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Martin Burger: Gehen auf alten Wegen#

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Martin Burger: Gehen auf alten Wegen. Auf den Spuren der Römer, Pilger und Händler durch Niederösterreich. Styria Verlag Wien - Graz. 192 S., ill., € 28,-

Eine prominente 350-jährige Landkarte bildet den roten Faden durch das Buch. 1670 schuf der Zeichner und Landvermesser Georg Matthäus Vischer die Niederösterreichkarte, auf der Martin Burger 30 Touren eingezeichnet hat, die er in seinem Buch beschreibt. Ist die unkonventionelle Publikation aus dem Styria Verlag ein Wanderführer, ein Kunstreisebuch, ein historisches Werk? Von jedem etwas, und noch viel mehr. Das Thema reicht weit in die Geschichte zurück. Es geht um Altwege, die teilweise schon in der Antike bekannt, doch lange Zeit vergessen waren. Der Autor hat einst belebte Fernstraßen, Pilgerrouten, Saumpfade und Heerwege wieder entdeckt: Viele sind, im Schatten von Autobahnen und Schnellstraßen, zu lokalen Verbindungen oder gar Feldwegen herabgesunken, andere scheinen nur noch als Flurnamen auf.

Bei seiner - im wahrsten Sinn des Wortes - Spurensuche folgte der langjährige "Kurier"-Redakteur Auffälligkeiten im Gelände, Hohlwegen und Feldzeichen, recherchierte in Urkunden, Landkarten und Grundbüchern und konnte in Niederösterreich 60 historische Fernverbindungen nachweisen. 15 davon beschreibt er in seinem jüngsten Buch, garniert mit 30 Ausflugstipps. Er teilt sie in sieben Regionen: Zwischen March und Manhartsberg, Zwischen Kamptal und Weinsberger Wald, Wiener Becken und Semmering-Gebiet, Wienerwald, Niederösterreichische Kalkalpen, Zwischen Tulln und Pielach, Zwischen Nibelungengau und Hainburger Pforte.

Das Buch beginnt mit der berühmtesten aller berühmten Altstraßen, der Bernsteinstraße, im Abschnitt von Stopfenreuth nach Lundenburg/ Břeclav. Die älteste bekannte Nord-Süd-Route durch Niederösterreich verband - unter Umgehung der Alpen - Ostsee und Adria. Sie existierte bereits in der Bronzezeit, erhielt aber erst im 19. Jahrhundert ihren etwas irreführenden Namen. Nicht nur das Luxusgut Bernstein wurde auf der "Hohen Straße" transportiert, sondern auch Felle, Öl, Wein und Salz. Wie jedes der 15 Kapitel folgt das erste der Gliederung in historische Namen - hier u. a. Marchweg, Steinweg oder Hausbrunner Weg - historische Bedeutung, Alter des Weges, über Land gestern und heute, wo man die Bezeichnungen der Strecke im 18. und 19. Jahrhundert kennenlernt. Der Beschreibung der Wanderwege folgen noch Knoten im Altstraßennetz (Verlauf), Spezialthemen und fallweise Experten-Interviews. Vortrefflich illustriert werden die kurz gefassten Texte durch Ausschnitte der Vischer-Karte Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descriptio , ergänzt durch Distanz- und Höhenangaben, sowie stimmungsvolle Fotos, deren meiste vom Autor stammen. Zum Wandern an der Bernsteinstraße bietet er drei Möglichkeiten an: Die eineinhalbstündige Stopfenreuther Runde, den Hohenauer Gänsestrich, für den man zwei Stunden braucht, und einen mit viereinhalb Stunden veranschlagten Weg, der die tschechische Grenze überschreitet. An Spezialthemen bieten sich bei diesem Kapitel ein Exkurs über "das Gold des Nordens" und den böhmischen König und österreichischen Herzog Otakar II. Přemysl an. Ein Interview mit Friedel Stratjel, dem Doyen der Weinviertler Heimatforschung vom Museum in Bernhardsthal rundet das erste Kapitel ab.

Wer war überhaupt unterwegs? fragt Martin Burger, selbst Weitwanderer seit frühester Jugend. Er meint, dass nur wenige Menschen Anlass hatten, sich auf den Weg zu machen. Zu diesen zählten Handwerksgesellen auf der Walz, Kaufleute, Säumer, deren Pferde Waren trugen, oder Wallfahrer. Deren Via Sacra von Wien nach Mariazell folgt älteren Wegen. Die Straße durch die Triesting-Gölsen-Furche ist ein prähistorischer Fernweg. Er verbindet das Wiener Becken mit dem niederösterreichischen Zentralraum und der Eisenwurzen. … Dieser Teil der Via Sacra war aus der römerzeitlichen Straße hervorgegangen … Es war wohl kein Zufall, dass sich die Pilgerstätte an dem Ort entwickelte. Mariazell - 1243 als Cella erstmals urkundlich erwähnt - ist wegen der Magna Mater Austriae zum wichtigsten Wallfahrtsort Österreichs geworden. Nach der Gründungslegende war ein Mönch des steirischen Benediktinerklosters St. Lambrecht kurz vor Weihnachten mit der Gnadenstatue unterwegs, um eine Kapelle zu bauen. Ein Felsblock, der ihm den Weg versperrte, soll sich auf die Fürsprache Marias geteilt haben. Warum gerade hier? Das Kloster lag an einem uralten Handelsweg, der im Raum Mariazell ins Halltal abbog. In der Umgebung der Siedlung gab es Salzquellen und Holz in Hülle und Fülle. Ein guter Platz also. … Ab 1632 fanden Prozessionen statt.

Bis ins 19. Jahrhundert gingen die meisten Menschen zu Fuß über Land. … Ein gesunder, ausdauernder Fußgänger schaffte in der Ebene 30 bis 40 km am Tag. … Zu Pferde kam man 50 bis 60 km weit. … Der römische Stafetten- und Kurierdienst, cursus publicus genannt, kam auf eine Reisegeschwindigkeit von 300 bis 335 km am Tag. Als Expertin für antike Verkehrswege hat der Autor die Leiterin der Stadtarchäologie Wien, Karin Fischer-Ausserer, befragt. Sie verweist auf die unterschiedlichen Typen der römischen Straßen: Breite, gepflasterte Fernverkehrsrouten, an denen Meilensteine standen, Feld- und Karrenwege, Pfade. Die solide gebauten Durchzugsstraßen waren eine Errungenschaft der Römer. Nach deren Abzug wurden sie im Mittelalter weiter benutzt. So gibt das Nibelungenlied die wichtigsten Straßen und Städte Österreichs um 1200 wieder. Der im Epos beschriebene Weg war mit der römischen Reichsstraße nahezu ident, nur in der Wachau benutzten die Nibelungen eine Nebenstrecke durch den Dunkelsteiner Wald, hat der Autor herausgefunden. Die fast 300 km von Passau nach Wien ließen sich also in zehn Tagen abreiten, wenn man unterwegs die Pferde wechseln konnte. Im Nibelungenlied benötigt Markgraf Rüdiger vom Hof Etzels nach Worms zwölf Tage. Damit endet das aufschlussreiche Buch. Es will, so Martin Burger, auf hier beschriebene und weitere vergessene Wege locken; es gibt noch genügend Spuren zu lesen.

hmw