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Georg Hamann: Großer Herren Häuser#

Bild 'Hamann'

Georg Hamann: Großer Herren Häuser. Hinter den Fassaden prunkvoller Palais. Amalthea-Verlag Wien 2017. 272 S., ill., € 25,-

Häuser erzählen Geschichte und Georg Hamann vermittelt sie kompetent und unterhaltsam. Der Name Hamann bürgt für Qualität. Vom Autor, Historiker und Erwachsenenbildner, erschien erst im Vorjahr "50 x Wien - wo es Geschichte schrieb. Diesmal geht es um berühmte Wiener Palais und ihre Bewohner - vom Barock bis ins 19. Jahrhundert. Darunter die Hofburg, Schloss Schönbrunn, Prinz Eugens Stadtpalais oder das Palais Epstein.

Das Buch behandelt, wie die Fernsehserie, zwölf ausgewählte Gebäude. Dabei steht weniger die Architektur der Häuser im Vordergrund, obwohl auch sie beschrieben wird, sondern die Menschen, die sie bewohnt, beauftragt oder entworfen haben. Die Auflistung beginnt bei den Allerhöchsten Herrschaften. "Als Residenz der österreichischen Landesherren war die Hofburg seit jeher das wichtigste profane Gebäude Wiens, als einen 'Palast' konnte man sie jedoch lange Zeit wahrlich nicht bezeichnen. Es sollten Jahrhunderte vergehen, bis aus einem verwinkelten und verschachtelten Komplex aus Höfen, Stiegen, Türmen und Trakten ein einigermaßen repräsentatives Ganzes wurde," schreibt Georg Hamann, der die Burg "ein architektonisches Geschichtsbuch" nennt, aus dem er auch die Historie der Habsburger herausliest.

Der angrenzende Ballhausplatz, ein Zentrum österreichischer Politik, verdankt einem Freizeitvergnügen seinen Namen. Um 1500 zählte ein Vorläufer des Tennis zu den von Adeligen bevorzugten Sportarten. Auch der spätere Kaiser Ferdinand I. ließ sich dafür ein "Ballhaus" errichten. An seiner Stelle entstand Anfang des 18. Jahrhunderts die Hof- und Staatskanzlei als Regierungs-, Repräsentations- und Wohngebäude. Hier wirkten u. a. die Staatskanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz, "Maria Theresias graue Eminenz", und Clemens Wenzel Graf Metternich, zur Zeit des Wiener Kongresses "der Kutscher Europas" genannt.

Die dritte Exkursion führt von der Innenstadt nach Schönbrunn mit seinem weltberühmten Schloss, samt Park mit Kunstwerken, und zum ältesten Tiergarten der Welt. Im Schloss Schönbrunn starb 1832, mit nur 21 Jahren, der Kaiserenkel und Sohn Napoleons, der Herzog von Reichstadt, Napoleon Franz Bonaparte.

Der siegreiche Feldherr Prinz Eugen von Savoyen ließ sich ab 1696 von Johann Bernhard Fischer von Erlach in der Himmelpfortgasse ein Stadtpalais errichten und von Johann Lucas von Hildebrandt erweitern. Die Konkurrenz der barocken Stararchitekten füllt ein umfangreiches Kapitel. Gleichzeitig mit dem Stadtpalais beauftragte Eugen, der zu einem der reichsten und mächtigsten Männer Europas avancierte, seinen Sommersitz. Zuerst das Untere, dann das 1723 fertig gestellte Obere Belvedere entstanden nach Plänen Hildebrandts.

Dessen Werke zählen zu den bedeutendsten des mitteleuropäischen Barock. Als Höhepunkt seines Wiener Schaffens gilt das Palais Daun-Kinsky, Freyung 4. Leopold Graf Daun, der Sohn des Bauherrn, war als Feldherr und Vertrauter Maria Theresias bekannt. Er reformierte die Armee und ging als "Sieger von Kolin" im Siebenjährigen Krieg in die Geschichte ein. Später gelangte das Palais in den Besitz der böhmischen Adelsfamilie Kinsky. An ihren Gesellschaftsabenden nahm auch Kaiser Joseph II. teil. Hingegen war Prinz Eugen im Palais Batthyány-Strattmann, Herrengasse 19 / Bankgasse 2, ein gern gesehener Gast beim Kartenspiel. Langjährige Freundschaft verband ihn mit Eleonore Batthyány-Strattmann, die den Prinzen vor einer Hofintrige rettete.

