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Massimo Listri: Die schönsten Bibliotheken der Welt#

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Massimo Listri: Die schönsten Bibliotheken der Welt. Text: Georg Ruppelt, Elisabeth Sladek. Taschen Verlag Köln. 560 S. 29 x 39,5 cm, ill., Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch. € 150,-

2018 feiert die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) ihren 650. Geburtstag. Die Jubiläumsausstellung präsentiert(e) monatlich eines von zwölf ausgewählten kostbaren Stücken aus der "Schatzkammer des Wissens". Darunter das Evangeliar des Johannes von Troppau (Prag 1368), das als Gründungskodex der ÖNB gilt. Weitere einzigartige Objekte sind die Alraunen aus der Kunstkammer Kaiser Rudolf II. (um 1600) und die Tabula Peutingeriana (um 1200). Die mittelalterliche Kopie der antiken Straßenkarte aus dem Besitz Prinz Eugens zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Das Programm Memory of the World (MoW) listet wertvolle (Bibliotheks-)bestände auf, die das kollektive Gedächtnis der Menschheit in rund 100 Staaten repräsentieren, seit 1992 wurden etwa 350 Objekte eingetragen.

Einige von ihnen sind im Prachtwerk "Die schönsten Bibliotheken der Welt" vertreten, das 55 "Kathedralen des Wissens" vorstellt. Der Bildautor Massimo Listri ist für seine großen Fotoreportagen von noblen Palästen, ungewöhnlichen Villen und historischen Bauwerken aller Epochen bekannt. Seit seiner Jugendzeit publiziert er in Zeitschriften und 70 Fotobänden internationaler Verlage. Außerdem zeigt der italienische Fotograf die außergewöhnlichen Bilder in Ausstellungen von New York bis Moskau, kürzlich auch im Kunsthistorischen Museum Wien. Gekonnt inszeniert er nicht nur endlose Bücherreihen und architektonische Details, sondern hat immer auch einen Blick für das Spezielle. Den menschenleeren Saal der Vatikanbibliothek scheinen die Benützer soeben verlassen zu haben, während die aufgeschlagenen Folianten wie zufällig die Tische des Lesesaals zieren. In einer englischen Privatbibliothek steht ein Samtsofa mit Seidenkissen bereit, auf dem es sich der Schlossherr zum Lesen bequem machen kann. In Lima sind die Zeilen der aufgeschlagenen Missale gestochen scharf zu sehen. Littris Bilder faszinieren, sie atmen den speziellen Geist dieser heiligen Hallen.

Schriftsteller und Philosophen haben Bibliotheken mit dem Paradies verglichen, sie Himmel auf Erden oder Kapital genannt, von dem die Menschheit profitiert, schreibt Georg Ruppelt. Der Historiker und Bibliotheksdirektor referiert im einleitenden Essay Entstehung und Geschichte des Bibliothekswesens von der Antike bis zur Gegenwart. Er verweist auf die Gefahren, die den Beständen durch Brände, Kriege, Diebstahl oder Bücherverbrennungen drohten und zeigt sich optimistisch für die Zukunft, die von der informationstechnischen Revolution geprägt wird. Bücher wie dieses stellen Verlage vor besondere Herausforderungen. Der auf Prachtbände spezialisierte Taschen Verlag hat sie in bewährter Weise gelöst. Die dreisprachigen Textteile (englisch, deutsch, französisch) sind harmonisch layoutiert und mit historischen Beispielen aufgelockert.

