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Peter Becker - Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.): Wir waren Triumph#

Bild 'Triumph'

Peter Becker - Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.): Wir waren Triumph. Erinnerungen einer Region. Kral-Verlag Berndorf. 208 S., ill., € 29,90

In der Buckligen Welt vollzog sich für die Firma Triumph eine Erfolgsgeschichte. Das Engagement und die hochwertige Leistung der Arbeiterinnen, die dauernde Verbesserung der Produktionstechnologie und der Ausbau von Wiener Neustadt als Kompetenzzentrum für die gesamte Firma sicherten den Standort für mehr als 40 Jahre. Kreativität und Innovationsbereitschaft auf allen Ebenen gewährleisteten eine Produktion auf höchstem Niveau, schreibt der Herausgeber Peter Becker. Als Universitätsprofessor für Österreichische Geschichte betrieb er mit seiner Kollegin Brigitta Schmidt-Lauber, die das Institut für Europäische Ethnologie an der Universität Wien leitet, ein dreisemestriges Forschungsprojekt. Thema waren die Arbeits- und Lebenserfahrungen der MitarbeiterInnen des Unterwäschekonzerns.

Dessen Erfolgsgeschichte begann vor mehr als 130 Jahren. 1886 gründeten der Weber Johann Spiesshofer und der Kaufmann Michael Braun in Heubach (Baden-Württemberg) eine Korsettmanufaktur. Die Frau im Korsett folgte einem aristokratischen Schönheitsideal: Brust und Gesäß werden akzentuiert, Taille und Hüfte durch enge Verschnürung in Form in gebracht (Firmenhomepage). Bald betrieb die Firma, die mit sechs Arbeiterinnen begonnen hatte, Filialwerke in den umliegenden Orten. 1902 ließ sie ihr Warenzeichen im Handelsregister eintragen und exportierte kräftig. Die Hälfte der Ware ging nach Skandinavien und Großbritannien. 1914 hatte die Fabrik in Deutschland 2400 MitarbeiterInnen in 23 Betrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war "Triumph International" (seit 1953) der führende Unterwäschehersteller Europas. In Bayern entstanden zahlreiche Zweigbetriebe an der "Triumph-Straße". Als in Deutschland die Löhne stiegen, wandte das Unternehmen das Filialwerk-Modell in Nachbarländern an.

Der traditionelle Industriestandort Wiener Neustadt in Niederösterreich galt damals als "Notstandsgebiet". Jahrelang hatten Kriegszerstörungen und sowjetische Besatzung Investitionen verhindert. Nach dem Staatsvertrag förderte die Regierung Industrieansiedlungen "mit dem Ziel der Errichtung von Dauerarbeitsplätzen." Triumph gründete hier 1959 seine erste Niederlassung in Österreich. Bald entstanden weitere Werke In der Buckligen Welt, im Burgenland und in der Steiermark: 1960 in Aspang, Schattendorf und Rechnitz, 1961 in Hartberg und Oberpullendorf, 1962 in Oberwart, 1964 in Kirchschlag. 1989 beschäftigten sie fast 3000 MitarbeiterInnen. Auf billigem Baugrund planten deutsche Architekten standardisierte Nähstraßen mit einem hohen Grad an Automatisierung. Die Fabriken wirkten sich günstig auf die Infrastruktur aus. Gab es bisher nur Schotterstraßen, so war die Bucklige Welt 1972 "staubfrei". Die neuen Arbeitsplätze veränderten die Familien und hoben den Lebensstandard. Frauen konnten nun "mitverdienen", so wurden Hausbau, Auto und landwirtschaftliche Maschinen erschwinglich.

