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Désirée Vasko-Juhász: Die Südbahn#

Bild 'Vasko'

Désirée Vasko-Juhász: Die Südbahn. Ihre Kurorte und Hotels. Böhlau Verlag Wien. 415 S., ill., € 59,-

Seit 20 Jahren zählt die Semmeringbahn mit der sie umgebenden Kulturlandschaft zum UNESCO-Weltkulturerbe. In der Region wird das Jubiläum mit "großem Bahnhof" gefeiert. Es ist ein guter Grund, aber nicht der Anlass, für die Neuauflage des Standardwerks über die Südbahn und ihre Hotels.

Die "Eroberung der Landschaft" begann rund ein Jahrhundert vor der so betitelten Landesausstellung 1992 über das Semmeringgebiet. "Dass der Bau der Semmeringbahn, das herausragendste Ereignis der Geschichte des Ingenieurbaues im 19. Jahrhundert in Österreich-Ungarn, zeitlich mit dem Höhepunkt der Romantik zusammenfällt, ist kein Zufall," schreibt der Kunsthistoriker Mario Schwarz im einleitenden Essay. "Die große Idee des aufgeklärten Romantikers Erzherzog Johann von Österreich, den Norden und den Süden des österreichischen Kaiserstaates durch eine Bahnlinie zusammenzuschließen … war im Grunde der Versuch, eine romantische Utopie zu verwirklichen. " Nach einer Englandreise war dem vorausschauenden Habsburger die Bedeutung von Dampfmaschinen und Eisenbahnen als volkswirtschaftlicher Faktor klar. Zwei Jahrzehnte später begann die Armee mit dem Trassierungsprojekt der "Erzherzog-Johann-Bahn". 1843/44 plante Carl Ghega die endgültige Trassierung mit Schutzbauten, Tunnel und Brücken, die sich trotz aller technischen Fortschritte harmonisch in die malerische Landschaft einfügen. Der Erbauer der Semmeringbahn, Carl Ritter von Ghega (1802-1860) war Ingenieur, Architekt und Doktor der Mathematik.

Ermöglicht wurde der Bau durch die 1858 bis 1923 bestandene Südbahngesellschaft. Nach dem Inkrafttreten des Eisenbahnkonzessionsgesetzes bot sich eine finanzkräftige Gruppe - überwiegend französischer Bankiers unter der Führung von Anselm Salomon Freiherr von Rothschild - an, die 1857 bis Triest fertig gestellte Südbahn zu übernehmen. Das Wirtschaftsimperium der Südbahngesellschaft war eines der mächtigsten Privatunternehmen der Monarchie. Viele Erzherzöge zählten zu ihren Aktionären. Ghega hatte Studienreisen izu Gebirgsbahnen in den USA unternommen, als es in Österreich noch keine geeigneten Lokomotiven gab. Der 1854 eröffnete Abschnitt wurde 1848 begonnen und diente, nach der Revolution dieses Jahres, zugleich der Arbeitsbeschaffung. Auf dem 42 km langen Abschnitt zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag waren bis zu 20.000 Arbeiter gleichzeitig beschäftigt. Die Konzession der Südbahngesellschaft umfasste neben Bahnbau und Transport auch Hotels. "Zwischen Gletschern und Palmen" soll es außer den im Buch behandelten Häusern in Toblach/Dobbiaco, Abbazia/Opatja und Semmering weitere Südbahnhotels gegeben haben, so in Baden bei Wien, Graz, Laibach/Ljubljana, Rijeka/Fiume, Cilli/Celja, St. Peter/Pivka, Meran/Merano, Görz/Gorizia, Triest/Trieste.

Wenn auch der Semmering und seine Hotels den Schwerpunkt des vorliegenden Prachtbandes bilden, beschäftigt sich die Kunsthistorikerin Désirée Vasko-Juhász doch eingehend mit dem wirtschaftlichen und kulturellen Umfeld, Vorbildern und Vorgängern. In England entstanden den 1840er Jahren die ersten Bahnhotels, in den USA und Kanada erkannte man früh den Bedarf an großen Hotels entlang der neuen Verkehrsverbindungen. In Österreich gab es an der Westbahn und rund um Wien - etwa auf dem Kahlenberg, auf den eine Zahnradbahn führte - Bahnhotels. Schweizer Kur- und Berghotels dienten als Vorbilder. Mit "Hotels im Schweizer Styl" die sich durch dekorative Holzelemente auszeichneten, verband sich das Flair eines noblen Alpenkurorts.

