Robert Haderer: Der Manhartsweg#
Robert Haderer: Der Manhartsweg. Entlang der alten Salz- und Eisenstraße von Krems--Stein nach Znaim. Verlag Berger, Horn 2018. 356 S., ill., € 29,90
Bernsteinstraße, Eisenstraße, Jakobsweg … sie kennt man. Aber wo ist der Manhartsweg?
Die Bildungslücke wird durch den vorliegenden Bild-Text-Band auf das Beste geschlossen. Der Manhartsweg verläuft, so erklärt der Untertitel, "entlang der alten Salz- und Eisenstraße von Krems-Stein nach Znaim". Mit rund 60 km Länge verbindet er Donau und Thaya. Neben der vielzitierten Bernsteinstraße bildete der Manhartsweg die wichtigste Nord-Süd-Verbindung durch Niederösterreich. In der Monarchie war er als Commerzstraße oder Böhmerstraße ein Begriff, heute als B 35.
Die Reise beginnt beim "Dreigespann der Städte Krems - Stein - Mautern". Überall findet der Autor neben Bekanntem viel Überraschendes. In der Mittelalterstadt Krems sind es die Fresken der Gozzoburg. Es handelt es sich um die (fast) einzigen monumentalen Wandmalereien des 13. Jahrhunderts nördlich der Alpen, die Szenen aus der seit der Antike bekannten Geschichte "Barlaam und Josaphat" darstellen. In die römische Antike verweisen die Stadtmauern und Türme von Mautern, vor 1800 Jahren "Favianis" genannt.
Die 2.Etappe führt von Krems nach Langenlois. In Gneixendorf befand sich Ludwig van Beethovens Sommerfrische ebenso wie der "Stalag XVII B", das größte Kriegsgefangenenlager der "Ostmark". Ein Beispiel für die Vielseitigkeit des Buches: Künstler werden ebenso gewürdigt wie historische Besonderheiten und die dunklen Seiten der Geschichte nicht vergessen. Diese gibt es auch in Hadersdorf am Kamp - aber zugleich eine Rarität: das älteste Musikinstrument Österreichs, eine 19000 Jahre alte Flöte aus dem Schienbein eines Rentieres.
Das 4. Kapitel trägt den Titel "der Pleckerte Weg von Strass bis Ebersbrunn". Hier begegnet man dem Phänomen der Roten Kreuze. Der Autor stellt verschiedene Spekulationen über diese Flurdenkmale nebeneinander und lässt das Ergebnis offen: "Ob nun vorchristliche Kultpfähle oder archaisch alte Landmarken, die "Roten Kreuze" werden weiterhin Rätsel aufgeben." Viel Interpretationsspielraum lässt auch der Alltag der Vorfahren. Das im 5. Abschnitt ("Von Strass im Strassertale bis Eggendorf am Walde") behandelte Freilichtmuseum "Germanengehöft Eslarn" begann vor 20 Jahren mit universitärer Forschung, inzwischen sind zahlreiche Reenactment-Elemente dazu gekommen. Ein Museum ganz anderer Art befindet sich im Geburtshaus des Heimatdichters und Priesters Joseph Misson (1803-1875) in Mühlbach. Er verfasste sein Bauernepos "Da Naz" in der inzwischen selten gewordenen Ui-Mundart.
Der 6. Teil, "Von Eggendorf am Walde bis Harmannsdorf" würdigt u.a. die Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner, die 1885 bis 1902 im Schloss Harmannsdorf lebte. Die Farben Gelb und Violett charakterisieren den 7. Abschnitt. Gelb steht für die k. u. k. Poststation in Maissau, deren Giebel nicht nur den Doppeladler, sondern auch den geheimnisvollen Zeitgott Chronos tragen. Violett wurde zum Symbol der "Amethyststadt am Manhartsberg". In der Eggenburger Bucht, der das 8. Kapitel gewidmet ist, hat die Brandung eines urzeitlichen Meeres vor 19 Millionen Jahren Quarzsand abgelagert. Muschel- und Schneckenschalen durchsetzen den berühmten Zogelsdorfer Kalksandstein. Seit dem Mittelalter und besonders in der Barockzeit schuf die Eggenburger Steinmetzzunft daraus berühmte Gebäude und Plastiken. Sie sind, wie Kalvarienberggruppen, in der Gegend zahlreich vertreten. Wer mehr über das maritime Sedimentgestein erfahren will, dem wird ein Besuch des Eggenburger Krahuletzmuseums und des Zogelsdorfer Steinmetzmuseums empfohlen. Solche Hinweise sind ein roter Faden des Buches, das den Lesern viele Anregungen bietet.
Das im umfangreichen 9. Kapitel vorgestellte Retzer Land, ist seit 1993 als "Kürbisland" bekannt. Traditionell enthält es Sehenswürdigkeiten wie die Retzer Windmühle oder den gotischen Schnitzaltar in Pulkau. Dazu kommt eine Reihe von Naturdenkmälern entlang des Manhartsweges: Höhlen, Felsgebilde, Kopfweiden, Trockenrasengebiete, seltene Fledermausarten und nicht zuletzt der "Heilige Stein" von Mitterretzbach. Der Schalenstein ist nur 275 m von der tschechischen Grenze entfernt und bildet den Beginn der 10. Wegstrecke. Diese führt u.a. nach Poppitz bei Znaim, den Geburtsort des Priesters Carl Postl (1793-1864), besser bekannt als Charles Sealsfield. Nachdem er die hier herrschenden Verhältnisse nicht ertrug und heftig kritisierte, fand er Ruhm und Heimat in den USA. Das Finale ist Znaim vorbehalten. Die Stadt an der Thaya bietet eine solche Fülle an Sehenswürdigkeiten, dass der Autor "nur eine kleine, subjektive Auswahl" vorstellt. Sie reicht von der romanischen Marienrotunde bis zur gründerzeitlichen Eisenbahnbrücke.
Auf mehr als 350 Seiten zeichnet Robert Haderer ein umfassendes Bild einer Landschaft. Er nähert sich seinem Thema mit Liebe und Sachkenntnis, hat nicht nur viel darüber gelesen, sondern alles selbst in Augenschein genommen, recherchiert und fotografiert. Die vielen schönen Bilder machen Lust, sich auf den Manhartsweg zu begeben - oder zumindest die Phantasie durch dieses gelungene Buch beflügeln zu lassen.