Die Erwerbsmöglichkeiten für Frauen im ländlichen Raum waren in den 1960er Jahren äußerst begrenzt. Ausschlaggebend dafür waren sowohl wirtschaftliche, politische als auch soziale Einflussfaktoren, stellt Ines Oberngruber in ihrem Beitrag fest und zitiert eine Pensionistin, die wie damals viele Mädchen mit 15 Jahren in die neue Fabrik eintrat: Nach meiner Pflichtschulzeit gab's nix anderes … eine Lehrstelle war nicht zu bekommen. Es herrschten die traditionellen Vorstellungen von "weiblichen" und "männlichen" Tätigkeiten. Noch 1971 hatten drei Viertel der Frauen nur die Pflichtschule abgeschlossen, bis 1975 musste der Ehemann seiner Frau erlauben, arbeiten zu gehen. Es war ganz normal, dass die Eltern gesagt haben, du brauchst eh nix lernen, weil du heiratest eh bald. Solcherart war die angelernte Arbeit als Näherin eine gute Überbrückung, ermöglichte ihnen ein eigenes Einkommen und tat dem Selbstbewusstsein gut. Nach einer kurzen Einschulung waren die Arbeiterinnen in den Produktionsprozess integriert. Die große Anzahl an Kolleginnen, der Fabriklärm und die Akkordarbeit schüchterten die jungen Frauen anfänglich ein. Firmen mit einer so großen Belegschaft waren im ländlichen Raum ungewohnt. … Hoher Zeitdruck prägte den Arbeitsalltag in den Triumph-Filialen. Dazu kam die Doppelbelastung der Ehefrauen und Mütter. Andererseits ermöglichte die Arbeit soziale Kontakte außerhalb der Familie - und wirkten sich positiv auf das Betriebsklima aus.

Die spezielle Unternehmenskultur in der "Triumph-Familie" wurde vor allem vom ersten Betriebsleiter geprägt. Ignaz Längle kam vom Vorarlberger Wäschehersteller Huber Trikot, wo auch seine Frau Gabriele in leitender Stellung tätig war. MitarbeiterInnen schildern Längle, der 1959 bis 1992 als Generaldirektor in Ostösterreich fungierte, als "geradezu charismatischen Menschen" und "Mensch mit Handschlagqualität". Sozialleistungen wie Firmenbusse, Werksküche und Feste, vor allem aber der persönliche Kontakt und Anerkennung waren wesentliche Elemente seines Managements. Für Langgediente gab es Ehrungen und Prämien. Zehn, 25 oder 40 Dienstjahre waren keine Seltenheit. Die Weihnachtsgeschenke suchte Gabriele Längle selbst aus. Stets war es etwas Persönliches, "an das man sich erinnert". (Später bekamen die Arbeiterinnen Gutscheine für jene Waren, die sie selbst genäht hatten). Mit Längles Pensionierung endete das harmonische Betriebsklima. Ein Mitglied der deutschen Besitzerfamilie übernahm die Leitung. Den Junior hätten nur die Zahlen interessiert, erinnerte man sich. Ignaz Längle starb 2012, als auch die Produktion der Firma Triumph International in der Buckligen Welt und im Burgenland endete.

Sie war ein Zeitphänomen der 1960er bis 2010er Jahre, zwei Generationen von Frauen fanden industrielle Arbeitsplätze in einer ländlichen Region. Die Verlagerung von Näharbeiten in Filialwerke rund um die Zentrale in Wiener Neustadt war eine Win-win-Entscheidung., schreibt Heidi Hasenzagel. Sie hat an den 20 biografischen Interviews ehemaliger "Triumphen" mitgewirkt, die über ihr Arbeits- und Familienleben jener Zeit berichteten. Strukturiert und kommentiert ergeben die Erinnerungen ein umfassendes Bild der Region. Außenstehende, Studierende wie LeserInnen, lern(t)en eine fremde Welt vor der Haustür kennen. Genau so wünscht man sich eine Geschichte des Alltagslebens im Wandel der letzten Jahrzehnte. Beispielgebend ist der klare Aufbau des Buches, das sich in drei Teile gliedert: Entwicklung und Expansion, Unternehmen und Produktion, Näherinnen und Arbeit. Zahlreiche alten und neuen Fotos sind sprechende Zeitzeugnisse. Sie zeigen Frauen beim Heuen, Holzsammeln, Ziegelfertigen und Hausbauen, mit dem Lohnerroller, bei Arbeit und Freizeitaktivitäten in der Fabrik. Viele Bilder hat das Unternehmen beigestellt, wie Fotos von Politikerbesuchen, aus der Firmenzeitung und Plakate mit Unterwäschemodels und "frechen Sprüchen". Schließlich kommt sogar eine Nobelpreisträgerin zu Wort: Elfriede Jelinek hat den Näherinnen der steirischen Wäschefabrik in ihrem Roman "Die Liebhaberinnen" (1975) ein kritisches literarisches Denkmal gesetzt.

hmw