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Josef Bauer sen.: Stift Klosterneuburg - Gärten der Jahrhunderte#

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Josef Bauer sen.: Stift Klosterneuburg - Gärten der Jahrhunderte. Eine Zeitreise mit dem Stiftsgärtner. Kral Verlag Berndorf 2019. 160 S., ill., € 29,90

Anno 1133 gründete der Babenberger Markgraf Leopold III., das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg. Vermutlich ebenso lange bestehen dort Obst- und Gemüsegärten. Seit dem Mittelalter sind eigene Zier- und Lustgärten für den Propst, den Dechant und die Stiftsherren nachweisbar. 1471 genehmigte Kaiser Friedrich III. den Bau einer Wasserleitung aus dem 4 km entfernten Wolfsgraben, deren Rohre aus Holz bei Ausgrabungen entdeckt wurden. Kaiser Karl VI., der den Ausbau des Klosters als Herrschersitz plante, wollte auch einen Barockgarten anlegen, dessen Pläne vorhanden sind. Mit seinem Tod kam das Projekt zum Erliegen und wurde erst vom Biedermeierarchitekten Joseph Kornhäusel in vereinfachter Form wieder aufgegriffen.

Die Zeitreise mit dem Stiftsgärtner erstreckt sich über viele Jahrhunderte. Der Autor übte diese Funktion 1996 bis 2015 aus. Seine große Vision waren die "Gärten der Jahrhunderte". Sie sollten in ihrer ursprünglichen Form wiederbelebt und ein Konzept für die Gesamtanlage entwickelt werden. Das Buch stellt die Revitalisierung der Gärten in verschiedenen Stilen - vom Mittelalter über Renaissance, Manierismus, Landschaftsgarten bis zur Gegenwart - dar. Es versteht sich als Gartenfachbuch, beleuchtet aber auch den historischen Hintergrund. Das Werk bringt seltene Ansichten und Dokumente aus der Stiftsbibliothek, den Archiven des Klosters und der Stadt. Die gestochen scharfen Vogelschaupläne aus den Jahren 1690, 1722 und 1757 erleichterten die Rekonstruktionen und geben Einblick in die Vergangenheit. Dominik Trat fotografierte hunderte ungewöhnliche Bilder von botanischen Raritäten und geheimnisvollen Räumlichkeiten, Drohnenflügen über das Stiftsareal und nächtlichen Gartenimpressionen.

Josef Bauer behandelt die 900-jährige Geschichte des Stiftes und seiner Grünräume in 20 Kapiteln. Über den ehemaligen Junioratsgarten erfährt man, dass er 1730 angelegt und 1846 umgestaltet wurde. Um 1900 erhielt er eine Kegelbahn, wo sich die Novizen aus Klosterneuburg und Herzogenburg an Sonntagnachmittagen bei Sport und Jause trafen. Der anschließende Teichgarten ist die jüngste landschaftsplanerische Intervention. Er versteckt gekonnt die Tiefgarage und das Fernheizwerk. Ein neuer Zugangsweg führt zur revitalisierten Sala terrena als Besucherzentrum. Der größte Garten auf dem Stiftsareal ist mit Grasbändern und Beeten in Lilienform - als Symbol der Chorherren - angelegt. Der Konventgarten, der zur Meditation und Rekreation diente, entstand in der Biedermeierzeit nach Plänen des prominenten Gartenarchitekten Konrad Rosenthal als englischer Landschaftspark. Im Lauf der Zeit verwilderte die 1300 m² große Anlage, in der sich seltene Gehölze aus der Entstehungszeit erhalten haben, wie eine Buchsbaumgruppe, ein Bambuswald und ein Ginkgobaum. Ihre Revitalisierung war das größte Anliegen des Stiftsgärtners. Nach der Beseitigung von Abfällen und Kriegsrelikten gelang ihm die Wiederherstellung der romantischen Schattengrotte und des Jakobsbrunnens mit Fontänen.

Auch die Orangerie, ein Werk des Stararchitekten Joseph Kornhäusel, erhielt ihren alten Glanz zurück. Schon zum Abbruch bestimmt gewesen, bietet sie seit 1998 die perfekte Kulisse für die Orchideenausstellung. Dann ist auch das einzig erhaltene Stadttor Klosterneuburgs, das Wassertor, geöffnet. Vor der Donauregulierung führte es direkt zu einer Schiffsanlegestelle. Im Wassertorhof, einem gotischen Gebäudeteil, entstand auf 350 m² das "Mittelaltergärtchen" mit Laubengängen und Pflanzen, die damals Verwendung fanden. Der gleichen Zeit nachempfunden ist die Gestaltung des Pfistererstiegenhofs. Hier wurden nach historischem Vorbild Hochbeete aus Weidengeflecht gebaut und mit Gemüse, Kräutern und Zierpflanzen bestückt. Der Leopoldihof gilt als "Keimzelle", denn der Heilige Leopold baute in der Ecke des Römerlagers seine Pfalz. Mit der Ankunft der Augustiner-Chorherren im 12. Jahrhundert bildete der Hof den inneren Bereich ihres Klosters. Von den Bauteilen aus dem 11. bis 17. Jahrhundert sind der spätgotische Erker des heutigen Stiftsarchivs und der Leopoldibrunnen aus der Renaissancezeit besonders markant. Die gärtnerische Auszier orientiert sich an Vorbilden aus Renaissanceschlössern, wie Knotenbeete und geschwungene Taxussäulen. Eine spitzbogige Durchfahrt leitet zum Feuerbrunnenhof über, der in ähnlicher Art neu gestaltet wurde.

Der Kreuzgang mit dem Brunnenhaus umschließt den fast quadratischen Kreuzgarten, der das Paradies symbolisiert. Das Bepflanzungskonzept greift auf die Tafelmalerei des Albrechtsaltars (um 1440) zurück, der aus der Wiener Kirche Am Hof in die Klosterneuburger Sebastianikapelle gelangte. Prälatengarten und Dechantsgarten liegen, nicht öffentlich zugänglich, im Klausurbereich. Hingegen sind der Stiftsplatz - mit der 10 m hohen gotischen Lichtsäule - und der Stiftskellergarten für große Besucherzahlen ausgelegt. Dies trifft vor allem auf die Zeit der Orchideenausstellung zu, der im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Im Zweijahresrhythmus bewundern zehntausende Gäste in der Orangerie und einem Zelt über dem Vorplatz internationale Pflanzenraritäten.

Zu den floristischen Höhepunkten zählen neben den Dekorationen in der Basilika und im Kaisertrakt der Schmuck der päpstlichen Nuntiatur, anlässlich des Papstbesuchs 1988, und jener für die Außenministerkonferenz, die 2006 im Stift zu Gast war. Am Ende stehen ein Blick hinter die Kulissen und der Lebenslauf des Autors. Josef Bauer sen., Jahrgang 1946, ist der Sohn des Bischofsgärtners von St. Pölten, dessen Amt er nach der Meisterprüfung übernahm. Er war zudem einer der ersten Floristenmeister Österreichs und selbst in der Ausbildung tätig. 1996 wechselte Josef Bauer als Stiftsgärtner nach Klosterneuburg, wo er seine Träume verwirklichen konnte, Menschen für die Natur zu begeistern. Man sollte es nicht bei der Lektüre dieses beachtenswerten Buches belassen, sondern das hoch über der Donau gelegene Stift vor den Toren Wiens besuchen und seine vielfältigen Angebote nutzen.

hmw