Die Bildteile in brillanter Wiedergabe profitieren vom Format A2. Der erste umfasst Südeuropa. Hier fand der Fotograf die meisten Motive, 17 Bibliotheken in Italien, je zwei in Spanien und Portugal. Jedem Bild- folgt ein Textteil, den Elisabeth Sladek verfasste. Die Autorin studierte in Wien und spezialisierte sich auf die Kunst und Architektur des Barock. Die Kunsthistorikerin ist in Wien, Rom und Zürich in Forschung und Lehre sowie publizistisch tätig. In diesen Texten konzentriert sie sich auf das Wesentliche: Entstehung, Historie und Kunstgeschichte. Meist reicht eine Doppelseite im Halbbogenformat. Der Bibliothek im Escorial ist mehr Platz gewidmet. Der Habsburger Philipp II. ließ die Klosterresidenz als Herrscher über ein weltumspannendes Reich im 16. Jahrhundert errichten. Ein Kernstück sollte die zentrale Nationalbibliothek werden, eine der reichsten und modernsten ihrer Zeit. Die Freskendekoration des Gewölbes nimmt auf Michelangelos Sixtinische Kapelle Bezug. Bei der Eröffnung füllten 4000 Werke mit vergoldeten Einbänden die edlen Wandschränke, darunter der Codex Aureus Escorialensis (Speyerer Evangeliar) aus dem einige Seiten im Textteil reproduziert sind. Die nach der ersten Jahrtausendwende entstandene Pergamenthandschrift zählt zu den Hauptwerken der ottonischen Buchmalerei. Einst im Besitz Kaiser Maximilians I. kam sie an Philipp II., der sie in seine königliche Bibliothek im Escorial einfügte.

"West- und Nordeuropa" ist durch Irland, England, Frankreich, den Niederlanden und Schweden vertreten. "Als größte Bibliothek des Landes ist die Trinity College Library mit ihren fünf Millionen Bänden nicht nur ein Wahrzeichen der Schriftkultur Irlands", charakterisiert Elisabeth Sladek diese Schatzkammer des Wissens. Sie verwahrt die berühmten frühmittelalterlichen Kodices "Book of Kells" und "Book of Durrow", die mit ihren prächtigen Illustrationen Zeugnis von der Kunst der Skriptorien in den Inselklöstern ablegen.

Der nächste Abschnitt ist Zentraleuropa gewidmet. Acht deutsche, ein Schweizer (St. Gallen), zwei tschechische und sieben Österreichische Bibliotheken wurden dafür ausgewählt. Österreich ist durch die Stiftsbibliotheken Kremsmünster, Admont, Melk, Seitenstetten und Zwettl, die ÖNB und die Universitätsbibliothek der Akademie der Bildenden Künste in Wien vertreten. Obwohl die staatliche Kunstakademie zu den ältesten Europas zählt (Peter Strudel gründete sie 1692 im Strudelhof, 1705 wurde sie in ein kaiserliches Institut umgewandelt), zählt die Bibliotheksarchitektur der Akademie zu den jüngsten, die das Buch beschreibt. Der Ringstraßenarchitekt Theophil Hansen plante den Neubau auf dem Schillerplatz. Die Bibliothek und ihre grafische Sammlung boten einzigartiges Anschauungsmaterial für die damals zeitgenössische Kunst. Hansen baute einen großen Lesesaal in klassischen Formen. Das Foto zeigt den Raum mit nostalgischen grünen Tischlampen und Thonetsesseln. Hier scheint die Zeit still zu stehen.

Im letzten Kapitel lernt man Amerikas Bibliotheken kennen. Die Vereinigten Staaten, Mexiko, Brasilien und Peru sind mit je einem bzw. zwei Beispielen vertreten. Die Privatbibliothek des Bankiers und Kunstsammlers John Pierpont Morgan entstand um 1900 in New York, seit 2006 steht sie erweitert als Morgan Library & Museum der Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie besitzt eine hervorragende Sammlung von Manuskripten, Papyri, Inkunabeln, illustrierten Büchern, Musikautographen und Graphiken. So lädt das Buch zu einer Zeitreise durch die Architektur vom Barock bis ins 20. Jahrhundert ein. Die als Faksimiles vorgestellten Bände reichen noch viel weiter zurück. Im Original wird man sie selten zu sehen bekommen. Das Werk vermittelt den Zauber der Bibliotheken, über die der Theologe Johann Christoph Stockhausen anno 1771 schrieb, sie seien "wohl angelegte Gärten, wo uns bei jedem Schritte neue Blumen aufsprießen, die die Gegend verschönern."