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Christian Schuhböck: Grinzings Weingarten-Kulturlandschaft#

Bild 'Schuhböck'

Christian Schuhböck: Grinzings Weingarten-Kulturlandschaft - ein potentielles UNESCO-Welterbe im Vergleich mit bereits anerkannten Welterbe-Weinregionen. (Hg. Alliance For Nature - Allianz für Natur). Kral-Verlag Berndorf 2016. 260 S., ill., € 29,90

Die Weinregion Grinzing soll Weltkulturerbe werden! Das wünscht sich und betreibt die "Alliance For Nature". Die Natur-, Kultur- und Landschaftsschutzorganisation hatte schon bei andern Projekten Erfolg - und Geduld. 1993 leitete ihr Generalsekretär Christian Schuhböck die Initiative "Weltkulturerbe Semmeringbahn". Seit 1998 gehört die erste normalspurige Gebirgsbahn Europas (1854 eröffnet) zum UNESCO-Weltkulturerbe. Noch zwei Jahre länger dauerte es, bis die Fluss- und Kulturerbelandschaft Wachau Aufnahme in die UNESCO-Liste fand. In Grinzing kam es, trotz Bemühungen, die länger als ein Jahrzehnt (2003) zurückreichen, noch nicht einmal zur Nominierung. Der Autor schildert eingehend das stufenweise Verfahren, wobei es hier bisher schon an der ersten Ebene scheitert: "Die Chancen für eine baldige Welterbe-Nominierung sind jedoch eher gering, da der politische Wille der gegenwärtigen Stadtregierung unter Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) hiefür fehlt. Dies geht auch deutlich aus den Stellungnahmen hervor."

Der Landschaftsökologe Christian Schuhböck ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Naturschutz (insbesondere für Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Nationalparks und UNESCO-Welterbe-Gebiete, nationale und internationale Schutzgebete). Er erstellt Gutachten, Expertisen und Dokumentationen, oft im Auftrag von Bürgerinitiativen, organisiert Welterbereisen und -events. Mit dem vorliegenden Buch erbringt er den Nachweis, dass die Grinzinger Weingarten-Kulturlandschaft den Kriterien des UNESCO-Welterbes entspricht. Das ansehnliche Werk hat er nicht nur verfasst, sondern auch grafisch gestaltet. Stimmungsvolle Fotos und alte Ansichten dienen zur Illustration. Allerdings hätten der Verzicht auf einige sexy-Abbildungen (vom antiken Bacchus bis zur Burlesque-Künstlerin) und die Verwendung eines unkitschigen Schubert-Bildes der Seriosität des Buches nicht geschadet.

Seit Jahren nimmt die Zahl der hauptberuflichen Winzer in Grinzing und Umgebung ab, Heurigenbetriebe sperren zu, Spekulation hat das traditionelle Ortbild geschädigt. Schon in den 1970er Jahren erarbeitete Architekt Gustav Peichl, nach einer Bürgerinitiative, eine städtebauliche Entwicklungsstudie für Grinzing. Inzwischen geht es längst nicht mehr um das Ortsbild, sondern um die Landschaft. Seit der Jahrtausendwende fördert die EU die Stilllegung und Umstellung von Rebflächen. Die Welterbe-Konvention zeigt auch Gefahrenquellen auf, die ausschlaggebend sind, dass ein zum Natur- oder Kulturerbe gehörendes Gut in die "Liste des gefährdeten Erbes der Welt" eingetragen wird. "Die genannten Gefahrenquellen könnte man durchaus auf die Grinzinger Weinregion münzen, auch wenn deren Eintragung in die 'Rote Liste' der gefährdeten Welterbestätten derzeit noch zu früh wäre, " kommentiert der Autor.

Das Buch umfasst viele Aspekte. Es beginnt mit der Geschichte des Weinbaus in Österreich. Spezielle Berücksichtigung erfährt die Region Döbling, Kahlengebirge, Klosterneuburg, wobei die ausführlichen Bild- und Textzitate der "Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens" von Franz Xaver Schweickhardt besonders aufschlussreich sind. Er schrieb in den 1830er Jahren: "Die Lage von Grinzing ist überaus schön und romantisch, der Boden fruchtbar und daher die Pflege des Weinstockes sowohl in den Ebenen als auch auf dem Gebirge ganz vorzüglich, wovon die Weine … im In- und Auslande gesucht und geschätzt sind." Im chronologischen Überblick von den Illyrern bis zur Gegenwart nehmen die osmanischen Belagerungen breiten Raum ein, kam doch bekanntlich 1683 das rettende Entsatzheer über das Kahlengebirge. Man erfährt viel Interessantes über den Weinbau in Wien und Klosterneuburg heute, den Heurigen und den nationalen Schutz der Döblinger Weingärten. Weiter geht es mit Informationen über das UNESCO-Welterbe, Österreich und die Welterbe-Konvention sowie die neun österreichischen Welterbestätten. Dazu zählen die Kulturlandschaften Wachau und Neusiedlersee. Ihre Beschreibung leitet über zu den Weinregionen auf der UNESCO-Welterbe-Liste in Italien, Frankreich, Portugal, Deutschland, Ungarn, in der Schweiz und in Israel. Im Vergleich zeigt sich, dass die Grinzinger Weinregion diesen nicht scheuen muss. "Bemerkenswert ist, dass die UNESCO bzw. das Welterbe-Komitee in den letzten Jahren immer deutlicher den Weinbau als Kulturerbe hervorhebt." Außerdem betont der Autor die "geopolitischen und kulturellen Aspekte" als Stellenwert, "den etliche der bereits anerkannten UNESCO-Welterbe-Weinregionen nicht einmal ansatzweise vorweisen können". Wie er in der Folge darlegt, würde die Weinregion Grinzing-Klosterneuburg den Kriterien mehrfach entsprechen. Dennoch stünden die Chancen nicht gut, weil der politische Wille der Stadt Wien und der Republik Österreich fehle. Diese sind aber Voraussetzung, während auf der folgenden internationalen Ebene kaum Widerstände zu erwarten sein dürften. Im Anhang kann man noch manches über Anbau, Herstellung und Weinsorten lernen und sich auf dem Stadtplan einen Überblick über die Ausdehnung der Rieden machen. Keine Großstadt kann sich ihrer Weingärten innerhalb des Stadtgebietes derart rühmen wie Österreichs Bundeshauptstadt.