Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Ernst Bruckmüller: Österreichische Geschichte#

Bild 'Bruckmüller'
Ernst Bruckmüller: Österreichische Geschichte von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2019. 692 S., ill., € 45,-

Die Österreichische Geschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart auf knapp 700 Seiten umfassend darzustellen, schafft nur ein Historiker vom Format eines Univ. Prof. Bruckmüller. Im Vorwort geht er auf "Das Problem einer österreichischen Geschichte" ein. Der Vorsitzende des Instituts für Österreichkunde schreibt: " 'Österreichische Geschichte' ist zunächst einmal die Geschichte des Gebietes der Republik Österreich. Diese existiert in der heutigen Form aber erst seit 1921 und wieder seit 1945. … Der Blick zurück auf die österreichische Geschichte soll bewusst machen, dass diese immer schon eine eminent 'europäische' war. Stets war man hier eingebunden in alles, was Europa betraf." Das Werk geht nicht nur auf die "große" Geschichte der Herrscher und Kriege ein. Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte, das Spezialgebiet des Autors, ist ebenso prominent vertreten wie die Kultur- und Geistesgeschichte.

Ein typisches Bild steht jeweils am Beginn der elf Epochen, als erstes die Venus von Willendorf. Die Statuette aus der Wachau wird um das Jahr 25.000 v. Chr. datiert, von manchen Forschern noch früher. Die ältesten menschlichen Spuren in Österreich - in der Repolusthöhle bei Peggau in der Steiermark - reichen 250.000 Jahre zurück. Das 1. Kapitel beschreibt die Entwicklung von der neolithischen Revolution bis zum Regnum Noricum und endet mit der Völkerwanderung.

Der Tassilokelch aus Kremsmünster charakterisiert "Das frühe Mittelalter" (2). Als man das vergoldete Kupfergefäß um 770 für den liturgischen Gebrauch anfertigte, wurden wichtige Klöster, wie Nonnberg, Mondsee, Innichen und Mattsee, gegründet. Herzöge und Herren machten den Bistümern und Klöstern überaus reiche Schenkungen. Salzburg wurde Bischofssitz, der exzeptionelle Tassilo-Kelch dürfte dort entstanden sein.

Die Einstimmung zu "Das Hochmittelalter" (3.) bildet ein romanisches Kruzifix aus dem Stift Melk. Zwischen 1000 und 1250 entstanden Mönchsklöster, Chorherrenstifte, Ordensgemeinschaften und zahlreiche Pfarren. Der demographische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Wandel beschleunigte sich enorm. Hafer und Roggen als neue Getreidesorten lieferten Nahrung für Menschen und Tiere. Der schwere Pflug verbesserte die Bodenbearbeitung. Die sozialen Organisationsformen veränderten sich. "Eine wachsende Bevölkerung ermöglicht Arbeitsteilung. Arbeitsteilung erfordert Austausch. Austausch braucht Verkehrswege und Marktplätze. Auch die Städtelandschaft ist daher ein Produkt des Hochmittelalters."

Das Titelbild für den 4. Abschnitt "Das späte Mittelalter" ist das berühmte Portrait Herzog Rudolfs IV. Die Texte behandeln u. a. Herrschaft und Haus Österreich, Glanz und Krise des Spätmittelalters, die Gotik, Religion und Religionskritik, den Aufstieg der Stände, den Beginn der Bürokratie und die wirtschatliche Entwicklungen.

In Kapitel 5, "Die frühe Neuzeit", steht ein Portrait des römisch-deutschen Kaisers Ferdinand II. am Anfang. Als Leitbegriffe dienen Landstände, Reformation und Türkenkriege. Der große Krieg von 1618 bis 1648 brachte 30 Jahre Not und Zerstörung. Am Ende waren 30 Prozent der Häuser in Niederösterreich öde, im Waldviertel sogar 58 Prozent. Die verbliebenen Höfe waren ausgeplündert, Vieh, Bargeld und Hausrat verschwunden. Noch schlimmer war Böhmen verwüstet. "Hatte das Königreich um 1600 etwa 1,4 Millionen Einwohner, so waren es um 1650 nur mehr eine Million. Es dauerte etwa ein halbes Jahrhundert, bis sich die betroffenen Gebiete erholt hatten." Pest und Bauernkriege verursachten Not und Tod. Zudem wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Osmanische Reich gegen die Länder der Habsburger wieder aktiv. Die Jahreszahl 1683 ist in Wien untrennbar mit der "Zweiten Türkenbelagerung" verknüpft, und diese mit Prinz Eugen von Savoyen.

Doch nicht das Bild des "edlen Ritters" ziert das 6. Kapitel "Die Monarchia Austriaca im 18. Jahrhundert", obwohl sein Leben und Wirken ausführlich gewürdigt wird. Es ist ein Portrait Maria Theresias, das Martin van Meytens 1759 in Öl auf Leinwand anfertigte. Das 1713 erlassene Grundgesetz des Hauses Habsburg über die Unteilbarkeit der habsburgischen Länder und die Erbfolge, die Pragmatische Sanktion Kaiser Karl VI., ermöglichten ihr die Herrschaft. Die vier Jahrzehnte ihrer Regierung und das Vierteljahrhundert, in dem ihr Sohn Joseph II. Kaiser war, brachten eine Fülle von Reformen.

Die weiteren Jahre im "Kaisertum Österreich" (7.) von Franz II. bis zum Sturmjahr 1848 waren weitgehend vom "System Metternich" geprägt. Napoleonische Kriege, Wiener Kongress, Zensur, kulturelle Blüte, industrielle Revolution, aufkommender Nationalismus, Entstehung der "Zweiten Gesellschaft", der Problemstau, der zu den Aufständen des Jahres 1848 führte, fallen in diesen Abschnitt. Sein Titelbild zeigt Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich-Winneburg, den "Kutscher Europas".

"Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs" (8.) - der hier als 33-Jähriger dargestellt ist - und die Niederlage im Ersten Weltkrieg beendeten die Habsburger-Monarchie. Die folgenden Abschnitte - "Erste Republik und Diktatur 1918-1938" (9.) und "Die Herrschaft des Nationalsozialismus 1938-1945" (10.) nehmen als Zeitgeschichte breiten Raum ein. Das Kapitel "Die Zweite Republik" (11.) reicht vom Staatsvertrag bis zur Gesellschaft um die Jahrtausendwende. Als Titelbild fungiert ein Sgraffito, das die Dichterin Ingeborg Bachmann darstellt. Kultur ist neben Politik, Konsum, Produktion und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen ein wesentlicher Aspekt der abschließenden Erörterungen.

Seit seiner Habilitation vor mehr als 40 Jahren kann der Autor auf zahlreiche Publikationen verweisen. Trotzdem scheute er sich jetzt nicht, Neuerscheinungen und Forschungsergebnisse des Jubiläumsjahres 2018 zu berücksichtigen. Im Vorwort (vom Mai 2019) nannte Ernst Bruckmüller eine Aufgabe des Buches, "vereinfachende Geschichtsbilder in Frage zu stellen." Im Herbst dieses Jahres liegt nun das eindrucksvolle Standardwerk vor. Das Aufzeigen von Zusammenhängen, zahlreiche Karten und Tabellen ermöglichen eine neue Sichtweise auf Vergangenheit und Gegenwart. Man kann nicht oft genug darin nachschlagen.

hmw