Isebill Barta, Marlene Ott-Wodni, Alena Skrabanek: Repräsentation und (Ohn)Macht#
Isebill Barta, Marlene Ott-Wodni, Alena Skrabanek: Repräsentation und (Ohn)Macht.
Die Wohnkultur der habsburgischen Prinzen im 19. Jahrhundert - Kaiser Maximilian von Mexiko, Kronprinz Rudolf, Erzherzog Franz Ferdinand und ihre Schlösser. Mit Beiträgen von Alfred Benesch und Andreas Nierhaus. Band 38 der Publikationsreihe M MD der Museen des Hofmobiliendepots. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2019.748 S., ill., € 85,-
Normalerweise sind Adelssitze ein Spiegelbild der Macht - nicht so bei den habsburgischen Prinzen Maximilian, Rudolf und Franz Ferdinand. Ihr Schicksal war es, "in Gestalt Kaiser Franz Josephs I. - jeweils als Bruder, Vater und Onkel - lebenslang die Macht vor Augen zu haben, deren Teilhabe ihnen jedoch versagt blieb. Der Kaiser bezog sie nicht in die Regierungsgeschäfte ein," schreibt Isebill Barta. Sie folgert daraus, dass sich diese Ohnmacht in Sammelleidenschaft niederschlug. Der wissenschaftlichen Leiterin des Hofmobiliendepots - Möbelmuseum Wien und den Kunsthistorikerinnen Marlene Ott-Wodni und Alena Skrabanek, die am FWF-Projekt zur Wohnkultur der kaiserlichen Familie im 19. Jahrhundert geforscht haben, ist eine außergewöhnliche Publikation gelungen - ein seinem Thema adäquater Prachtband. Mit zahlreichen bisher unveröffentlichten Bildern illustriert, widmet sich das Werk erstmals im Detail der Bau- und Ausstattungsgeschichte der Residenzen und Jagdsitze der drei Habsburger in Österreich, Tschechien, Italien, Kroatien und Mexiko. Gemeinsam war den "exzellent ausgebildeten Männern in der zweiten Reihe des Kaiserhauses" wissenschaftliches Interesse, Fernreisen, die Vorliebe für historistische und orientalische Interieurs und das Bestreben, ihre Sammlungen museal zu präsentieren.
Maximilian (1832-1867), der spätere Kaiser von Mexiko, begann als 16-jähriger, historische Objekte zu sammeln. Sein erstes Stück war die Feder, mit der sein Onkel Ferdinand I. 1848 die Abdankungsurkunde unterschrieben hatte. Mit 17 kaufte Max ein Grundstück nächst Schönbrunn und ließ darauf nach seinen Vorstellungen ein mit Schnitzereien verziertes Blockhaus bauen. Da sich nach weniger als einem Jahrzehnt die "Herrschaft Maxing" als unverkäuflich erwies (auch der Hof wollte sie nicht erwerben), schenkte er sie der Gemeinde Hietzing. Möbel und Kunstgegenstände übersiedelten nach Triest. Der neue Wohnsitz des inzwischen in die Kriegsmarine eingetretenen Erzherzogs war die Villa Lazarovich samt Park, die er umbauen und opulent ausstatten ließ, obwohl sie nur gemietet war. 1856 erwarb er auf einer Landspitze bei Triest ein Areal für ein Schloss samt weitläufigem Park. Miramar, "das weiße Schloss am Meer", entspricht mit Turm und Zinnen dem romantischen Historismus. Farbbilder und historische Fotografien geben einen Eindruck von der üppigen Ausstattung, deren Fertigstellung Kaiser Maximilian nicht mehr erlebte. 1857 hatte er die belgische Prinzessin Charlotte geheiratet. Zwei Jahre später kaufte sie die Insel Lacroma in Dalmatien und schenkte sie ihrem Ehemann. Auf der "immergrünen Feeninsel" sollte ein romanisches Kloster zum Kaiserpalast ausgebaut werden. Auch dieses Projekt konnte der Besitzer nicht genießen. 1864 nahm er im guten Glauben, dass die Bevölkerung eine Monarchie gewünscht hätte, die Kaiserkrone von Mexiko an. Dort diente die ehemalige Residenz des spanischen Vizekönigs dem Kaiserpaar als Wohnsitz, südlich der Hauptstadt unterhielt es zwei Landsitze. Die drei Jahre in Mexiko waren durch blutige Kämpfe zwischen Monarchisten und Republikanern gekennzeichnet, die Maximilian gefangen nahmen und 1867 als Hochverräter erschossen.
Kronprinz Rudolf (1858-1889) war der lang ersehnte Sohn von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Von den Regierungsgeschäften ausgeschlossen, widmete sich der Thronfolger der Wissenschaft. Er veröffentlichte 40 ornithologische Publikationen, unternahm kulturhistorische Expeditionen und gab die Enzyklopädie "Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild" heraus . Das 397-bändige "Kronprinzenwerk" wurde erst nach seinem Tod abgeschlossen. Rudolf war ein begeisterter Waidmann. Für die Bärenjagd pachtete er ein Schloss in Rumänien. Im Herbst und Winter ging er der Auerhahn- und Gamsjagd in der Steiermark nach. Schon sein Vater hatte in Mürzsteg von den Ringstraßenarchitekten Johann Romano und August Schwendenwein ein Jagdhaus errichten lassen. Die Möbel waren aus dem seltenen, charakteristisch gemaserten Juniperusholz gefertigt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde aus dem kaiserlichen ein staatliches Eigentum, nach dem Zweiten der Sommersitz des Bundespräsidenten.
