Niederösterreich. 50 Spuren durch das Land#
Niederösterreich. 50 Spuren durch das Land. Hg: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Kunst & Kultur. Redaktion: Nadia Rapp-Wimberger, Astrid Göttche. Brandstätter-Verlag Wien 2019. 160 S., ill., € 30,-
Vor zwei Jahren erschien im Brandstätter-Verlag die Landeschronik "Niederösterreich. Eine Spurensuche " Auf 600 großformatigen Seiten mit informativen Texten und mehr als 1000 Bildern stellt sie Österreichs größtes Bundesland umfassend dar. Der Prachtband hatte nur einen Fehler. Das Gewicht von fast 5 kg machte die Lektüre "schwer".
Nun haben sich Herausgeber und Verlag zu einem neuen Werk entschlossen. Es geht nicht mehr um "Spurensuche", sondern 50 konkrete Spuren durch das Land. Dabei handelt es sich aber keineswegs um einen abgeschlankten Stehsatz, sondern um neue Texte der Kulturwissenschaftlerin Nadia Rapp-Wimberger und des ORF-Redakteurs Reinhard Linke. Selten findet man so viel Wissenswertes so prägnant formuliert. Dazu kommen ein sympathisches Grafikdesign (von Anais Horn) und perfekte Fotos. Dass man sie zum Teil aus der "Spurensuche" kennt, tut der Wirkung keinen Abbruch. Kompakten Überblick bieten die Informationsgrafiken und Zusammenfassungen bei jedem Kapitel.
Die 50 Spuren folgen neun Wegen. Auf jedem kann man Neues kennenlernen und Bekanntes wieder entdecken. In "Leben, Alltag und Traditionen" erfährt man zunächst, dass von den 201 Städten Österreichs mehr als ein Drittel in Niederösterreich liegen. Die "Vielfalt der Landschaft" wird ebenso vorgestellt, wie Kulinarisches, Leben auf dem Lande, heilige Stätten, alte und neue Bräuche. Da liest man etwa, dass der älteste liturgische Weihnachtsbrauch, das "Kindelwiegen", der seit 1162 belegt ist, nach genau 850 Jahren in Klosterneuburg seine "Wiederauferstehung" feierte.
Der zweite Weg führt in die Natur, in den letzten Urwald Mitteleuropas, den Rothwald im Mostviertel. Waldviertel, Wienerwald, Semmering, Wachau, Nationalparks und Sommerfrischen sind weitere der übersichtlichen Kapitel gewidmet. Wenn manches wirkt wie in einer professionellen Werbebroschüren erinnert, ist dieser Vergleich positiv gemeint. Texte und Bilder machen Lust, die Regionen zu besuchen. Den nächste Schwerpunkt bildet die Geschichte: Urgeschichte, Römerzeit, Babenberger, Habsburger, konfessionelles Zeitalter, Barock, die beiden Weltkriege und der Wiederaufbau sind Stationen auf dem Weg durch die Zeit. Die Gegenwart - charakterisiert durch St. Pölten als jüngste Landeshauptstadt Österreichs und die "Ostöffnung" 1989 leiten zum "Nachdenken über die Zukunft", beim Europa-Forum Wachau über.
Was "Die Kraft der Ideen" bewirken kann, wird an Wirtschaft und Gesellschaft deutlich. Waren es traditionell die Landwirtschaft, im 18. Jahrhundert Eisen, im 19. die Textilindustrie, stehen nun Energie und Infrastruktur im Mittelpunkt des Interesses. So kennt man "Berndorf" seit 1843 als Marke für Besteck, heute beschäftigt die Berndorf AG weltweit mehr als 3000 MitarbeiterInnen in Bereichen wie E-Mobilität, Roboter- oder Medizintechnologie. "Hidden Champions" des 21. Jahrhunderts sind Firmen, die weltweit erfolgreich agieren, aber der Öffentlichkeit kaum bekannt sind, weil sie keine Konsumgüter produzieren. Dazu zählen etwa unbemannte Helikopter der Wiener Neustädter Firma Schiebel. Ohne "Bildung und Forschung" wären keine Innovationen möglich. Systematisch Wissen zu schaffen, begann in den Klöstern des Mittelalters, die sich mit gelehrten Themen ebenso befassten, wie mit Krankenpflege oder Landwirtschaft. Derzeit verfügt Niederösterreich über 20 Landwirtschaftsschulen, deren AbsolventInnen sehr gefragt sind. Zu den neuen Forschungseinrichtungen zählen seit 2009 das Institute of Science and Technology Austria (IST) in Klosterneuburg, das Strahlentherapiezentrum MedAustron in Wiener Neustadt, der Campus Krems und außeruniversitäre Einrichtungen, wie der Wasser-Cluster Lunz, der Ökosysteme erforscht.
Bei aller Zukunftsorientierung ist das Archivieren eine grundlegende Aufgabe bei der Weitergabe des Wissens. Das erste Landesarchiv Niederösterreichs geht auf Kaiser Maximilian I. und das Jahr 1501 zurück. Seit 1997 befindet es sich, ebenso wie die Landesbibliothek, im Kulturbezirk des Regierungsviertels in St. Pölten. Last not least geht es um "Orte der Fantasie - Kunst und Kultur". Stichworte: Musik, Theater, Kunst, Literatur, Film, Landesausstellungen, Architektur. Ganz aktuell ist das Beispiel der Landesgalerie Niederösterreich. Das Gebäude in Form eines gedrehten Würfels bietet auf fünf Etagen 3.000 m² Ausstellungsfläche. Das Herzstück der Kunstmeile Krems wird Mitte 2019 eröffnet. Schließlich kann man nur der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner recht geben, wenn sie einleitend schreibt: "In den folgenden 50 Annäherungen entfaltet sich das reichhaltige Panorama des Landes Niederösterreich. Sie machen neugierig und regen zu eigenen Erkundungen an."