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Michaela Ernst: Error 404#

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Michaela Ernst: Error 404. Digitaler Wandel – Chancen und Risiken moderner Technologien. Ecowin Verlag Salzburg - München. 235 S., € 22,-

Der Titel des unterhaltsamen Sachbuches "Error 404" ist nur zu bekannt: Er entspricht der Meldung, die am häufigsten aufpoppt, wenn man sich gerade wieder einmal die Zähne an den Hindernissen des digitalen Paralleluniversums ausbeißt. Und er bedeutet: Page not found. Fehler! Zurück an den Start. Er symbolisiert das Dilemma einer Gesellschaft im Transitraum, in der die alten Erzählungen grobe Risse haben und die neuen sich noch nicht unter Beweis gestellt haben, schreibt Michaela Ernst. Geboren 1962 in Wien, Journalistin, Buchautorin, Chefredakteurin des Wirtschaftsmagazins "Sheconomy", hat vor einem knappen Jahrzehnt - damals Ressortleiterin des "profil" - gewaltige Veränderungen in ihrem Beruf erlebt und ein Fachhochschul-Studium begonnen. Als Thema der Masterarbeit wählte sie die veränderten Arbeitsbedingungen durch 4.0-Prozesse (sich selbst optimierende Automatisierungsprozesse in der industriellen Produktion).

Auf die - überraschenden - Ergebnisse dieser Studie bezieht sich Michala Ernst in ihrem jüngsten Buch. Sie gliedert es in 26 Kapitel von A wie Amtswege bis Z wie Zeitersparnis. Dabei lässt sie persönliche Erfahrungen, die wohl von vielen LeserInnen geteilt werden, ebenso einfließen wie grundlegende Informationen, etwa über Fachvokabel. Bei "Digitalisation" handelt es sich um "innovative Technologien, die digital verfügbare Inhalte kombinieren, um Prozesse zu optimieren." Damit verbunden ist beispielsweise die "schreckliche Vorstellung", dass internationale Konzerne die Personalauswahl mithilfe von Algorithmen bewerkstelligen. 65 Prozent der Deutschen ahnen nicht, dass bei der Personalauswahl künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Die 35 Prozent allerdings, die sich dessen bewusst sind, können mit ein paar einfachen Tricks ihre Lebensläufe optimieren.

Häufig stellt sich die Frage, ob die Umgestaltung der Arbeitswelt nicht mehr Jobs kostet als bringt. Die, stets um ein ausgewogenes Urteil bestrebte, Autorin zählt auch ihre Profession zu den "miesesten Jobs des Jahres 2019". Zeitungsjournalisten sind, nach einer amerikanischen Studie, ebenso wie Taxifahrer, Holzfäller, Lagerarbeiter oder Steuerberater eine aussterbende Spezies. 50 bis 70 Prozent der aktuellen Arbeitsplätze weltweit wären von Algorithmen oder Maschinen bedroht. Michaela Ernst teilt solche Ängste nicht mehr, seit sie ihre Interviews mit 160 Fabrikarbeitern abschloss. Diese gaben u. a. an, dass sie nun mehr Verantwortung, und damit Wertschätzung, als früher hätten (71 %), empfanden ihre Tätigkeit als sinnstiftend (76 %), und die Hälfte meinte, seit der Einführung von digitalisierten Arbeitsabläufen "mehr Spaß an der Arbeit" zu haben. Der Mechaniker wurde zum Mechatroniker, die Supermarktkassierin zum "Tech-Coach" für Kunden an der Selbstbedienungskassa. Immer werde es Bereiche geben, in denen dem technisch Möglichen Grenzen gesetzt sind. Zum Beweis zitiert die Autorin das Forschungsinstitut Fraunhofer Austria: Niemals wird ein Roboter ein Kinderzimmer aufräumen können, weil diese Aufgabe zu komplex ist. Abgesehen davon fehlen in Österreich 10.000, in Deutschland 124.000 Informationstechnik-Fachkräfte.

Bei ihrem alphabetischen Streifzug durch das oft befremdliche Land Digitalien hat die Autorin auch zu so seltenen Buchstaben wie Q oder Y spannende Beispiele gefunden. QR - ein Kästchen, das alles einfacher macht, aber mit Vorsicht zu genießen ist. Begonnen hat "Quick reponse" in Japan, wo ein Autohersteller Mitte der 1990er Jahre die grafisch gestalteten Quadrate zuerst zur Markierung von Komponenten in der Logastikabteilung, bald aber auch in der Werbung einsetzte. Inzwischen informieren QR-Codes über Museumsobjekte ebenso wie über die Qualität von Produkten, vom T-Shirt bis zum Wein.

"Y" steht für die Generation der Millenials, der Geburtenjahrgänge von Anfang der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre. Technik ist für sie fixer Bestandteil des Lebens, deswegen bezeichnet man sie auch als Digital Natives. Sie sind dauervernetzt, haben ein überdurchschnittliches Kommunikationsbedürfnis … Arbeit muss ihnen Spaß machen. …Bei der "Generation Z", also den Y-Nachfolgern spitzen sich all diese Forderungen und Eigenschaften nochmals zu: Nicht mehr Work-Life-Balance ist das Thema, sondern Selbstverwirklichung in der Freizeit. … Man lebt nicht, um zu arbeiten, sondern arbeitet, um zu leben.

Der Epilog erinnert an Geräte,Begriffe und seltsame Verhaltensweisen aus unserer IT-Vergangenheit. In den 1970er Jahren gab es noch Rohrpost, Vierteltelefon, Diafilme und Audiokassetten. Ein Jahrzehnt später kam der Commore-Computer, bunte Plastik-Floppy-Discs dienten zur Datenspeicherung, Faxe und Letraset-Abreibbuchstaben eroberten die Büros. Internet, CDs und DVDs charakterisierten die 1990er Jahre . Die 2000er Jahre brachten Soziale Netzwerke und in einem Punkt änderten auch die 2010er Jahre nichts: Immer zu wenig Platz auf der Festplatte.

2020 ist in der Produktionsphase des Buches die viel zitierte Coronakrise ausgebrochen. Als erfahrene Journalistin hat Michaela Ernst aktuell darauf reagiert. So schreibt sie im Vorwort: Vor allem offenbarte uns die Situation Folgendes: Alle Änderungen, die uns in Zusammenhang mit der Digitalisierung angekündigt wurden, hat letztendlich nicht das Virtuelle, sondern das Virus herbeigeführt. Und zwar innerhalb weniger Tage. … Und es hat uns gezeigt, was das zutiefst Menschliche ausmacht … Problembewusstsein, Lösungsorientiertheit, Mitgefühl, vernetztes Denken und die Fähigkeit unmittelbar auf Chaos einzugehen und dieses auch zu beseitigen, beziehungsweise abzuschwächen. Man lasse sich nicht von der vermeintlichen Klugheit Künstlicher Intelligenz blenden und vertraue nicht allein auf die Problemlösungsfähigkeit digitaler Techniken. Be a Mensch, fordert Michaela Ernst. Nachdem man vieles in ihrem Buch humorvoll präsentiert bekommen und gelernt hat, kann man ihr nur zustimmen.

hmw