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Maria-Andrea Riedler: Das alte Stockerau#

Bild 'Riedler'

Maria-Andrea Riedler: Das alte Stockerau. Die Stadt und ihre Geschichte in Bildern. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach. 96 S., ill., € 14,95

Deutsch-Wagram, Gänserndorf, Hollabrunn, Korneuburg, Mistelbach, Wolkersdorf… und jetzt "das alte Stockerau". Immer wieder beweisen die Bücher der Edition Winkler-Hermaden, wie viel es in den Städten und Katastralgemeinden des Weinviertels zu entdecken gibt. Historische Ansichtskarten, meist aus Privatsammlungen und bisher unpubliziert, sind interessante Quellen.

Für den jüngsten Band über eine Stadt und ihre Geschichte hat der Verleger eine besonders kompetente Autorin gefunden. Maria-Andrea Riedler ist nicht nur Stadtamtsdirektorin, sondern auch staatlich geprüfte Fremdenführerin. Ihr reichhaltiger Bilderbogen umfasst das halbe Jahrhundert von den 1880er bis zu den 1930er Jahren. Die vorige Jahrhundertwende war die große Zeit der Ansichtskarten, man druckte sie sogar für kleine Dörfer. Umso mehr finden sich zahlreiche Motive in der 1893 zur Stadt erhobenen Marktgemeinde Stockerau. Der Bildband über die inzwischen größte Stadt des Weinviertels zeichnet sich durch prägnante und informative Texte aus.

Den Einstieg bildet eine aufschlussreiche "kurze Chronik von Stockerau". Sie beginnt im Jahr 791 mit der Ansiedlung der Stocker und Reuter (die in der Donau-Au Bäume fällten) und der ersten Erwähnung des Ortsnamens im Zusammenhang mit dem Märtyrertod des hl. Koloman (1012). Markante Ereignisse im 17. Jahrhundert waren die Gründung der ersten Apotheke (1607) und der Baubeginn der - jetzt leer stehenden - Sebastianikirche (1636). Im 18. Jahrhundert erhielt Stockerau eine Pestsäule, den höchsten Kirchturm Niederösterreichs (88 m), ein neues Rathaus und eine zweite Kirche. Im 19. Jahrhundert mehren sich die Daten. 1841 wurde die dritte Bahnlinie Österreichs von Wien-Jedlesee nach Stockerau eröffnet. Dies begünstigte die Ansiedlung von Fabriken. Sie erzeugten u. a. Textilien, Kerzen, Seifen, Parfums, Nahrungsmittel, Leder, Maschinen und Posamentierwaren. Die "erste Ceresinfabrik der Welt", die Leuchtmittel aus Erdwachs herstellte, sorgte mit ihren Produkten auf der Wiener Weltausstellung 1873 für Aufsehen. Interessant sind die Hinweise, wie lange die genannten Unternehmen bestanden: ein Modehaus fast 200 Jahre, die Maschinenfabrik Heid mehr als ein Jahrhundert.

Um 1900 prägten vor allem zwei Künstler das Stadtbild. Leopold Forstner, Materialkünstler im Umkreis der Wiener Sezession, der eine Arzttochter aus Stockerau ehelichte und danach hier lebte, und der Architekt Max Kropf. Der Schüler des Dombaumeisters Friedrich Schmidt plante in Stockerau Villen, den Friedhof, Spital, Konvikt und die Landwehr-Kaserne II. Die um die vorige Jahrhundertwende entstandenen Postkarten verdeutlichen den Wandel von der Agrargemeinde zum Industriestandort: Weite Felder im Vordergrund, Schornsteine im Hintergrund. In der Wiener Straße, dem Hauptverkehrsweg Richtung Osten, begannen große Gebäude die ebenerdigen Bauernhäuser abzulösen.

Seit dem Mittelalter sind in Stockerau Mühlen belegt. Eine steht mit der Sage von der Teufelsmühle in Zusammenhang, in einer anderen wurde am Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr Getreide gemahlen, sondern Holzmehl hergestellt. Man brauchte es zur Produktion von Linoleum, Papier und Pappe. Auch das Gewerbe kommt bei den Darstellungen nicht zu kurz. Auf der Werbekarte eines Uhrmachers heißt es, er "repariert jede Uhr für 90 Kr. und führt alle Fahrrad-Bestandteile". Ein Bürgermeister, der eine Kerzen- und Seifenerzeugung betrieb, stellte sich mit seiner Belegschaft vor dem Geschäft dem Fotografen. Im Stadtzentrum gab es elegante Cafés mit Billardtischen. Idyllisch wirkt hingegen das Riesenkarussell samt Publikum bei einem Gasthaus.

Sehr wichtig waren für die Stadt die beiden Kasernen. Die ältere aus dem 18. Jahrhundert zählte zu den größten der Monarchie und war mit der Familie des Dichters Nikolaus Lenau verbunden. Die Bedeutung als Schulstadt begann ebenfalls im 18. Jahrhundert. Damals errichtete die Witwe eines Marktschreibers eine Stiftung zugunsten des Stockerauer Schulwesens. In der Folge entstanden großzügige Unterrichtsgebäude, wie die "Landes-Unterrealschule", die als Realgymnasium, Bürgerschule, Volksschule, Hauptschule und Neue Mittelschule dient(e). In den 1920er und 1930er Jahren bestand eine "Waldschule". Volksschüler wurden in der freien Natur unterrichtet; Turnübungen und Anschauungsbeispiele sollten das Lernen interessanter gestalten. Heute steht die ehemalige Freiluftschule Gruppen und Schulklassen für waldpädagogische Erlebnis- und Fachführungen im Naturschutzgebiet Stockerauer Au zur Verfügung.