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Ingrid Loimer: Maria - Andacht und Zuflucht#

Bild 'Loimer'

Ingrid Loimer: Maria - Andacht und Zuflucht. Andachtsbildchen ab 1800. Salzburg Museum, Salzburg, 318 S., ill., € 20,-

Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt …, dichtete Novalis vor mehr als 200 Jahren. Ingrid Loimer hat nicht nur tausend, sondern 27.000 kleine Andachtsbilder gesammelt und kürzlich dem Salzburg Museum als Spende überlassen. Viele davon stellen die Muttergottes dar, die in der katholischen Heiligenverehrung den ersten Platz einnimmt. 2019 hatten die Museen im Land Salzburg einen "Marienschwerpunkt". Da lag es nahe, rund 800 ausgewählte Exponate im Volkskunde-Museum im Monatsschlössl von Hellbrunn zu präsentieren. Der reich illustrierte Katalog weist die Autorin als gleichermaßen kompetente Sammlerin und Volkskundlerin aus.

Dr. Loimers Kollektion umfasst nicht nur die barocken kleinen Andachtsbilder, die als Raritäten Spitzenpreise erzielen. Die meisten ihrer Exemplare entstanden von der Zeit Novalis' bis in die Gegenwart. Diese jüngsten Entwicklungen haben die Forschung bisher kaum interessiert. Die Standardwerke von Adolf Spamer ("Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis ins XX. Jahrhundert", 1930) und Gustav Gugitz ("Das kleine Andachtsbild in den österreichischen Gnadenstätten", 1950) liegen weit zurück. Sie waren der Meinung, dass seit dem 19. Jahrhundert die Qualität der Ausführung und der religiöse Gehalt im Niedergang begriffen sind. Andere Autoren würden die Massenprodukte der Bilderfabriken "Kitsch" nennen. Aber die Ethnologie hat nicht zu werten, sondern zu "sehen, was ist", wie es der Ordinarius Károly Gaál formuliert hat.

Zu sehen gibt es hier jede Menge, vor allem Chromolithographien mit Spezialeffekten, wie "Oblaten" und Goldprägungen, bestickte und beklebte Exemplare, Biedermeier-Spielereien, Kupferstiche, Fotos und Kostproben fast vergessener Techniken, wie Bromsilberdrucke. Jahrhunderte lang bildeten kleine Andachtsbilder wichtige Bestandteile der katholisch-religiösen Alltagskultur. Sie wurden als Wallfahrtsandenken gekauft, Kindern als Fleißbildchen geschenkt, als Beichtzettel verteilt, als Gebetserinnerung in fromme Bücher gelegt, als Hausaltärchen aufgestellt und als Werbemittel verwendet. Sie dienten der individuellen Frömmigkeit und sind auch im 21. Jahrhundert "unverzichtbar für die Kirche, um als Überbringer von Botschaften eingesetzt zu werden."

Die unüberschaubare Fülle der Heiligenbildchen erfordert ein Ordnungssystem, das sich die Autorin im Lauf eines halben Jahrhunderts erarbeitet hat. Für die Ausstellung und den Katalog, die sich auf ein Motiv konzentrieren, war eine andere Einteilung nötig. Das erste Kapitel des Buches widmet sie dem Phänomen Maria. Je weniger Fakten bekannt sind, umso üppiger blühen die Legenden, im konkreten Fall auch die künstlerische Phantasie. So bringt das zweite Kapitel Kind Maria und Braut des Heiligen Geistes Darstellungen von "Maria Bambina" in einer goldenen Wiege, das Kind mit Rosenkränzchen und Lilie, Maria im Schatten der Geisttaube oder "im Garten beim Spinnen". Idealisierte Darstellungen beschränken sich nicht auf das 19. Jahrhundert. Auch um die Jahrtausendwende entstanden Bilder der Jungfrau, Mutter, Königin mit naiv-lieblichem Ausdruck.

Zu den Anrufungen in der Lauretanischen Litanei zählt Maria - Heil der Kranken. Von Devotionalien aus marianischen Gnadenstätten erhofften die Pilger Hilfe für sich und ihre Angehörigen. Sie kauten dort gesegnete und am Kultobjekt berührte Andachtsbilder ("geweiht und angerührt"), briefmarkengroße Schluckbildchen zum Einnehmen, Medaillen und Amulette, die man am Körper trug. Gesundheit an Leib und Seele war und ist wohl das wichtigste Motiv zum Besuch der Wallfahrtsorte. Ihre Zahl hat im 20. Jahrhundert zugenommen, konstatiert die Autorin, Gläubige sprechen aber nicht jedem Gnadenbild die gleiche Macht zu. Seit langem waren Mehrorte-Wallfahrten üblich. Sie fanden ihren Niederschlag in "Simultanbildchen". Die meistens grau oder braun getönten Chromolithographien zeigen die vier wichtigsten Wallfahrtsorte in der Nähe der Haupt- und Residenzstadt Wien (Mariazell, Maria Taferl, Maria Dreieichen und Sonntagsberg) auf einem Bild vereint.

