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Tobias Hoffmann (Hg.): Von Arts and Crafts zum Bauhaus #

Bild 'Bauhaus'

Tobias Hoffmann (Hg.): Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design - eine neue Einheit! Katalog zur Ausstellung im Bröhan-Museum in Berlin 2019. Mit Beiträgen von Tobias Hoffmann, Anna Grosskopf, Simon Häuser, Alexandra Panzert, Fabian Reifferscheid. Wienand Verlag Köln. 368 S. Deutsch/ Englisch, ill., € 45,-

Dieses neue, zweisprachige Standardwerk ist zugleich der reich bebildete Katalog einer Ausstellung, die aus Anlass des Jubiläums "100-Jahre Bauhaus" stattfand. Die Ausstellung ist bis 9. Mai 2021 im Möbelmuseum Wien zu sehen. Die Kunstschule in Weimar strebte die Zusammenführung von Kunst und Handwerk. Architektur und Design an. Damals als revolutionär empfundene Fragen - Ist Design Kunst? Wie weit folgt die Form der Funktion? Soll die Gestaltung eher dem Handwerk oder der Industrie verpflichtet sein? Braucht die Moderne einen Stil? - waren aber nicht ganz neu. Die britische Arts and Crafts-Bewegung hatte sie bereits 50 Jahre zuvor gestellt. Im Wiener Jugendstil erfolgten um 1900 entscheidende Schritte auf dem Weg zur Moderne.

Ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg wurde in Wien die moderne Gestaltung wie an kaum einem anderen Ort Europas geprägt. … gründete sich 1897 die Wiener Secession. Mit dem Anspruch einer künstlerischen Durchdringung aller Lebensbereiche bildete sie eine neue Elite, die mit der Verschmelzung von Kunst und Alltag eine neue Kultur einleiten wollte. Simon Häuser schreibt über Kunst, Gestaltung und Leben in Wien um 1900. Dabei stellt er die Frage Hoffmann gegen Loos?. Beide "Ikonen der Wiener Moderne" wurden 1870 im heutigen Tschechien geboren und gingen sogar zusammen zur Schule. Ihre Auffassungen standen sich diametral gegenüber: Hoffmann vertrat den Gedanken des Gesamtkunstwerks, in dem der Architekt bzw. der Künstler eine starke Rolle einnimmt und als Einziger die Kompetenz zum Entwurf besitzt. Loos hingegen forderte eine Trennung von Kunst und Gewerbe. … Während Loos das Ornament größtenteils ablehnte, setzte Hoffmann, in der Tradition seiner klassischen Ausbildung und des Jugendstils stehend, das Ornament vielseitig ein. … Im Streit Hoffmann gegen Loos traf der Meister des Ornaments auf einen Mann, der glaubte, im Ornament eine kulturelle Degeneration entdecken zu können. Dennoch verbindet die beiden Wegbereiter der Moderne viel. Beide nahmen sich die Arts and Crafts-Bewegung zum Vorbild, obwohl sie aus ihr andere Schlüsse zogen.

Wie die Wiener Secession eine Antithese zum historistischen Ringstraßenstil darstellte, bildete die Arts and Crafts-Bewegung eine Reaktion auf die Londoner Weltausstellung von 1851. In der "Great Exhibition" triumphierte die englische Konsumgüterindustrie, auch sie war stilistisch dem Historismus verpflichtet. Maschinen ermöglichten die massenhafte Erzeugung überladener, unpraktischer Gebrauchsgegenstände. Die Kritik der Reformer konnte nicht ausbleiben. Vor allem Japan mit seinem hoch entwickelten Kunsthandwerk und edel-schlichten Formen lieferte attraktive Vorbilder für ihren "Anglo-Japanese Style". Einer der erfolgreichsten Künstler war Christopher Dresser, Professor an der Londoner School of Design und einer der ersten, der das bis in die 1850er Jahre verschlossene Land bereiste. Zur gleichen Zeit beschäftigte sich der Architekt und Designer Edward William Godwin mit japanischer Kunst. Seine Möbel verbanden europäische und fernöstliche Traditionen. Obwohl es Sessel im europäischen Stil in der traditionellen Kultur nicht gab, ließ sich der Designer von Formen, Material und Lackarbeiten soweit inspirieren, dass er überzeugende japonistische Möbel kreierte.

Der Maler und Arts and Crafts-Gründer William Morris sah hingegen eigene, mittelalterliche Handwerkstraditionen als Ideal. Sein Einfluss auf folgende Gestalter-Generationen war gewaltig: Einfachheit wurde zum Kernprinzip sachlichter Gestaltung, vor allem in Deutschland, wo das Arts and Crafts Movement um 1900 stark rezipiert wurde und eine Entwicklung in Gang setzte, die über den deutschen Werkbund bis zum Bauhaus fortwirkte, schreibt Anna Grosskopf.

Um die Jahrhundertwende war das Schottische Glasgow nach London die größte Stadt des britischen Empire. In der bildenden Kunst hatte sich die Gruppe "Glasgow Boys", zu der auch bedeutende Künstlerinnen zählten, einen Namen gemacht. Die impressionistischen MalerInnen stellten in Europa aus, vor allem in München und Wien. 1900 nahmen die Designer und Kunsthandwerker Charles Rennie Mackintosh und seine Frau Margaret MacDonald Mackintosh an der 8. Wiener Secessionsausstellung teil. Gestalter wie Koloman Moser gefielen ihre Ideen. Margaret McDonalds 'Gesso panels' wurden in Wien interessiert aufgenommen und gelten heute als Inspiration für Gustav Klimts Beethovenfries von 1902. Umgekehrt schien besonders das Werk Josef Hoffmanns Mackintoshs Stil zu verändern und einen Übergang vom Organischen zum Geometrischen … und damit eine Abkehr vom Glasgow Style zu verstärken, bemerkt Simon Häuser. Hermann Muthesius, Kultur-Attaché an der deutschen Botschaft in London, studierte die Entwicklungen in Großbritannien und schuf mit seinem Buch "Das englische Haus" (1904) ein einzigartiges Zeitdokument. Er schrieb: Die Schotten befruchteten die dort (= auf dem Kontinent)… im Entstehen begriffene neue Formenwelt, namentlich in Wien, aufs nachhaltigste, so daß zwischen ihnen und den Führern der Wiener Bewegung über den Kopf Englands hinweg ein unzertrennliches Band geknüpft ist.

Von Arts and Crafts zum Bauhaus thematisiert die Vorgeschichte des Bauhauses und bindet es in die europaweite Entstehung der Moderne ein. Das Werk veranschaulicht mit mehr als 300 Abbildungen und in neun Beiträgen die entscheidenden Schritte der Entwicklung von Arts and Crafts über die Glasgow School, den Wiener Jugendstil, den Deutschen Werkbund und die holländische Gruppe De Stijl bis zum Weimarer und Dessauer Bauhaus. So werden Zusammenhänge sichtbar, die es zu bedenken lohnt.

hmw