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Ilse Friesen: Dürer-Almanach #

Bild 'Friesen'

Ilse Friesen: Dürer-Almanach. Bildbetrachtungen im Jahresverlauf. Verlag Berger, Horn 2019. 208 S., ill., € 39,-

Albrecht Dürer (1471-1528) schuf rund 1000 Zeichnungen, 200 Gemälde und Aquarelle, 250 Holzschnitte sowie 100 Kupferstiche und Radierungen. Dieser Almanach gibt Einblick in sein druckgrafisches Werk. Er kommt gerade recht zur großen Dürer-Ausstellung in der Albertina hat aber nicht direkt damit zu tun. Vielmehr hat Ilse Friesen Blätter aus den Graphischen Sammlungen des Stiftes Stams in Tirol ausgewählt, wo sie über die Werke des Meisters gearbeitet hat. Die Wiener Kunsthistorikerin und Theologin, die als Universitätsprofessorin in Kanada tätig war, hat sich für ihren Almanach eine besondere Zugangsweise ausgedacht: "Für jeden Monat wurde … ein Leitmotiv mit einem Themenbereich ausgewählt, wobei für jede einzelne der vier Wochen ein Dürer-Blatt mittels einer Bildinterpretation vorgestellt wird." Dabei erwies sich das Oeuvre des Künstlers als "wahre Schatztruhe und umfassende Fundgrube". Thematisch abgestimmte, meditative Farbfotos des Tiroler Naturschutzbeauftragten Werner Schwarz schlagen die Brücke zur Gegenwart.

Das Buch folgt dem Jahreslauf mit seinen Feiertagen. Es beginnt im Jänner mit "offenen Türen", deren Schutzgott der altrömische Janus war. Die Verbindung zu Albrecht Dürer ergibt sich aus dem Familienwappen, das er 1523 entwarf. Sein Vater stammte aus dem ungarischen Dorf Ajtos, wobei "ajtó" Tür bedeutet. Die Dürer-Türe führt in die vielschichtige Dürerwelt, die zahlreiche symbolische Deutungen eröffnet. Den Februar, in den der Fasching fällt, bringt die Autorin mit weltlichem Leben und Lieben in Zusammenhang. Als Bilder hat sie "Das ungleiche Paar", den "Spaziergang", tanzende Bauern und "Die Buße des Heiligen Chrysostomos" ausgewählt. Dieser Kupferstich, der die verstoßene Geliebte mit ihrem Kind ins Zentrum rückt, lässt sie als irdische Madonna erscheinen, während der büßende Heilige wie eine Randfigur wirkt. Der März, traditionell der Monat der vorösterlichen Fastenzeit, ist der "Großen Passion" gewidmet. Die Folge von zwölf Holzschnitten entstand 1497 bis 1510. "In diesen Darstellungen gelang es Dürer, die Vollendung seines technischen Könnens unter Beweis zu stellen und zugleich seine dynamische und dramatische Ausdruckskraft voll zu entfalten."

Bildmotive des April sind "Dürers viele Tiere". An die 100 Tierarten wurden von ihm dargestellt, exotisch-spektakuläre ebenso wie heimische Insekten. Auf dem großformatigen Kupferstich "Die Heilige Familie mit der Libelle" aus dem Jahr 1495 sitzt das namengebende Insekt rechts am Bildrand. Unten in der Mitte erkennt man erstmals das berühmt gewordene Monogramm AD. Wenige Jahre später stand der Künstler auf dem Höhepunkt seines Schaffens, wie auch der Kupferstich des Heiligen Eustachius zeigt. "Ein wunderbares Musterblatt über Tiere", das er mehrfach "als Beweis seiner Meisterschaft" verschenkte. Eine Fortsetzung des Themas Natur bietet die Auswahl der Bilder für den Monat Mai. Hier findet man "Maria mit der Meerkatze", "Die Flucht nach Ägypten", bei der sich eine religiöse Szene mit märchenhafter Exotik verbindet, "Nemesis" und einen "Heiligen Antonius" aus dem Spätwerk. Die Bildbetrachtungen des Monats Juni sind der antiken Götterwelt, legendären und phantastischen Inhalten gewidmet, die in der Renaissance aufgegriffen und mit christlichen Werten verwoben wurden. Sie gaben dem Künstler Gelegenheit, klassisch-ideale Körperproportionen ins Bild zu setzen, wie bei "Faulheit", "Meerwunder" und "Herkules", aber auch seiner vermutlich eigenen "Melancholie" Ausdruck zu verleihen.

Heilige Frauen sind das Thema im Juli: Veronika, Maria Magdalena und Anna mit ihrer Familie. Den August, dessen wichtigster Feiertag am 15. Mariä Himmelfahrt ist, bringt die Autorin mit dem "offenen Himmel", damit auch mit der Apokalypse in Zusammenhang. Diese, noch ganz der Spätgotik verpflichtete, Holzschnittserie mit 15 Darstellungen erschienen 1498 als Buch. Die Meditationen im September sind "Heil und Unheil, Drinnen und Draußen" übertitelt. Sie umfassen die Gregorsmesse ebenso wie Michaels Drachenkampf und den Schutzherrn der Humanisten, Hieronymus, den Dürer von allen Heiligen am häufigsten dargestellt hat.

Den Oktober lernt man unter dem Motto "Geschöpfe und Gestirne" kennen. Das Kapitel zeigt den Umweltschutz-Patron Sankt Franziskus, Christus als Sonnengott und erschreckende Holzschnitte zur Offenbarung des Johannes. Der Apokalypse-Zyklus setzt sich im November fort, auch Dürers berühmtestes Werk, der Kupferstich "Ritter, Tod und Teufel" findet sich im Monat der Toten. Versöhnlich endet das Jahr beim Thema "Begegnungen mit Engeln" und einigen der 19 Holzschnitte aus dem "Marienleben".

In ihrem Geleitwort zitiert Ilse Friesen eine Maxime von J.W. Goethe: man solle "alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen, und, wenn es möglich ist, einige vernünftige Worte sprechen." Sie hofft, mit diesem Almanach einen Beitrag dazu zu leisten - und das ist ihr vortrefflich gelungen.

hmw