Bitten an die Muttergottes beschränkten sich nicht auf die Gesundheit. "Maria Trost" und "Maria von der immerwährenden Hilfe" , Maria als Zuflucht der Sünder und der armen Seelen nehmen breiten Raum in der Darstellung ein. Das österreichische Heiligtum Mariazell und Altötting mit seiner schwarzen Madonna in Deutschland sind im Buch prominent vertreten. Ebenso wie die Patrona Bavariae, bei deren Säule im Münchener Stadtzentrum die Erzbischöfe von München-Freising ihre Amtsführung beginnen und beenden. Hohe Geistliche, Herrscher und Politiker pflegten ihre persönliche Beziehung zur "Patrona". Die Habsburger verehrten außer der Mariazeller "Magna Mater Austriae" das Gnadenbild "Maria mit dem geneigten Haupt", das sich in der Döblinger Karmelitenkirche befindet, und das Innsbrucker Maria-Hilf-Bild von Lukas Cranach.

"Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind", heißt es in Goethes Faust. Orte von Marienerscheinungen wie Lourdes (1858), Fatima (1917) und Medjugorje (1987) werden noch immer gerne besucht, wie aktuelle Abbilder der Maria Immaculata belegen. Visionen und Wunder wurden meist Bauernkindern oder Klosterfrauen zuteil, wie man detailliert nachlesen kann. Seit der Barockzeit förderte die Amtskirche die Verehrung der heiligen Herzen Jesu und Mariä. Die herkömmlichen Herz-Mariä-Bilder zeigen ein flammendes Herz, das mit einem Blütenkranz umwunden und als Zeichen der Compassio von einem Schwert durchbohrt ist. … Da die Herzen von Jesus und Maria mit gleicher Inbrunst verehrt wurden, produzierten einige Kunstverlage Bilderpaare der heiligen Herzen. Schließlich wurde auch Joseph von Nazareth ein besonderes, mit Lilien geschmücktes Herz zugebilligt. Diese Blume - als Keuschheitssymbol - ziert auch Bilder mit und für Marienkinder. Die Lilie ist nicht das einzige florale Dekorationselement. Das Kapitel Marienblumen beschreibt sie, von Akelei bis Vergissmeinnicht. Eine patriotische Besonderheit bilden Wallfahrtsbilder eines Wiener Verlages aus den 1950er Jahren. Die Kirchen sind von einem Rahmen bunter Alpenblumen umgeben, die dem damals entstehenden Österreichbewusstsein entsprachen. Die Texte der Marien-Wallfahrtsbilder sind nicht immer religiöser Natur. In Lourdes warben Kaufhäuser und Hotels auf den Rückseiten.

Marianische Vereinigungen bedienten sich des Mediums Andachtsbild und pflegten Gebete, Gesänge und Feiertage zu Ehren Mariens. Obwohl sich die Art der Darstellung über Generationen gleicht, gab es doch modische Variationen. Auch Devotionalien sind Waren, ihre Hersteller beeinflussen den Geschmack der Kundschaft und orientieren sich an der Nachfrage. Das Kapitel Über die Produktion der Andachtsbildchen erlaubt einen Blick hinter die Kulissen. Als Gegner der sentimentalen Bilderwelt traten Künstler und Verlage mit dem Ziel auf, inhaltlich wertvolle Andachtsbilder zu produzieren…. Die Masse der Andachtsbildchen blieb jedoch vom Stil der Nazarener und ihrer Epigonen geprägt. - bis heute. Dem gegenüber stehen kunsthandwerkliche Ausführungen wie Klosterarbeiten, Aufstellbilder, Faltrosen und andere Raritäten. Darunter befinden sich biegsame "Hauchbildchen", die mit Goldfarbe auf Hausenblasen (später Gelatinefolien) gedruckt waren oder mit Madonnen bemalte Bodhibaum-Blätter aus indischen Missionsstationen des 21. Jahrhunderts. Zum Abschluss des Buches lernt man Besonderheiten aus der Sammlung Loimer kennen, die nicht Maria zum Thema haben. Auflistungen der Künstler, Kunstanstalten und Verlage seit dem 19. Jahrhundert und ein Katalogteil runden die Ausführungen von Ingrid Loimer ab. Ihr gebührt großer Dank, nicht nur des Museums wegen der Schenkung, sondern auch des Faches Volkskunde. Sie hat mit der Bearbeitung eines eher ver- als beachteten Themas Neuland betreten.

hmw