Nora Rath-Hodann - Peter Diamond: Klimt - erzählt für Kinder#
Nora Rath-Hodann - Peter Diamond: Klimt - erzählt für Kinder. JGIM Verlag, Wien 2017.
80 S., ill., € 14,90
Eigentlich sind Gustav Klimt (1862-1918) und seine Gemälde etwas für Erwachsene. Zu seiner Zeit waren die Bilder für Skandale und Tabubrüche gut. Aber die Zeiten ändern sich, und so fällt es der Autorin nicht schwer, Leben und Werk des prominenten Sezessionisten für Kinder passend darzustellen.
Wie schon in dem entzückenden Buch "Sisi - erzählt für Kinder" spielt Nora Rath-Hodann dabei eine Doppelrolle: Als Erzählerin und als echte Mutter, die mit ihrer Tochter Julie Museen besucht. Die Illustrationen stammen vom preisgekrönten und internationalen Grafiker Peter Diamond. Er hat die Werke von Gustav Klimt in unverwechselbarer Handschrift nachempfunden. Wie er begann der Illustrator sein Kunstschaffen in ganz jungen Jahren.
Diesmal haben sich Julie und ihre Mama die Klimt-Sammlung im Belvedere vorgenommen - und gehen ihr Programm so an, wie man es tun sollte: sie blättern im Museumsführer. Der vifen Tochter kommen die goldenen Bilder schon bekannt vor und sie kann es kaum erwarten, die Originale zu sehen. Zum besseren Verständnis erzählt die Mama die Lebensgeschichte von Gustav Klimt und beleuchtet sein soziale Umfeld: Das entbehrungsreiche Aufwachsen in einer kinderreichen Familie, die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule, für die er ein Stipendium erhielt, die Gründung der Künstler-Compagnie mit seinem Bruder Ernst und dem Maler Franz Matsch, familiäre Schicksalsschläge, die Freundschaft mit Emilie Flöge, sein Leben in Wien und am Attersee... „Mama, ich finde die Geschichten, die die Bilder erzählen, so toll, “ meint die Kleine und die Mama bestätigt: „Ja, man versteht sie besser, wenn man ein wenig über die Zeit, in der sie entstanden sind, erfährt.“
Sie erinnert daran, dass Gustav Klimt die Entwicklung Wiens von einer "mittelalterlichen" Stadt - rund um sein Geburtsjahr wurde die historische Stadtmauer demoliert -, über die Hochblüte zur Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg miterlebt hat. Das Wien des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bot dem aufstrebenden Maler gute Voraussetzungen. Waren es zuerst Aufträge im Zusammenhang mit den damals neuen Ringstraßenbauten, so denkt man beim Namen Klimt doch vor allem an den Jugendstil und die Sezession, dessen erster Präsident er wurde. Julie und ihre Mama verfolgen den Werdegang und die Entwicklung des Künstlers, die man hier kompakt und gut verständlich nachlesen kann. Zur Ergänzung gibt es einen Kurzlebenslauf und Abbildungen der berühmten Originale, etwa die in einer düsteren Frühphase entstandene "Tragödie", berühmte Frauenbildnisse, wie von Sonja Knips, Emilie Flöge oder Adele Bloch-Bauer. Werke aus der Sezession sind ebenso vertreten wie die skandalumwitterten Fakultätsbilder und der weltberühmte "Kuss".
"Der Mann gibt der Frau einen Kuss auf die Wange – daher der Name des Bildes. Es gibt Leute, die sagen, dass es sich bei den beiden um Gustav Klimt und Emilie Flöge handelt – zwei Menschen, die einander in tiefer Freundschaft verbunden sind und sich wortwörtlich sehr nahe stehen. Andere wiederum meinen, dass es genau umgekehrt sei, und dass die Frau gar nicht so recht geküsst werden möchte. … Niemand weiss mit Sicherheit, was Klimt mit diesem Werk ausdrücken wollte. Aber vielleicht ist das gerade das Spannende. Jeder sieht eben etwas anderes.“
Das Buch verlockt zum Sehen und Anderssehen. Detailreich gelingt es der Autorin, kleinen wie großen Lesern neue Zugänge zur Kunst eröffnen.