Marie-Theres Arnbom: Die Villen vom Attersee#
Marie-Theres Arnbom: Die Villen vom Attersee. Wenn Häuser Geschichte erzählen. Amalthea Signum Verlag Wien. 288 S., ill., € 25,-
Nicht nur der heuer besonders gefeierte Gustav Klimt (1862-1918) fand hier Inspiration "in der Landschaft, den Häusern, dem See, in Wiesen und Wäldern". Zu seinen eindrucksvollen Bildern zählt eines aus dem Jahr 1912: "Allee zum Schloss Kammer". Hinter den mächtigen dunklen Kronen der Alleebäume markiert ein Teil der Schlossfassade den Kontrast. Das Gemälde bildet den Einstieg zum ersten der 33 Kapitel, die sich Villen am Attersee und ihren oft vergessenen Bewohnern widmen, wie Emmerich Jeszenszky und Eleonora Fischer, geb. von Mendelsohn. "Ein ungarischer Rittmeister und eine Berliner Schauspielerin, die am Anfang dieses Buches stehen und zugleich symbolisch sind. Auch Kammer gehört zu dem Netz aus zahlreichen Querverbindungen und unsichtbaren Fäden kreuz und quer über den See … Eine geschlossene Gesellschaft, die jedoch offen ist für neue Begegnungen. Die bunte Mischung umfasst Industrielle und Komponisten, Diven und Schriftsteller, verliebte Herren und exzentrische Damen, Ärzte und Theaterleute, Erfinder und Frauenrechtlerinnen."
Nur rund ein Jahrhundert umfasste die große Zeit der VillenbesitzerInnen und noblen Sommergäste an einem der schönsten Seen Österreichs. Viele Eigentümer waren Juden und verloren ihren Besitz in der NS-Zeit. Die Historikerin Marie-Theres Arnbom beschreibt nicht nur Glanz und Glamour, sondern auch dieses dunkelste Kapitel. Karten am Beginn und Ende des Buches erleichtern die Orientierung auf den sechs Entdeckungstouren, vier zu Fuß und zwei per Schiff.
Von Kammer-Schörfling geht es zunächst ein Stück nordwärts nach Seewalchen, in das Anwesen von Elsa Marmorek. Ihre "Waldvilla", jetzt öffentliches Strandbad, war "ein fröhliches und mondänes Zentrum der Seewalchener Sommerfrischengesellschaft."Unweit davon hatte "die Ringstraßenarchitektur Einzug ins Salzkammergut gehalten." Architekt Friedrich Paulik, der Innenausstatter vieler Palais an Wiens Prachtstraße, baute sich am See seine "Visitenkarte". Zu den illustren Gästen der Familie zählte u. a. Gustav Klimt. Ebenfalls in der Marktgemeinde besaß Max Schmidt, Möbelfabrikant und Kunstsammler, der der Stadt Wien seinen Besitz in Pötzleinsdorf samt Schloss und Park vermachte, zwei Villen. Mit einer wollte er das oberösterreichische Stift Schlägl bedenken, das aber das Erbe nicht antrat.
Die Entdeckungstour 2 führt nach Attersee zum 1886 etablierten Union-Yacht-Club und seinen Gründern. Sport und Gesellschaftsleben bestimmten das Leben in der Sommerfrische der Reichen und Schönen. Der dritte Spaziergang ist Unterach gewidmet. Ein Dutzend Stationen, nicht weniger als neun in der Jeritzastraße, hat die Autorin ausgewählt. 1929 erwarb die Opernsängerin Maria Jeritza mehrere Häuser im Ort, der ihr die Ehrenbürgerschaft verlieh. Schon zu Zeiten der Monarchie war es üblich gewesen, dass die Sommergäste an Kaisers Geburtstag Benefizveranstaltungen für die Dorfkinder organisierten. Da sich unter den Verantwortlichen namhafte KünstlerInnen befanden, waren Interesse und Erlös entsprechend groß. Weißenbach, ein Ortsteil von Steinbach, der größten Gemeinde im Bezirk Vöcklabruck, (Tour 4) machte dabei dank der Burgschauspielerin Charlotte Wolter keine Ausnahme. Sie gilt als Entdeckerin von Weißenbach und dessen größte Wohltäterin. Sie veranstaltete Sommerfeste zu Gunsten der Steinbacher Kinder, finanzierte die Verschönerung der Kirche und bedachte die Armen großzügig in ihrem Testament.
Die Entdeckungstouren Attersee Nord und Attersee Süd sind als Schifffahrt angelegt. "Nord" umfasst nach Kammer die Insel Litzlberg und den Ort Attersee. Auf der Rundfahrt "Süd" macht man Bekanntschaft mit Nussdorf, Unterach, Burgau, Weißenbach und Steinbach. Der Name dessen Ortsteils Forstamt deutet ein eigenes Flair an: "… in der Realität bietet das Gelände einen wunderbaren Blick über den See und vor allem auf das in der Abendsonne flammende Höllengebirge, ein unglaubliches Naturschauspiel. Gediegene Villen und Badeplätze mit alten Boots- und Badehäusern erinnern an die Sommergäste, die dies alles erschlossen haben." Zu ihnen zählte die Familie des Nähseidenfabrikanten Gütermann. Ihr Nachbar war der Industrielle Richard von Doderer. Sein Neffe Heimito schrieb die ersten Seiten des Romans "Die Strudlhofstiege" in dessen Villa. Für das Burgschauspieler-Ehepaar Hedwig Bleibtreu und Alexander Römpler sollte 1909 ein Refugium entstehen. Doch konnte es sich kaum an seinem "Denkmal der Liebe" erfreuen. Römpler starb bald nach Baubeginn, seine Frau schenkte die "Bleibtreu-Villa" im Ersten Weltkrieg einer Militärstiftung. Bis heute verbringen Bundesheerangehörige dort ihren Urlaub. Gustav Mahler kam zum Komponieren nach Steinbach. Weil ihm das 5-Zimmer-Appartement samt Küche und Speisesalon im Gasthof "Zum Höllengebirge" dafür zu wenig Ruhe bot, ließ er am See einen Musikpavillon errichten. 1896 schrieb er im "Komponierhäuschen" seine 3. Symphonie, über deren Geburtsstätte der Meister meinte: "Wer die Örtlichkeit nicht kennt, müsste sie fast erraten, so einzig ist sie in ihrer Lieblichkeit, wie geschaffen, den Anstoß zu einer solchen Inspiration zu geben."