Behausungen in der Jungsteinzeit aussahen, beschreibt der Autor nicht nur, er illustriert es auch mit eigenen Fotos. Vier Farbbildteile sind im Buch eingebunden.
Mit zunehmend besserer Quellenlage werden die beschriebenen Epochen immer kürzer. Das dritte Kapitel umfasst die Zeit von 2.500 bis 300 v. Chr. und erzählt von Hügelgräbern und Metallvorkommen. Um Norisches Eisen, Römer und Kelten geht es in der Folge. Der Autor zeichnet ein buntes Bild vom Leben am Magdalensberg, nur einmal geht die Phantasie mit ihm durch: "Ein ehemaliger Maisacker … wich hier in kürzester Zeit einem Handels- und Verwaltungszentrum römischer Bauart." 116 Seiten (oder rund 2000 Jahre) später wird klar, dass erst im 19. Jahrhundert nach einer Missernte der großflächige Maisanbau begann.
Weitere Etappen auf der Zeitreise sind das "Leben in der Provincia Carantana" (500 - 1000 n. Chr.), "Das neue Jahrtausend" (1000- 1300), "Zwei unheilvolle Jahrhunderte" (1300 - 1500), "Im Osten nichts Neues" (1470 - 1550), "Knappen und Säumer" (1550 - 1790), "Franzosenzeit" (1790 - 1815), "Querfeldein durchs 19. Jahrhundert" (1800 - 1900) und schließlich "Sommerfrische" (1900 - 2000).
Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Südbahn Kärnten erreichte und die ersten Dampfschiffe auf dem Wörthersee fuhren, begann der Tourismus zwischen Villach und Klagenfurt. Das Agrarland verwandelte sich in ein Urlaubsziel der Wiener Gesellschaft. Zwei Weltkriege und ihre Folgen unterbrachen die hoffnungsvolle Entwicklung - mit der manche nicht einverstanden waren, weil sie das "orientalische Fremden-Tingel-Tangel" störte. Erstmals 1947 veröffentlichte der Schriftsteller und Landesbeamte Otto Polley (1910-1984) eine Publikation, die - in Form einer Reisebeschreibung mit einem Freund aus Amerika - zu allen Sehenswürdigkeiten des Bundeslandes führt. Nach fast sieben Jahrzehnten hat Martin Marktl "Sieben Tage Kärnten" genau gelesen und dabei entdeckt, dass sich in den Neuauflagen verschiedene Anachronismen eingeschlichen hatten. Von manchen Errungenschaften konnte 1947 noch lange keine Rede sein. Doch die Schilderung entsprach, noch Jahre später, dem Zeitgeist - dem auch manche Heimatfilme entsprangen - und dem Bemühen der Touristiker, das bis heute anhält.
Solcherart in der Gegenwart gelandet, ist der Leser motiviert, das südlichste Bundesland selbst zu entdecken. Mit diesem abwechslungsreichen Buch als Reisebegleiter sollte nichts mehr schiefgehen.