Uwe Mauch: Das alte Floridsdorf#
Uwe Mauch: Das alte Floridsdorf. Der 21. Wiener Gemeindebezirk - seine Geschichte in Bildern. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach 2017. 96 S., ill., € 14,95
Die Serie "Das alte …" hat Zuwachs bekommen. Eine Reihe von Orten in (Nieder-)Österreich zeigt im Spiegel alter Ansichtskarten ihr historisches Gesicht. Für die Beschreibung verpflichtet der Verleger Ulrich Winkler-Hermaden ortskundige Autoren. Beim jüngsten Band hat er einen besonderen Glücksgriff getan. Uwe Mauch ist nicht nur passionierter Floridsdorfer, sondern auch als kompetenter Autor lebensnaher Reportagen bekannt. Im Vorwort nimmt er Kritikern den Wind aus den Segeln, und bis zum Ende ist das "unchice Image" Floridsdorfs relativiert. Es stimmt schon, für viele (Innen-) Stadtbewohner ist die Donau eine mental fast unüberwindbare Barriere. (Dafür kommt sie im Buch kaum vor). Einige gehen so weit, zu behaupten, dass man "in Transdanubien ein wenig zivilisiertes Eigenleben führt", oder "diese Gegend" mit einem Schimpfwort gleichzusetzen.
Uwe Mauch orientiert sich lieber an historischen Fakten. Die Entdeckungsreise beginnt in der Steinzeit. "Archäologische Hotspots", wie in Leopoldau oder Stammersdorf, verweisen auf urzeitliche Besiedlung. Kelten, Römer, Germanen, Langobarden, Slawen und Awaren hinterließen im späteren Floridsdorf ihre Spuren. Die erste urkundliche Erwähnung, um die erste Jahrtausendwende, bezieht sich auf Jedlesee. Seinen Namen verdankt der 21. Wiener Gemeindebezirk dem Klosterneuburger Propst Floridus Leeb (1731-1799). Um 1790 überließ er 26 Familien Teile des stiftlichen Grundbesitzes. Ein Jahrhundert später war die Bevölkerungszahl so sehr angewachsen, dass der Statthalter von Niederösterreich, Erich Graf Kielmannsegg (1847--1923) Floridsdorf zur Landeshauptstadt machen wollte. Die Vorbereitungen waren getroffen: Floridsdorf, Donaufeld, Jedlesee und Neu-Jedlersdorf zu einer Großgemeinde zusammengeschlossen, das Amtshaus mit dem Erscheinungsbild eines Rathauses und der "Dom von Donaufeld" mit seinem 96 m hohen Turm fertig, ein Hafen am Donau-Oder-Kanal geplant. Die hochfliegenden Pläne scheiterten an der Stadt Wien, 1904 wurde die Großgemeinde nebst einigen Marchfelddörfern eingemeindet.
Der "Kurier"-Redakteur formuliert Titel und Texte nach einem Roten Faden. "Steinzeit. Vorgeschichte", "Dorf. Leben", "Modernisierung. Vor 1900", "Dorf. Stadt. Bezirk", "Straßen. Züge", "Modernisierung. Nach 1900", "Sozial. Demokratie", "Diktatur. Krieg", "Wiederaufbau. nach 1945", "Fußball. Plätze", "Stadt. Land. Freizeit", "Kultur. Gut", "Essen. Trinken". Wenigen Autoren gelingt es, Information so prägnant zu vermitteln. Man merkt, hier ist ein Vollprofi am Werk. Jedem Kapitel hat er eine Textseite vorangestellt, die auf die folgenden Bilder einstimmt. "Dorf. Leben" zeigt, dass die Menschen nördlich der Donau jahrhundertelang in Dörfern lebten - im Kampf um das tägliche Brot, kriegerischen Angriffen ebenso schutzlos ausgeliefert, wie Überschwemmungen und Seuchen. "Ein Tipp für Floridsdorf-Entdecker: Die Ortskerne am Spitz, in Jedlesee, Strebersdorf, Stammersdorf, Jedlersdorf und Leopoldau sind - leicht abseits der Hauptverkehrsadern des Bezirks - weitgehend erhalten. Ein Abbiegen und Innehalten lohnt sich!"
Schon vor 1900 begann die Modernisierung: "Die Dampfmaschine und der Bau der Eisenbahn machen aus Floridsdorf ein kleines Manchester." Englische Industrielle wie Shuttleworth oder Ruston gründeten Fabriken für Traktoren und Schiffe. Als erste Eisenbahn Österreichs ging 1837 die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn in Betrieb. 1869 bis 1969 erzeugte die "Lofag" in Floridsdorf 6000 Lokomotiven. Nach der Jahrhundertwende produzierten die Lohnerwerke in Floridsdorf Verkehrsmittel, die "zu Wasser, zu Lande und in der Luft" unterwegs waren, die Fiat-Werke bauten an der Brünner Straße Automobile. Die Brünner Straße, wie auch die Prager, Leopoldauer oder Schlosshofer Straße zeigen mit Straßenbahnen und ersten Zinshäusern die Verstädterung. Einen wesentlichen Faktor bildete die Sozialdemokratie, als ab den 1920er Jahren große Gemeindebauten wie Schlingerhof oder Karl-Seitz-Hof entstanden. Dazu kamen Einrichtungen des Roten Wien wie Tröpferlbad, Arbeiterheim und Turnsäle und Vereine wie Sängerbund und Turnverein. An die Zeit von Diktatur und Krieg gemahnen Panzer, brennende und zerstörte Gebäude. Auch das erschütternde Foto des gehenkten Majors Karl Biedermann erspart der Autor den Lesern nicht. Bildern vom Wiederaufbau nach 1945 folgt Erfreuliches, Freizeit, Kultur und Kulinarik. "Floridsdorf bietet keine Bühne für Hochkultur. In Nischen verstecken sich jedoch einige Perlen". Heute wie damals sind es engagierte Einzelne und Vereine, die sich darum bemühen, etwa der "guruhafte Naturheilkundler" Florian Berndl (1856-1934), der am Bisamberg und an der alten Donau wirkte. "Floridsdorf ist auch kein Ort für Haubenlokale. Dennoch bieten Wirtshäuser und Heurige Flair" , stellt Uwe Mauch fest und bleibt optimistisch für seinen Bezirk: "Der allgemeine Trend zu Qualitätsweinen sowie ein Modernisierungsschub nach dem erfolgten Generationenwechsel lässt auch die meisten Winzer- und Wirtsfamilien in den Floridsdorfer Heurigenorten einigermaßen beruhigt in die Zukunft blicken."