Das erste Hotel der Südbahngesellschaft in Toblach im Pustertal (Südtirol) wurde 1878 im Schweizerstil mit elegantem Interieur errichtet. Bahn und Hotel machten Toblach "schließlich zur größten Fremden- und Sommerfrischestation des Landes Tirol." Bis zum Ersten Weltkrieg bot das Grand Hotel gekrönten Häuptern und prominenten Persönlichkeiten Unterkunft. Der "touristische Volltreffer" in den Dolomiten ermutigte die Südbahngesellschaft zu Hotelgründungen an der Adria. Davor hatte es in Abbazia/Opatija in der Kvarnerbucht nur einige Fischerhäuser gegeben. Die Gesellschaft entwickelte die Gegend mit immensem Aufwand zu einem luxuriösen Kur- und Badeort für die Reichen und Schönen aus aller Welt.

Wie die Dörfer an der Adria war der Semmering vor dem Bahnbau fast unbewohnt und kaum von Touristen besucht. "Vergnügungszügler", die Baustellen von Bahn und Tunnels besichtigten, fanden in der Nähe keine Verpflegungs- und Übernachtungsmöglichkeiten. In den 1850er Jahren begann der Kurtourismus in den östlichen Teilen der Semmeringlandschaft. In Payerbach-Reichenau, baute der Wiener Ringstraßenarchitekt Heinrich Ferstel ein Landschloss für die Mitglieder des Kaiserhauses und der Bau von Villen nach Wiener Cottage-Vorbild setzte ein. Die "künstliche Enklave Semmering" entstand erst 1879. Die Fahrt mit der Bahn war ein Erlebnis an sich und verwegene Wanderer nützten sie als Ausgangspunkt für ihre Bergtouren. Zu ihnen zählte der Wiener Hofbildhauer Franz Schönthaler (1821-1904), der u. a. die Staatsoper mit vergoldeten Schnitzereien ausstattete und die Kuppel der Rotunde bemalte. Der Dekorateur gilt als Entdecker des Semmerings und empfahl der Südbahngesellschaft den optimalen Bauplatz für ihr Hotel. Dieses entstand - auf 1000 m Höhe, 100 km von Wien entfernt - 1881/82 in nur 15 Monaten. Zwei Jahre später verfügte es mit zwei, wegen des Touristenansturms notwendig gewordenen Dependancen, über 160 Zimmer.

Villenkolonien nächst dem Stammhaus und in der Umgebung ließen nicht lange auf sich warten. Der frühere Restaurantpächter des Südbahnhotels, Vinzenz Panhans wurde 1888 zu dessen Konkurrenten, als er sein eigenes Hotelimperium gründete. 1913 erweitert, zählte das Grand Hotel Panhans zu den größten Anlagen auf dem Kontinent. Das Südbahnhotel war um die Jahrhundertwende sowie 1912/13 und in den 1930er Jahren, u. a. mit einem Festsaal und Kino, beträchtlich erweitert und modernisiert worden. Sein 350.000 m² großer Erlebnispark bot Möglichkeiten zum Sommer- und Wintersport. Arthur Schnitzler war unter seinen prominenten Gästen, während Peter Altenberg im "Panhans" logierte. KünstlerInnen siedelten sich auf dem Semmering an, wie Gustav und Alma Mahler oder Koloman Moser. Die von Adolf Loos geplanten Großprojekte kamen nicht zur Ausführung, erst 1930 baute er auf dem Kreuzberg die Villa Khuner, heute Hotel und "Loos-Pilgerstätte".

Ungewiss ist hingegen die Zukunft des Südbahnhotels und des "Panhans". Wahrscheinlich auch undurchschaubar, wie sich aus atuellen Meldungen schließen lässt. Die in der Denkmal- und Ortsbildpflege tätige Autorin machte schon 2005 einige Vorschläge zur Revitalisierung. 2018 kann sie von Initiativen des Semmeringer Kultursommers berichten, der das Südbahnhotel temporär wiederbelebt. Übrigens: Wer die abwechslungsreiche Fahrt auf der ersten Gebirgsbahnstrecke Europas mit ihren 16 Viadukten und 15 Tunnels erleben will, sollte sich beeilen. In weniger als einem Jahrzehnt werden die Passagiere 27 km im Basistunnel verbringen. Die Fahrzeit von Wien nach Graz soll sich dadurch auf knapp zwei Stunden verkürzen. Auf das einst gepriesene Landschaftskunstwerk und Naturerlebnis werden sie verzichten müssen.