Gisela Hopfmüller - Franz Hlavac: Wachau#
Gisela Hopfmüller - Franz Hlavac: Wachau. Entdeckungen beiderseits der Donau.
Styria Verlag Wien, Graz, Klagenfurt 2017, 192 S., ill., € 24.90
"Genießen und dabei viel lernen, das ist genau das, was wir mögen!", schreiben Gisela Hopfmüller und Franz Hlavac etwa in der Mitte ihres Wachau-Buches. Es könnte das Motto des sympathischen, mit vielen aussagekräftigen Fotos illustrierten Bandes sein. Wer ihn genießt, wird viel lernen und sich freuen, das prominente Journalistenehepaar auf seinen "Entdeckungen beiderseits der Donau" zu begleiten. Die Namen der Autoren haben noch Jahre nach ihrem Abschied vom ORF einen guten Klang. Die als Moderatorin des "Report" bekannte Kunsthistorikerin Gisela Hopfmüller war 26 Jahre in der Rundfunkanstalt tätig und leitete die Hauptabteilung Wissenschaft. Der Historiker Franz Hlavac begann seine 36-jährige Karriere als Reporter der "Zeit im Bild" und leitete zuletzt die Wirtschaftsredaktion des ORF- Fernsehens.
Bekannt seriöse Recherchen, lebendige Interviews und recht persönliche Anmerkungen verweben die Autoren zu einem überaus gelungenen Buch. Zwischendurch eingestreute Kochrezepte werden auch das weniger kulturaffine Publikum ansprechen. Getreu dem Motto "Genießen und lernen" profitieren die Leser zunächst mit dem Finger auf der Landkarte und, ist die Reiselust geweckt, real in der Weltkulturerberegion. "Rund um die Wachau" ist weit gefasst, von Stratzing bei Langenlois, dem Fundort von "Fanny", mit 36.000 Jahren die "älteste Venus der Welt", bis Ybbs an der Donau, vom Mohndorf Armschlag im Waldviertel bis zur "doppelten Madonna" in Kleinhain.
Die Reise beginnt mit dem "Zauber der Donau", denn nie ist die Donau zauberhafter als zur Sommersonnenwende, wenn man vom Schiff aus die Feuerwerke und unzähligen Fackeln in den Weingärten bewundert. Abgesehen von der Kompetenz und dem angenehmen Erzählstil profitiert man als Leser auch von der Bekanntheit der Reiseleiter. So darf man mit ihnen auf die Kommandobrücke der "MS Austria" und trifft (nicht nur auf dem Ausflugsschiff) interessante und prominente Gesprächspartner.
Der an die Wachau anschließende Flussabschnitt ist "ein Mosaik der Zeiten". Die 1913 erfolgte Namensgebung "Nibelungengau" löst nicht nur positive Assoziationen aus. Das dem Nibelungenlied gewidmete Denkmal entstand 1987 als "Beitrag zum europäischen Friedensgedanken". 16 Wappen symbolisieren die Handlungsorte des Epos aus dem 12. Jahrhundert, von Melk bis Verona. Pöchlarn bewahrt nicht nur das Andenken des legendären Rüdiger von Bechelaren, sondern auch an den "Rebell der Kunst" Oskar Kokoschka, der hier geboren wurde. Wenige Kilometer weiter dokumentiert das Friedensmuseum in Erlauf das Ende des 2. Weltkriegs. In Säusenstein setzte der Bau der Westbahn der gotischen Zisterzienserabtei samt Umgebung ein trauriges Ende. Zu einem Foto der kläglichen Reste heißt es: "Uns blutet das Herz. Welche Perle wäre das Stift, wäre es in seiner ursprünglichen Form erhalten!". Weitere - erfreuliche - Stationen dieser Tour sind die Altstadt von Ybbs und Persenbeug mit dem viertgrößten Donaukraftwerk Österreichs. In Marbach steht das Erstlingswerk von Clemens Holzmeister. Der Architekt des Großen Festspielhauses in Salzburg und des Wiener Funkhauses plante 1914, 28-jährig, die Volksschule. Noch mit 92 übernahm er die Aufsicht über deren Renovierung. Oberhalb, auf dem Taferlberg, erhebt sich die berühmte Marienbasilika. Nicht nur ihr gilt die Beschreibung, sondern auch dem überregionalen Käsemarkt, der alljährlich im Oktober stattfindet. Wie bei jedem der 13 Kapitel schließen sich auch an dieses Informationen zu den erwähnten Zielen - vom Stadtmuseum bis zur Käsehütte.
