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Laurenz Lütteken: Mozart #

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Laurenz Lütteken: Mozart. Leben und Musik im Zeitalter der Aufklärung. Verlag C.H. Beck München 2017. 296 S., ill.,€ 26,95

"Ein neues Buch über Mozart mag als aussichtsloses Unterfangen erscheinen. Was wäre der erdrückenden Fülle des Geschriebenen und Gesagten noch hinzuzufügen?" fragt der Autor eingangs. Laurenz Lütteken hat das Unterfangen doch in Angriff genommen. Der Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Zürich wurde vielfach für seine wissenschaftlichen Verdienste ausgezeichnet. Für die vorliegende Publikation wählt er eine neue Perspektive, nämlich die Zugehörigkeit des Komponisten zum Jahrhundert der Aufklärung. Damit entsteht aber nicht nur eine "bunte Fülle heterogener Mosaiksteine", sondern ein wissenschaftliches Werk, das der Leserschaft die Augen für Zusammenhänge öffnet.

Da sind zunächst die Voraussetzungen von Bedeutung. Die Aufklärung als "Denkbewegung, die prinzipiell alle Bereiche des Wissens und der individuellen und sozialen Lebenspraxis erfasste oder doch erfassen wollte" (Rudolf Vierhaus), fand in der Musik eine wichtige Ausdrucksform. Neu waren damals die Formierung der Öffentlichkeit und das Leistungsprinzip - Geld gegen Aufführung. Musik wurde nicht mehr nur an Fürstenhöfen exklusiv aufgeführt, sondern allgemein zugänglich für das bürgerliche Publikum, das Eintrittskarten kaufte. "Akademien", wie sie auch Mozart veranstaltete - sogar in Anwesenheit des Kaisers - waren kommerzielle Unternehmungen. Organisation und finanzielles Risiko lagen beim Komponisten. Ein Freund Mozarts kommentierte: "Der Künstler aller Art arbeitet nun einmal für unsere Sinne, und er muß also wissen, ob er auf sie gewürket habe oder nicht, ohne davon zu reden, daß Beyfall doch eigentlich Zweck und Belohnung des Künstlers ist."

Was Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart (1756-1791) betrifft, ist die Rolle seines Vaters hervorzuheben. Der Komponist Leopold Mozart (1719-1787), der aus Augsburg stammte und dort das Jesuitengymnasium besucht hatte, war belesen, sprachenkundig und weltmännisch. Nach Salzburg übersiedelt, wurde er zum Lehrmeister und Manager seines Sohnes. Er weitete dessen Horizont schon im Kindesalter durch Reisen, was damals völlig ungewöhnlich war. Mit seinem Begriff "Wunderkind" befand sich Vater Mozart aber ganz in der voraufklärerischen Gedankenwelt. Er wäre es Gott schuldig, der Welt ein Wunder zu verkündigen, "welches Gott in Salzburg hat lassen gebohren werden." Seine Unternehmungen verstand er als diplomatisch-erzbischöfliche Mission, gefördert von Fürsterzbischof Sigismund III. Christoph von Schrattenbach (1698-1771). Dieser galt als reformfreudig, musik- und theaterliebend. Bei der ersten Reise - nach München - war "Wolferl" sechs Jahre alt. Bald fuhr man mit dem eigenen Wagen und blieb dreieinhalb Jahre in Wien und Italien.

Als der fürsterzbischöfliche Mäzen starb, war W. A. Mozart kein Kind mehr, aber mit 17 auch noch nicht erwachsen. Der Nachfolger ernannte ihn zum besoldeten Konzertmeister, was die Reisetätigkeit jedoch nicht behinderte. Salzburg war für Wolfgang Amadé, wie er sich seit 1777 nannte, zu klein geworden, die Sogkraft des Josephinischen Wien nicht nur für ihn beträchtlich. Die Entscheidung fiel 1781. Wenige Monate zuvor hatte Kaiser Joseph II. die Regierung angetreten. Im Vergleich zur Maria Theresianischen Haupt- und Residenzstadt, wie er sie als Kind erlebt hatte, war Wien für Mozart "ein fremder Ort" geworden. Aber er wollte die Herausforderung annehmen und entwickelte drei Säulen seiner neuen Existenz: Öffentliche Konzerte, Unterricht ausgewählter SchülerInnen und Opernaufträge.

Ein dichtes soziales Netz ermöglichte Mozart - ohne feste Anstellung und unabhängig vom Hof - ein großteils luxuriöses Leben. Er war nicht nur Freimaurer, sondern auch regelmäßiger Gast in den großen jüdischen Salons, wie bei den Arnsteins (wo dann 1814 der erste aktenkundige Wiener Christbaum stand. ) Von klein an war Mozart gewohnt, im öffentlichen Raum zu agieren und zu repräsentieren, er sah sich als Ausnahme von den Normen der Zeit. Man fühlt sich an Falcos "Rock me Amadeus" erinnert: Superstar, exaltiert, Virtuose, Idol … Obwohl seit 1782 verheiratet und Vater von sechs Kindern, von denen zwei das Erwachsenenalter erreichten, führte er in seinem Wiener Jahrzehnt ein unstetes Leben. 14 Wohnadressen sind bekannt, meist "mäzenatische Verhältnisse". Das vielschichtige Netzwerk verweist auf ein "auf Gegenseitigkeit beruhendes Modell … materielle Unterstützung gegen eine wie immer definierte musikalische Gegenleistung". Bei Mozart aber waren die Zuwendungen nicht an konkrete Leistungen, "sondern bloß an sein Dasein geknüpft".

Laurenz Lütteken weiß vom 20-fachen des üblichen Musikerverdienstes. Der finanzielle Einbruch ab 1788 lässt sich am ehesten auf die allgemeine wirtschaftliche Krise zurückführen. Der Autor nennt Staatsverschuldung, Inflation, Kriegssteuer, Einnahmenrückgang und fehlende persönliche Reserven als Gründe. So schien sich auch im Finanziellen zu bestätigen, was Leopold Mozart in einem Brief an Baronin Martha Elisabeth Waldstätten beklagte. Seinen Sohn beherrschten zwei Gegensätze: "zu viel oder zu wenig, und keine Mittelstraße".

Eine andere adelige Dame, Herzogin Anna Amalia, ließ - auf Initiative J. W. Goethes - Mozart in ihrem Schlosspark vor den Toren Weimars 1799 ein Denkmal setzen. Es zeigt kein Porträt des Komponisten, sondern drei Symbole auf einer Säule: die Lyra als Instrument der Musiker und Dichter, eine tragische und eine heitere Maske, die Goethes Kopfstudien ähneln. Laurenz Lütteken nennt das "Mozart und den Musen" gewidmete Werk "ein zum plastischen Monument gewordenes ästhetisches Programm. … es bildet gewissermaßen das Schlußstück von Mozarts 18. Jahrhundert."

Die Biographie "Leben und Musik" hatte eine lange Vorlaufzeit. Das erste Konzept reicht bis in das Jahr 2003 zurück, nachdem es schon zuvor Überlegungen gegeben hatte. 2012 nahm der Autor den Plan in veränderter Form wieder auf. "Es ist ein Abenteuer eigener Art, ein Buch über Mozart schreiben zu wollen" , Lorenz Lütteken am Ende fest. Das Abenteuer hat sich gelohnt - schon nach wenigen Wochen zählt der Verlag das Buch zu den Bestsellern.