Werner Reiss: Am Rande des Lachens #
Werner Reiss: Am Rande des Lachens. Eine Woche lustvoller Philosophie. Plattform Verlag Perchtoldsdorf 2016. 94 S., € 17,-
Werner Reiss zählt zu den wenigen Predigern, denen man gerne zuhört und, wie man seit seinen "Neuen Legenden" weiß, zu den humorvollen Erzählern. Msgr. Werner Reiss, Dr. jur. und Dr. phil., langjähriger Universitätsdozent, ist aber auch ein vielseitig interessierter Philosoph. So verwundert es nicht, dass seine jüngste Publikation der Philosophie des Humors gewidmet ist.
Der Autor hat Texte von sieben Klassikern in eine doppelte Rahmenhandlung verpackt. Die erste spielt in Wien: Ein flüchtiger Bekannter überreicht ihm ein geheimnisvolles Kuvert. Die zweite handelt im fernen Zapolistan. Dort sollen sieben Jungakademiker beim Aufbau des Universitätswesens helfen. Zuvor müssen sie aber mit einem Betreuer eine Woche in einem Hotel verbringen. Eigentlich ist es eine Hotelruine, und die Stimmung ähnelt jener des Dekameron von Giovanni Boccaccio, in dem sich junge Leute, nicht ganz freiwillig, abschließen, um anno 1348 der Pest zu entgehen und einander Geschichten erzählen. Die Akademiker entscheiden sich für das Thema Humor. Als erster bringt der Ökonom Gregor Szenen aus den "Theaterg'schichten" von Johann Nepomuk Nestroy (1801-1862) ins Spiel. Der Theologe Mato zitiert eine Predigt von Abraham a Sancta Clara (1644-1709). Der Kunsttheoretiker Paul liest ein Exempel von Francisco de Quevedo (1580-1645), einem Meister des Schelmenromans. Der Philosoph Luigi wählt eine Abhandlung des Esssayisten Michel de Montaigne (1533-1592) über die Ambivalenz. Die Politologin Svetlana referiert über den "Widerstand" bei Thomas Morus (1478-1535). Der Soziologe Theo kommt mit Sigmund Freuds (1856-1939) Theorie über den Witz zu Wort. Die Kulturanthropologin Christine behandelt "Das Omen" von Ludwig Wittgenstein (1889-1951). Der Betreuer Vedran ("der Fröhliche") als Achter im Bunde holt die Mitglieder der Runde mit kulinarischen Köstlicheitem zurück ins wirkliche Leben.
Die Diskussionen bewegen sich "am Rande des Lachens", wie der Titel exakt verspricht. Vom Leser wird einiges vorausgesetzt. Je mehr er weiß, um so "lustvoller" wird er mit philosophieren. Wenn ihm beispielsweise die mittelalterliche Buchmalerei bekannt ist, die den Menschen als Mikrokosmos mit den vier Elementen und Windgöttern darstellt. Deren Gestaltung entspricht dem Schema des Achtecks, das der Autor für die Sitzordnung seiner Diskutanten wählt.
Wie bei den "Neuen Legenden", die zur Bibellektüre anregen, verhält es sich mit den Texten "am Rande des Lachens". Nur dass die zitierten Texte meist viel schwieriger verständlich sind. Zum Einstieg empfiehlt der Autor einen Besuch im Augarten, "Ein schöner Park, dessen schöne Regelmäßigeit sich dem Geist der Aufklärung verdankt. Kaiser Joseph II. stellte ihn der Allgemeinheit zur Verfügung. Über dem Eingangstor ließ er 1775 folgende Inschrift anbringen: 'Allen Menschen gewidmeter Erlustigungsort von ihrem Schätzer'. Darunter der Torbogen des Eingangs, man erblickt eine Allee. So entsteht ein Bild, begleitet von einer Erklärung. Das hat den Charakter eines Emblems. Aber durch dieses Emblem kann man durchgehen, es ist passabel. So entsteht eine Topographie - ein neuer Orientierungsrahmen. Für die 'Erlustigung' muss man schon selber sorgen."