Bekannte Sehenswürdigkeiten des südlichen Waldviertels stellen die Schlösser Artstetten und Pöggstall dar. Ersteres ist untrennbar mit dem ermordeten Thronfolger Franz Ferdinand verbunden. In Pöggstall, seit 1380 Sitz des Landgerichts, findet 2017 die Niederösterreichische Landesausstellung "Alles was Recht ist" statt. Ein guter Grund, das Schloss mit seinen sgrafitto-gezierten Arkaden und dem von Albrecht Dürer inspirierten Kanonenrondell großzügig zu restaurieren. Lohnende Abstecher führen in die Pfarrkirche mit der gotischen Anna-Selbdritt-Gruppe und zu deren ursprünglichem Aufstellungsort "St. Anna im Felde".
Im Weitental befindet sich Schloss Leiben mit dem Landtechnikmuseum und einem kunsthistorischen Juwel aus dem 16. Jahrhundert. "Es bewahrheitet sich immer wieder: Man sieht nur, was man weiß. Hätten wir nicht vorher über diese ganz besondere Kassettendecke gelesen, nie wären wir auf die Idee gekommen, so etwas hier zu suchen." Wer das Buch von Hopfmüller-Hlavac liest, dem geht es ebenso. Er wird viel wissen und viel sehen. Beispielsweise die Mollenburg, die der Schriftsteller und Kulturpolitiker Jörg Mauthe 1972 erwarb und mit seiner Familie instand setzte, die sie nun bewohnt. Die Kirchen der Gegend enthalten wertvolle Fenster aus der Zeit um 1370 bis ins 16. Jahrhundert. Eine Scheibe in Heiligenblut zeigt das Hostienwunder, dem der Ort seinen Namen verdankt.
Im Yspertal ragen riesige Granitblöcke auf. Sie regen die Phantasie esoterisch begabter Touristen an und werden entsprechend vermarktet. Die langjährigen ORF-Journalisten begegnen dem mit humorvoller Skepsis. Hingegen entdeckten sie ein Frühwerk von Roland Rainer, der das Zentrum auf dem Küniglberg plante. Er hatte in Ysper sein erstes Atelier. Im "Christbaumparadies Jauerling" sind 500 Hektar mit Blaufichten und Nordmanntannen bepflanzt. Kunsthistorisch bedeutsam ist hier der Flügelaltar von Maria Laach (um 1480). Die rechte Hand der Himmelskönigin hat sechs Finger. Außerdem befindet sich in dieser Kirche eines der seltenen frei stehenden Renaissancegrabmäler. Oben auf dem Jauerling philosophieren die Autoren, "warum wir in der Wachau und ihrer Umgebung dauernd den Wunsch verspüren, das Ganze von oben zu betrachten. Es ist wohl die Freude daran, nicht nacheinander, sondern gleichzeitig die Facetten dieser vielgestaltigen Landschaft erleben zu können. … Ganz einfach eine der schönsten Landschaften Österreichs!" Noch weitere Kapitel sind ihr gewidmet: "Wachau-Genuss am Nordufer", "Spitz, sein Graben und weiter hinauf", "Venus und Fanny erzählen", "Die Gesichter des Dunkelsteinerwaldes", "Die Pracht von Melk und Göttweig", "Römer und Wein in Mautern". Höhepunkt und Abschluss bildet die Kulturhauptstadt Krems. Neben Museen und Bauwerken sind es wieder die Gesprächspartner, die Farbe in die Geschichte(n) bringen. Diesmal Ulli Amon-Jell, die das traditionelle Familienwirtshaus am Hohen Markt betreibt und der ehemalige ORF-Kollege Gerhard Vogl, ein gebürtiger Kremser. Mit ihm unterhalten sich die Autoren auch über den genialen Burgtheaterschauspieler Oskar Werner, der 1983 mit seinem in Krems geplanten Wachau-Festival einen Eklat verursachte. Im nahen Thallern hatte er einen Besitz. Von der Recherche dort heimgekehrt, bemerken die Autoren, dass sie diese an einem Jahrestag des Todestages (Oskar Werner starb am 23. Oktober 1984) unternommen hatten. "Welch ein Zufall ! Das Genie ist uns in Thallern genau an seinem Todestag wieder lebendig geworden."