Während die Herrengasse als vornehmste Adresse galt, war dies bei der Seilerstätte lange Zeit nicht der Fall. An der Stadtmauer arbeiteten die Seiler, welche die für die Schifffahrt benötigten langen Taue anfertigten. Erst 1840 erstand hier ein adeliges Gebäude, das Palais Coburg, Seilerstätte 1-3. Wegen seiner markanten Säulenfassade nannten es die Wiener "Spargelburg". Philipp von Coburg, der das Palais geerbt hatte, heiratete 1874 seine Cousine Louise von Belgien. "Beide gingen ihrer Wege. Die Ehe war bloß noch gesellschaftliche Konvention." Louise war die Schwester der Gemahlin von Kronprinz Rudolf, Stephanie von Belgien. Verständlich, dass deren Schwiegervater, Kaiser Franz Joseph, über Louises Affären und ihren verschwenderischen Lebensstil nicht erfreut war.

Die meisten Palais sind nach ihren Erbauern oder Bewohnern benannt. Beim Palais Ferstel, Freyung 2, verhält es sich anders. Es trägt den Namen nach seinem Architekten Heinrich Freiherr von Ferstel, der u. a. die Votivkirche und die Universität plante. Relativ unbekannt ist der positive Einfluss, den sein Vater, ein Prager Bankdirektor, auf ihn ausübte. Er riet dem Sohn 1848, das revolutionäre Wien zu verlassen und in das Atelier seines Onkels einzutreten, der für den böhmischen Hochadel tätig war. Dann empfahl er ihm, sich in Wien selbstständig zu machen. Schon kurz danach konnte der 27-Jährige den Wettbewerb um die Votivkirche für sich entscheiden. Ebenfalls wenig später gewann er die Konkurrenz um das Bank- und Börsengebäude mit dem legendären Café Central.

Bald nach der Eröffnung erwies sich das Börsengebäude für die in der Gründerzeit prosperierende Wirtschaft als zu klein. Den Neubau am Schottenring besorgte ein anderer international angesehener Ringstraßenarchitekt, Theophil Freiherr von Hansen. Ihm verdankt Wien eine Reihe weiterer markanter Gebäude wie das Parlament, das Heeresgeschichtliche Museum oder den Musikverein. Für den Bankier Gustav Ritter von Epstein plante er dessen Palais am Dr.-Karl-Renner-Ring 3. Epstein, ein typischer Vertreter des jüdischen Großbürgertums, war nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch ein kaisertreuer Patriot, Wohltäter und Kunstmäzen. Letzteres konnte man seinem Palais an der Bellaria ansehen. Als seine Bank 1873 vom Börsenkrach mitgerissen zu werden drohte, hatte er die Geschäftsführung schon anderen überlassen. Epstein zeigte sich als Ehrenmann, als er für deren Schulden haftete, sodass dem Bankhaus der Konkurs erspart blieb. Allerdings musste er dafür private Vermögenswerte, die Kunstsammlung und letztlich das Palais veräußern. In dieses zog die Englische Imperial Continental Gas Association ein, die in Wien die erste Straßenbeleuchtung durchführte.

Es ist Georg Hamann besonders zu danken, dass er nicht nur die Bauten beschreibt und erzählt, was sich "hinter den Fassaden prunkvoller Palais" zugetragen hat. Er stellt die spannend aufbereiteten Fakten in einen größeren Kontext, wie Familiengeschichte, historisches und soziales Umfeld. So entstehen Zeitbilder, in die man sich mit ein wenig Phantasie hineinversetzt fühlen kann. Beispielsweise in die Freizeitwelt am Wasserglacis, wo - angeblich zu Kurzwecken - Mineralwasser ausgeschenkt wurde, nachdem Kaiser Joseph II. das einstige militärische Sperrgebiet mit Bäumen und Spazierwegen zur Erholungslandschaft umgestalten ließ. Mit dem Fall der Stadtmauern ging dieses Paradies verloren. Der Stadtpark mit dem neuen Kursalon war ein, anfangs von den Wienern ungeliebter, Ersatz. Die Kritik verstummte, als der Kursalon nach 1868 zur Veranstaltungsstätte für Konzerte und Bälle wurde.

Mit dem letzten Kapitel schließt sich der Kreis zu den Habsburgern. Es handelt von den Schlössern der Kaiserin Elisabeth, der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten und dem Achilleon auf Korfu. Beide hatte Franz Joseph mit großem Aufwand nach den Wünschen seiner Gemahlin errichteten und ausstatten lassen, doch sie hatte keine rechte Freude damit. Knapp ein Jahrzehnt verbrachte Elisabeth wenigstens einige Sommerwochen in der "Villa Waldruh" im Lainzer Tiergarten, das luxuriöse griechische Domizil besuchte sie nur kurz. Gewünscht hatte sie sich "ein(en) Palast mit Säulenhallen und hängenden Gärten … märchenhaft, hochmütig, heilig". Als das Märchenschloss am Meer 1892 fertig war, befand sie jedoch: "Unsere Träume sind immer schöner, wenn wir sie nicht verwirklichen … Wo immer ich wäre, wenn man mir sagen würde, ich müsse immer dort bleiben, dann würde auch das Paradies für mich zur Hölle werden." Franz Joseph hat das Achilleon nie betreten. Elisabeth wurde 1898 ermordet.