1886 erwarb Kronprinz Rudolf jenen Gutshof in Mayerling, den er als Jagdschloss adaptieren ließ, in wo er drei Jahre später sein Leben beendete. Im Schloss Laxenburg geboren, wuchs Rudolf in der Hofburg auf. Seine Junggesellenwohnung befand sich im Schweizertrakt. Die Interieurs, u. a. des orientalischen Zimmers, sind im vorliegenden Buch im Detail dokumentiert. Zu sehen sind auch Lagepläne und die Raumausstattung, bis zu den Stoffmustern. Die Heirat mit Stephanie von Belgien, 1881, erforderte eine Vergrößerung der Wohnung im anschließenden Leopoldinischen Trakt. Das nach der Hochzeit aufwendig eingerichtete Appartement in der Prager Burg bezeichnet die Autorin Alena Skrabanek als "Wohnsitz glücklicher Jahre". Sie hat herausgefunden, dass die Neuausstattung Gemeinderatsdebatten und Medienkritik hervorrief. Weniger die Höhe des Auftrags von 120.000 fl. war der Streitpunkt, als die Vergabe an die vermeintlich Pariser Firma Portois, durch die sich die einheimischen Industriellen zurückgesetzt fühlten. Marlene Ott-Wodni widmet sich dem "Schauplatz der Tragödie", dem Jagdschloss Mayerling. Das Kapitel bringt Pläne der Gesamtanlage vor und nach dem Umbau und Fotos der Möbel, von denen ebenfalls viele von Portois & Fix stammten. Das Inventar wurde teils verschenkt, teils verkauft, u. a. an den Hotelier Eduard Sacher. 70 Stücke sind im Bundesmobiliendepot - Möbelmuseum erhalten, ein Fauteuil sogar noch in der Originalbespannung. Der Umbau des Jagdschlosses zum Karmelitinnenkloster begann kurz nach dem Tod des Kronprinzen.
Der überwiegende Teil des Werkes ist Thronfolger Franz Ferdinand (1863-1914) gewidmet. "Generell war Erzherzog Franz Ferdinand ein sehr leidenschaftlicher und zielorientierter Mensch. So war er ein begeisterter Jäger genau so wie Architekturliebhaber und Denkmalpfleger. Um seinen Jagdfreuden nachgehen zu können, unterhielt er mehrere Jagdschlösser zwischen Tirol und Böhmen, die er alle aufwendig restaurieren und für seine Zwecke adaptieren ließ." Marlene Ott-Wodni betont, dass viele dieser Investitionen aus der Privatschatulle erfolgten, wie für das Jagdschloss Lölling in Kärnten und seinen Stammsitz Konopischt in Böhmen. Von einem Onkel hatte der Erzherzog die Domäne Chlumetz in Südböhmen geerbt. Von seinem Vater erhielt er Schloss Artstetten in Niederösterreich als Geschenk. Mit großem Engagement widmete sich der Thronfolger gleichzeitig der Sanierung des Marchfeldschlosses Eckartsau und seinem Wohnsitz im Belvedere. In den letzten Lebensjahren erwarb er ein Anwesen in Blühnbach (Salzburg) und baute nicht nur dieses, sondern auch die Schlösser in Artstetten und Ambras (Tirol) um. Im Zusammenhang mit dem Belvedere schreibt die Autorin: " Zwei Aspekte bestimmten sein Handeln: Franz Ferdinand war begeisterter Denkmalschützer und er war ein leidenschaftlicher Sammler." Er fungierte als Protektor der Zentralkommission (Vorläufer des Bundesdenkmalamts) und bevorzugte die historische Hofburg gegenüber dem Großbauprojekt Neue Burg. Bei der Einrichtung bevorzugte er jene Stile, die ihm den Bauwerken am besten angemessen schienen, "zumeist ein späthistoristischer Mix aus der Formenwelt der Neorenaissance und des Neorokoko." Zeitgenössisches Kunstschaffen lehnte er ab, ohne auf technische Neuerungen zu verzichten. Dezent wurden elektrische Leitungen hinter Vertäfelungen versteckt, Aufzüge eingebaut und moderne Badezimmer installiert. "Repräsentation und (Ohn)macht" wird der Vielfalt und oft Widersprüchlichkeit des späten habsburgischen Bauwillens gerecht. Das neue Standardwerk vereint wissenschaftlich exakte Forschungsarbeit, unbekannte Bildquellen und bringt eine Fülle an Informationen, die für Experten wie für Nicht-Fachleute von großem Interesse sind. Besser kann man es sich nicht wünschen.